Echter Wasabi: Warum die grüne Paste aus dem Supermarkt (fast) immer eine Lüge ist
Ich werde diesen Moment nie vergessen. Es war bei einem exklusiven Kochkurs, und ein japanischer Meisterkoch war zu Gast. Wir dachten alle, wir wüssten, was Wasabi ist – diese knallgrüne, höllisch scharfe Paste aus der Tube, die man zu jedem Sushi-Teller bekommt. Aber was der Meister an diesem Tag aus einer Holzkiste holte, sah ganz anders aus: eine unscheinbare, knubbelige Wurzel.
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Das große Wasabi-Missverständnis: ECHT vs. FAKE
- 0.2 Eine Diva unter den Pflanzen: Warum echter Wasabi so teuer ist
- 0.3 Die Kunst der Zubereitung: So holst du alles aus der Knolle
- 0.4 Hilfe, was mache ich mit dem Rest? Die richtige Aufbewahrung
- 0.5 Dein Einkaufs-Guide: Wo finde ich echten Wasabi?
- 0.6 Ein Wort zur Gesundheit
- 0.7 Fazit: Trau dich an das Original!
- 1 Bildergalerie
Er nahm ein kleines, raues Brettchen, das aussah wie feinstes Schmirgelpapier, und fing an, die Wurzel mit langsamen, kreisenden Bewegungen darüber zu reiben. Sofort stieg ein frischer, fast süßlicher Pflanzenduft auf, der absolut nichts mit dem stechenden Geruch zu tun hatte, den wir kannten. Die Paste, die da entstand, war hellgrün und fast cremig. Und der Geschmack? Eine Offenbarung! Eine kurze, intensive Schärfe, die in die Nase stieg und sofort wieder verschwand, um einer feinen Süße Platz zu machen. Da hab ich’s kapiert: Das meiste, was wir als Wasabi kennen, ist eine Fälschung.

Heute will ich mal aus dem Nähkästchen plaudern und dir zeigen, was es mit dem echten „grünen Gold“ auf sich hat, warum es so sündhaft teuer ist und wie du die Imitate sofort entlarvst.
Das große Wasabi-Missverständnis: ECHT vs. FAKE
Lass uns direkt mit der harten Wahrheit starten: Die grüne Paste, die du in über 95 % der Fälle in Restaurants oder im Supermarkt bekommst, hat mit echtem Wasabi nichts zu tun. Ehrlich, das ist keine Übertreibung. Was du da isst, ist eine clevere Mischung aus ganz normalem Meerrettich, Senfpulver, Maisstärke und einer ordentlichen Portion grüner Lebensmittelfarbe. Der Grund dafür ist rein wirtschaftlich: Meerrettich wächst fast überall, ist robust und spottbillig im Anbau. Echter Wasabi ist da eine ganz andere Hausnummer.
Aber warum schmeckt es dann trotzdem irgendwie „scharf“? Nun, Wasabi und Meerrettich sind botanisch verwandt. Beide enthalten Stoffe, die bei Verletzung (also beim Reiben oder Kauen) eine chemische Reaktion auslösen und die typische Schärfe erzeugen. Beim Meerrettich ist diese Schärfe aber eher brachial und langanhaltend – ein frontaler Angriff auf die Zunge. Die Imitate versuchen das mit Senfextrakten nachzubauen, aber ihnen fehlt die Seele des Originals: die flüchtige Eleganz, die feine Süße und das frische, pflanzliche Aroma.

Um es ganz einfach zu machen:
- Echter Wasabi: Die Schärfe steigt kurz und intensiv in die Nase, reinigt den Gaumen und hinterlässt eine subtile Süße. Perfekt, um den feinen Geschmack von Fisch zu unterstreichen, nicht zu erschlagen.
- Wasabi-Imitat: Die Schärfe brennt aggressiv und lange im Mund und auf der Zunge. Sie überdeckt alles und schmeckt oft nur stechend und künstlich.
Eine Diva unter den Pflanzen: Warum echter Wasabi so teuer ist
Die Wasabi-Pflanze ist, gelinde gesagt, eine Diva. Sie stellt extreme Ansprüche an ihre Umgebung, die nur an ganz wenigen Orten auf der Welt erfüllt werden. Man unterscheidet grob zwei Anbaumethoden, und die eine ist deutlich aufwendiger als die andere.
Die Königsklasse ist der sogenannte „Sawa-Anbau“. Hier wachsen die Pflanzen in Kiesbetten direkt in eiskalten, fließenden Gebirgsbächen. Das Wasser muss dabei konstant eine Temperatur zwischen 10 und 15 Grad haben, absolut sauber sein und die Pflanzen sanft umspülen. Zudem brauchen die Diven Schatten, weshalb die Felder oft mit großen Netzen überspannt werden. Unter diesen perfekten, aber extrem seltenen Bedingungen dauert es fast ZWEI JAHRE, bis eine einzige Wurzel erntereif ist. Das alles ist pure Handarbeit. Kein Wunder, dass das Ergebnis so kostbar ist.

Daneben gibt es noch den „Oka-Anbau“ auf feuchten Erdfeldern. Das ist einfacher und schneller, aber die Qualität gilt als nicht ganz so überragend. Der Geschmack ist oft etwas herber und bitterer. Dieser Wasabi landet dann meist in verarbeiteten Produkten wie Snacks oder Dressings.
Die Kunst der Zubereitung: So holst du alles aus der Knolle
Solltest du mal das Glück haben, eine echte Wasabi-Wurzel in die Finger zu bekommen (was gar nicht so unmöglich ist, dazu später mehr), ist die Zubereitung entscheidend. Hier kannst du viel falsch machen. Kleiner Tipp: Es kommt vor allem auf das richtige Werkzeug an.
1. Das richtige Werkzeug: Die Reibe
Vergiss deine normale Küchenreibe! Die ist viel zu grob und würde die feinen Pflanzenzellen nur zerfetzen, was zu einer wässrigen, weniger aromatischen Paste führt. Traditionell wird ein Oroshigane verwendet, ein Reibebrett, das mit echter Haihaut (Samegawa) bespannt ist. Die Textur ist wie ultra-feines Sandpapier und bricht die Zellen perfekt auf.

Keine Sorge, du musst dir nicht gleich so ein Luxus-Teil zulegen, das gerne mal 50 bis 80 Euro kosten kann. Eine sehr gute und erschwingliche Alternative sind Reiben aus Keramik oder Edelstahl mit ganz feinen, erhabenen Zähnen. Die findest du online oder in guten Haushaltswarenläden schon für 15 bis 25 Euro und das Ergebnis ist top.
2. Das Reiben selbst
Wasche die Wurzel kurz unter kaltem Wasser ab und bürste sie sanft. Schälen musst du sie nicht. Halte sie am Blattende fest und reibe die Spitze mit leichtem Druck in langsamen, kreisenden Bewegungen über deine feine Reibe. Reibe immer nur so viel, wie du in den nächsten 15 Minuten essen willst!
3. Der magische Moment: Das Ruhen
Sammle die entstandene Paste zu einem kleinen Häufchen und jetzt kommt der wichtigste Teil: Lass sie für etwa 3 bis 5 Minuten ruhen. In dieser Zeit entfaltet sich die chemische Reaktion und die Schärfe erreicht ihren Höhepunkt. Danach verfliegt das Aroma langsam wieder. Das ist auch der Grund, warum ein echter Sushi-Meister den Wasabi immer direkt zwischen Reis und Fisch platziert – so ist er geschützt und explodiert erst im Mund.

Hilfe, was mache ich mit dem Rest? Die richtige Aufbewahrung
Okay, du hast dir eine teure Wasabi-Knolle für 30 Euro gegönnt, ein bisschen was gerieben und jetzt? Wegwerfen wäre eine absolute Todsünde! Aus meiner Erfahrung hält sich die Wurzel bei richtiger Lagerung erstaunlich gut.
Ganz einfach: Wickle das restliche Rhizom in ein feuchtes Papiertuch. Lege es dann in einen offenen Gefrierbeutel oder eine nicht ganz geschlossene Dose und ab damit ins Gemüsefach deines Kühlschranks. Tausche das feuchte Tuch alle zwei bis drei Tage aus. So bleibt die Wurzel locker zwei Wochen frisch und knackig.
Dein Einkaufs-Guide: Wo finde ich echten Wasabi?
Das ist die Millionen-Euro-Frage. Aber es ist machbar! Hier meine Tipps:
- Online-Feinkostläden: Das ist deine beste Anlaufstelle. Suche nach Shops, die auf japanische Lebensmittel oder die Belieferung von Spitzenrestaurants spezialisiert sind. Einige importieren frische Rhizome direkt aus Japan oder von den wenigen Farmen in Europa.
- Der Supermarkt-Trick: Wenn du mal wieder vor dem Wasabi-Regal stehst, mach den 5-Sekunden-Profi-Check: Dreh die Tube oder die Pulver-Dose um und lies die Zutatenliste. Steht an erster Stelle „Meerrettich“ (oder „Horseradish“), weißt du Bescheid. Echter Wasabi wird als „Wasabia japonica“ deklariert. Falls er überhaupt drin ist, dann meist nur zu mickrigen 1-2 %.
- Was kostet der Spaß? Sei auf Luxuspreise vorbereitet. Eine frische Wasabi-Knolle (ca. 40-50 Gramm) kostet dich zwischen 25 und 40 Euro. Echtes, 100%iges Wasabi-Pulver zum Anrühren ist eine gute Alternative und liegt bei etwa 10 bis 15 Euro pro kleiner Dose – immer noch meilenweit besser als die grüne Paste.
- Frag im Restaurant: Bist du in einem wirklich guten Sushi-Laden? Dann sei mutig und frage den Koch, ob er echten Wasabi verwendet. Ein guter Meister wird stolz darauf sein und dir vielleicht sogar die Knolle zeigen.

Ein Wort zur Gesundheit
Im Netz liest man oft, Wasabi sei ein Wundermittel gegen alles Mögliche. Und ja, es gibt Laborstudien, die auf antibakterielle und entzündungshemmende Eigenschaften hindeuten. Aber seien wir mal ehrlich: Die Mengen, die wir beim Essen zu uns nehmen, sind winzig. Wir reden hier von ein paar Gramm. Genieß ihn also wegen seines umwerfenden Geschmacks, nicht als Medizin. Der traditionelle Grund, ihn zu rohem Fisch zu essen, war aber vermutlich genau dieser antibakterielle Effekt – eine Art natürliche Versicherung in Zeiten vor der perfekten Kühlkette.
Achtung: Unterschätze die Schärfe nicht! Fang immer mit einer erbsengroßen Menge an. Einmal hat ein Kollege versucht, den Harten zu markieren und einen halben Teelöffel auf einmal gegessen. Sein Kopf wurde knallrot und er rang nach Luft. Der Schock ist zwar kurz, aber heftig.
Fazit: Trau dich an das Original!
Wasabi ist so viel mehr als nur Schärfe. Es ist ein Stück Küchenkultur und ein Beweis dafür, wie viel Arbeit und Wissen in einem einzigen, hochwertigen Lebensmittel stecken kann. Es lehrt uns, genauer hinzuschauen und den Unterschied zwischen einer lauten Karikatur und einem leisen, aber tiefgründigen Kunstwerk zu schmecken.

Also, hier meine Challenge für dich: Sei neugierig! Auch wenn du nicht jede Woche frischen Wasabi reibst, probier ihn wenigstens ein Mal im Leben. Vielleicht legst du mit Freunden für eine Knolle zusammen? Der Unterschied ist eine echte Offenbarung. Und beim nächsten Sushi-Essen fragst du einfach mal nach. Wer weiß, vielleicht erlebst du ja auch deinen ganz persönlichen Wasabi-Moment.
Bildergalerie


Das teure Rhizom ist im Haus – und jetzt?
Frischer Wasabi ist eine Kostbarkeit und will auch so behandelt werden. Um das Aroma optimal zu konservieren, wickeln Sie die Wurzel in ein feuchtes Papiertuch oder ein sauberes, nasses Tuch. So verpackt, hält sie sich im kühlsten Teil des Kühlschranks, meist im Gemüsefach, bis zu zwei Wochen. Wechseln Sie das Tuch alle paar Tage, um es feucht zu halten. Reiben Sie immer nur so viel, wie Sie sofort benötigen, denn die flüchtigen Aromen verblassen schnell an der Luft.

Der charakteristische scharfe Geschmack von echtem Wasabi erreicht seinen Höhepunkt etwa 3-5 Minuten nach dem Reiben und verfliegt fast vollständig nach 20 Minuten.
Diese extreme Flüchtigkeit ist der Grund, warum Wasabi in gehobenen Sushi-Restaurants oft direkt vor dem Gast oder portionsweise frisch für jede Bestellung zubereitet wird. Die für die Schärfe verantwortlichen Isothiocyanate sind sehr instabil und zerfallen bei Kontakt mit Sauerstoff. Das Timing ist also alles!

Die richtige Reibe entscheidet alles
Vergessen Sie Ihre Käsereibe! Um die feine, fast cremige Paste zu erhalten, die die Zellen der Pflanze optimal aufbricht und so das meiste Aroma freisetzt, braucht es ein spezielles Werkzeug. Die traditionelle Wahl ist ein Samegawa Oroshi – eine kleine Reibe, die mit echter, auf Holz gespannter Haihaut überzogen ist. Die feine, raue Textur ist perfekt. Eine exzellente, tierfreundliche Alternative sind hochwertige Keramikreiben oder spezielle Wasabi-Reiben aus Metall mit ultrafeinen Zähnen, wie sie beispielsweise von der Marke Microplane angeboten werden.

- Knackig und leicht pfeffrig im Salat
- Kurz in der Pfanne mit Sojasauce und Sesamöl blanchiert
- Als würzige Einlage in einer klaren Brühe
Das Geheimnis? Es handelt sich um die Blätter und Stängel der Wasabi-Pflanze! Oft übersehen, sind diese Teile eine Delikatesse für sich und werden in Japan gerne als „Wasabizuke“ in Sake-Trester eingelegt verkauft.

Fokus Farbe: Echtem, frisch geriebenem Wasabi fehlt das schreiende, fast künstliche Grün der Imitate. Seine Farbe ist ein zartes, pastelliges Hellgrün, das von der Natur und nicht von Farbstoffen wie E102 und E133 stammt. Die Textur ist nicht glatt und gelartig, sondern leicht körnig und faserig – ein sichtbares Zeichen seiner pflanzlichen Herkunft.

Weltweit werden jährlich nur etwa 1.500 Tonnen echte Wasabi-Rhizome geerntet, der Großteil davon in Japan.

Sie wollen das Original probieren, aber die Suche im Supermarkt ist frustrierend? Der Online-Handel ist Ihre beste Chance. Achten Sie bei spezialisierten Feinkosthändlern oder direkt bei Züchtern wie der britischen „The Wasabi Company“ auf diese Merkmale:
- Verkauf als „frisches Rhizom“ oder „frische Wurzel“, nicht als Pulver oder Paste.
- Angabe des Herkunftslandes (z. B. Japan, aber auch Farmen in Europa oder den USA).
- Gekühlter Expressversand ist ein Muss für die Frische.

Wasabi-Butter für Steak & Co.
Eine fantastische Art, das Aroma von echtem Wasabi zu genießen: Lassen Sie 100 g weiche Butter Zimmertemperatur annehmen. Reiben Sie ca. 1-2 Teelöffel frischen Wasabi und eine halbe Knoblauchzehe fein. Mischen Sie beides mit einem Spritzer Limettensaft und einer Prise Salz unter die Butter. In Backpapier zu einer Rolle formen und im Kühlschrank fest werden lassen. Schmilzt herrlich auf einem heissen Rindersteak, gegrilltem Fisch oder einfach auf geröstetem Brot.

Kann man Wasabi im eigenen Garten anbauen?
Theoretisch ja, praktisch ist es eine der größten Herausforderungen für Hobbygärtner. Die Pflanze, insbesondere die begehrte Sorte ‚Sawa-Wasabi‘, ist extrem anspruchsvoll. Sie benötigt konstant kühles, fließendes, sauerstoffreiches Wasser und wächst traditionell in seichten Bergbächen. Die einfacher zu kultivierende ‚Oka-Wasabi‘ (Feld-Wasabi) ist weniger aromatisch. Ohne ein schattiges Plätzchen mit Bachlauf oder ein aufwändiges Hydroponik-System mit Kühlung sind die Erfolgsaussichten leider minimal.
Die Premium-Alternative aus der Tube: Wenn ein frisches Rhizom für über 100 € pro Kilo gerade nicht im Budget liegt, gibt es einen Mittelweg. Einige Hersteller, wie die japanische Marke S&B, bieten Premium-Pasten an, die einen gewissen Anteil an echtem Wasabi (Wasabia japonica) enthalten. Werfen Sie einen genauen Blick auf die Zutatenliste: Steht „echter Wasabi“ oder „japanischer Meerrettich“ weit oben, ist dies ein deutliches Upgrade gegenüber den reinen Meerrettich-Imitaten.




