Dein Zuhause atmet nicht? Ein alter Hase vom Bau packt aus: Worauf es bei Luft, Schimmel & Co. wirklich ankommt

von Augustine Schneider
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Ganz ehrlich? In den über 30 Jahren, in denen ich als Handwerksmeister durch deutsche Häuser und Wohnungen getingelt bin, hab ich so ziemlich alles gesehen. Neubauten, die schon nach kurzer Zeit „krank“ waren, und Altbauten, die vor Gesundheit nur so strotzten. Man lernt da eine Sache ganz schnell: Ein Haus ist kein toter Kasten. Es ist ein lebendiges System. Und wenn dieses System aus dem Gleichgewicht gerät, dann merken das die Menschen, die darin leben – und zwar am eigenen Leib.

Ich wurde oft zu Leuten gerufen, die über Kopfschmerzen, ständige Müdigkeit oder rätselhafte Erkältungen klagten. Manchmal lag die Lösung auf der Hand, manchmal war es Detektivarbeit. Aber fast immer lief es auf die gleichen drei Hauptverdächtigen hinaus: die Luft, die Feuchtigkeit und die Baustoffe. Und genau darum soll es hier gehen. Kein trockenes Zeug aus Lehrbüchern, sondern handfeste Tipps aus der Praxis. So, als würden wir bei einer Tasse Kaffee in meiner Werkstatt schnacken.

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Übrigens, bevor wir richtig loslegen, hier eine kleine „Erste-Hilfe-Shoppingliste“, mit der du für unter 50 Euro sofort starten kannst:

  • Ein digitales Hygrometer: Dein neuer bester Freund. Zeigt dir Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Kriegst du im Baumarkt oder online für ca. 10 bis 15 Euro.
  • Eine Flasche 70%iger Isopropanol-Alkohol: Das beste Mittel gegen kleine Schimmelstellen. Kostet in der Apotheke oder online um die 8 Euro für einen Liter.
  • Ein paar FFP2-Masken: Hast du wahrscheinlich eh noch rumliegen. Absolutes Muss bei jeder Schimmelbekämpfung, egal wie klein die Stelle ist!

So, jetzt aber ran an den Speck.

Säule 1: Die Luft – Dein unsichtbarer Mitbewohner

Wir denken selten über die Luft nach, die wir einatmen. Ist ja einfach da. Blöd nur, dass die Luft in unseren vier Wänden oft schlechter ist als an einer vielbefahrenen Kreuzung. Wir dichten unsere Häuser super ab, um ja keine Heizwärme zu verlieren. Das ist im Prinzip auch gut, aber wir sperren damit auch alles ein, was raus sollte.

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Was in „dicker Luft“ wirklich abgeht

Wenn wir atmen, produzieren wir CO2. In einem geschlossenen Raum steigt der Gehalt ratzfatz an. Ein alter Richtwert besagt, dass es ab etwa 1.000 ppm (Teile pro Million) ungemütlich wird. Man wird müde, kann sich nicht mehr konzentrieren – kennst du sicher aus stickigen Meetingräumen. Das allein ist schon nervig.

Aber es kommt noch mehr dazu: Wir schwitzen, Pflanzen geben Feuchtigkeit ab, und unsere Möbel, Teppiche und Wandfarben „gasen“ oft noch monatelang chemische Verbindungen aus (sogenannte VOCs). Dieser Cocktail sammelt sich an. Ein gesundes Haus muss atmen können, Punkt.

Die hohe Kunst des Lüftens: Mehr als nur Fenster auf

Jeder redet von „Stoßlüften“. Das ist schon mal besser als nichts, aber die Königsklasse ist das Querlüften. Und das ist der entscheidende Unterschied:

  • Stoßlüften: Du machst ein Fenster für 5-10 Minuten komplett auf. Die kalte, frische Luft kommt rein, die verbrauchte raus. Die Wände kühlen dabei kaum aus. Das ist die solide Basis.
  • Querlüften: Das ist Stoßlüften auf Steroiden! Du öffnest Fenster an gegenüberliegenden Seiten der Wohnung. Es entsteht ein richtiger Durchzug, der innerhalb von 2-3 Minuten die komplette Luft einmal austauscht. Ideal morgens nach dem Aufstehen, nach dem Kochen oder Duschen.

Als Faustregel: Drei- bis viermal am Tag sollte das schon drin sein. Ist wie Zähneputzen für dein Haus.

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Der schlimmste Fehler, den du machen kannst

Ich kann es nicht oft genug sagen: Das Fenster auf Dauerkipp ist der schnellste Weg zu Schimmel, besonders im Winter. Warum? Die warme Luft zieht langsam am eiskalten Fensterrahmen vorbei. Dabei kühlt die Wand über dem Fenster massiv aus. Die Feuchtigkeit aus der warmen Raumluft knallt an diese kalte Stelle und kondensiert. Zack, nass. Und wo es dauerhaft nass ist, fühlt sich der Schimmel pudelwohl. Ich hab schon komplette Fensterlaibungen sanieren müssen, nur wegen dieser blöden Angewohnheit. Also: Fenster kurz ganz auf, dann wieder ganz zu!

Wenn manuelles Lüften an seine Grenzen stößt

In modernen, superisolierten Neubauten reicht das manuelle Lüften oft gar nicht mehr aus, um die Bude trocken und frisch zu halten. Hier sind mechanische Lüftungsanlagen oft schon Pflicht.

Es gibt da grob zwei Systeme:

  • Dezentrale Lüfter: Das sind einzelne Geräte, die direkt in die Außenwand eingebaut werden. Einer saugt Luft raus, der andere rein, oft mit Wärmerückgewinnung – das spart Heizkosten. Die Dinger sind super zum Nachrüsten. Reche mal mit Kosten ab etwa 400-600 Euro pro Gerät plus Einbau. Den Einbau sollte ein Profi machen, da ein Loch in die Hauswand muss.
  • Zentrale Lüftungsanlagen: Ein großes Gerät im Keller oder Dachboden versorgt das ganze Haus über Kanäle. Super komfortabel, aber auch die teuerste Lösung, die eher im Neubau Sinn macht. Da reden wir schnell über mehrere tausend Euro.

Achtung! So eine Anlage ist kein Selbstläufer. Die Filter müssen alle 3 bis 6 Monate gewechselt werden. Das ist kinderleicht und kannst du selbst machen. Tust du es nicht, wird die Anlage zur Keimschleuder. Also, Termin im Kalender eintragen!

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Säule 2: Der ewige Kampf gegen Feuchtigkeit und Schimmel

Schimmel ist der Staatsfeind Nummer eins. Er sieht nicht nur fies aus, seine Sporen können Allergien und Asthma auslösen. Er braucht zum Leben nur zwei Dinge: irgendwas zu fressen (Tapete, Staub, Farbe) und Feuchtigkeit. Das Futter können wir ihm kaum nehmen, also müssen wir ihm das Wasser abdrehen.

Dein wichtigstes Werkzeug hab ich ja schon erwähnt: das Hygrometer. Der Wohlfühlbereich für deine Wohnung (und gegen Schimmel) liegt zwischen 40 % und 60 % relativer Luftfeuchtigkeit. Alles, was dauerhaft darüber liegt, ist eine Einladungsparty für Schimmelsporen.

Kleiner Tipp vom Profi: Stell das Hygrometer nicht direkt ans Fenster oder über die Heizung. Der beste Platz ist mitten im Raum auf Tischhöhe, da sind die Werte am aussagekräftigsten.

Die Tücken der Wärmebrücken

Manchmal entsteht Schimmel aber trotz fleißigem Lüften. Dann sind oft bauliche Mängel schuld, sogenannte Wärmebrücken. Das sind kalte Stellen an der Hauswand, wo Wärme schneller nach draußen pfeift. Typische Kandidaten sind Außeneckenvon Räumen, Fensteranschlüsse oder ungedämmte Balkone. An diesen kalten Stellen kondensiert die Luftfeuchtigkeit als erstes. Fühl mal an einem kalten Wintertag eine Raumecke an der Außenwand. Wenn die sich deutlich kälter anfühlt als der Rest der Wand, hast du eine Wärmebrücke gefunden. Da hilft auf Dauer nur eine fachgerechte Dämmung – ein klarer Fall für den Fachmann.

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Ein Klassiker: Der Schrank an der Außenwand

Ich erinnere mich an eine junge Familie, die über modrigen Geruch im Schlafzimmer klagte. Der riesige Kleiderschrank stand press an der Außenwand. Als wir ihn einen Meter vorzogen, war die Wand dahinter kohlrabenschwarz. Die Luft konnte nicht zirkulieren, die Wand wurde kalt und feucht – ein Paradies für Schimmel.

Die Regel ist kinderleicht: Große Möbel an Außenwänden immer mit 5 bis 10 Zentimetern Abstand aufstellen. Eine Handbreit Luft muss dahinter sein!

Schimmel entdeckt – was jetzt?

Zuerst: keine Panik, aber Respekt! Wenn der Befall größer ist als eine halbe Postkarte, versuch nicht, den Helden zu spielen. Ruf einen Profi! Such online nach „Fachbetrieb für Schimmelsanierung“ und achte auf Zertifikate vom TÜV oder der Handwerkskammer. Eine unsachgemäße Entfernung kann eine Sporenwolke freisetzen, die du wirklich nicht einatmen willst. Rechne je nach Schaden mit Kosten ab 500 Euro aufwärts, aber deine Gesundheit ist es wert.

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Für kleine, oberflächliche Stellen kannst du selbst ran:

  1. Zieh dir Schutzausrüstung an: FFP2-Maske, Schutzbrille, Handschuhe. Immer!
  2. Sprühe die Stelle leicht mit Wasser ein, damit die Sporen nicht aufwirbeln.
  3. Nimm den 70-80%igen Alkohol und sprühe die Stelle satt ein. Lass ihn kurz einwirken und wisch den Schimmel mit einem Einwegtuch ab.
  4. Wiederhole das Ganze.
  5. Alle benutzten Tücher und die Kleidung sofort luftdicht in einen Müllsack packen und ab in den Hausmüll.

Und bitte, tu mir einen Gefallen: Nimm keinen Essig! Auf kalkhaltigen Wänden wirkt Essig wie Dünger für den Schimmel. Chlorreiniger bleichen den Schimmel oft nur oberflächlich aus und belasten zusätzlich die Raumluft. Alkohol ist hier wirklich die beste Wahl.

Säule 3: Womit wir uns umgeben – Die Wahl der Baustoffe

Früher war alles einfach: Holz, Lehm, Ziegel, Kalk. Heute ist der Baumarkt voll mit Hightech-Materialien. Viele davon sind super praktisch, bringen aber oft einen Chemie-Cocktail mit ins Haus, den wir jahrelang einatmen.

Der typische „Neuwagengeruch“ in einem neuen Auto? Das sind oft genau diese Ausdünstungen (VOCs). Bei Möbeln aus Spanplatten, billigem Laminat oder manchen Wandfarben ist das nicht anders. Das kann Kopfschmerzen und Allergien auslösen.

Wände, die atmen können (diffusionsoffen)

Eine gute Wand kann Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen und wieder abgeben. Sie wirkt wie ein Puffer für das Raumklima. Eine normale Dispersionsfarbe aus dem Baumarkt bildet aber oft eine Art Plastikfilm an der Wand – da ist nix mehr mit atmen.

Ganz anders sieht es mit mineralischen Systemen aus:

  • Der Herausforderer: Standard-Dispersionsfarbe. Sie ist günstig, einfach zu verarbeiten und in jeder Farbe erhältlich. Ihr großer Nachteil: Sie ist oft wenig bis gar nicht diffusionsoffen. Die Wand wird quasi versiegelt, was bei Feuchtigkeitsproblemen Schimmel begünstigen kann. Für Heimwerker ist sie einfach, aber für das Raumklima oft nicht die beste Wahl.
  • Der Champion: Silikat- oder Kalkfarben. Diese Farben sind komplett diffusionsoffen. Sie gehen eine chemische Verbindung mit dem Untergrund ein und lassen die Wand atmen. Kalkfarbe ist zudem von Natur aus alkalisch, was Schimmelpilzen überhaupt nicht schmeckt. Sie sind teurer (rechne mal mit 20-40 € für einen Eimer, der für ca. 30 qm reicht) und etwas anspruchsvoller in der Verarbeitung. Aber für Räume wie Schlafzimmer, Kinderzimmer oder Bäder ist das eine Investition, die sich absolut lohnt.

Wenn du das nächste Mal renovierst, frag im Fachhandel mal gezielt danach. Der Unterschied ist wirklich spürbar.

Böden, die dir guttun

Beim Boden haben wir ständigen Körperkontakt. Hier lohnt es sich, genau hinzuschauen:

  • Massivholz: Zeitlos, warm und langlebig. Mein Tipp: Lass ihn nicht mit Lack versiegeln, sondern mit natürlichen Ölen oder Wachsen behandeln. So bleibt das Holz atmungsaktiv. Gutes Parkett startet bei ca. 50 € pro Quadratmeter, kann aber auch schnell das Doppelte kosten.
  • Echtes Linoleum: Besteht aus Leinöl, Kork, Harz und Jute. Ein reines Naturprodukt, super robust und von Natur aus antibakteriell. Nicht verwechseln mit billigem PVC!
  • Kork: Elastisch, warm, leise. Perfekt für Kinderzimmer.

Vorsicht bei sehr günstigem Laminat oder Vinylböden. Die können Weichmacher und andere unschöne Stoffe enthalten. Wenn du unsicher bist, achte auf Siegel wie den „Blauen Engel“ oder „natureplus“.

Säule 4: Licht – Mehr als nur Helligkeit

Licht ist Lebensqualität. Es steuert unsere innere Uhr und unsere Stimmung. Ein oft völlig unterschätzter Faktor für gesundes Wohnen.

Nichts ist besser als Tageslicht. Also: Vorhänge auf, keine riesigen Schränke vor die Fenster stellen! Aber auch künstliches Licht kann man richtig oder falsch machen.

Ich hatte mal einen Kunden, der sich in seinem neuen Home-Office einfach nicht konzentrieren konnte und abends immer total platt war. Die Beleuchtung war eine einzelne, gemütlich-warme Funzel an der Decke. Wir haben eine helle, neutralweiße Arbeitsleuchte über dem Schreibtisch installiert und eine zweite Lampe für indirektes Licht im Raum ergänzt. Zwei Wochen später rief er mich an und meinte, es sei wie Tag und Nacht.

Achte beim Kauf von LEDs auf die Farbtemperatur (in Kelvin, K):

  • Warmweiß (< 3.300 K): Gemütlich, entspannend. Perfekt fürs Wohn- und Schlafzimmer.
  • Neutralweiß (3.300 – 5.300 K): Sachlich, anregend. Ideal für Küche, Bad und Arbeitsbereiche.
  • Tageslichtweiß (> 5.300 K): Sehr kühl, fast bläulich. Fördert die Konzentration, super für Werkstatt oder Keller.

Ein letztes Wort vom Meister

Ein gesundes Zuhause zu schaffen, ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Es geht nicht darum, morgen alles perfekt zu haben. Fang klein an.

Kauf dir dieses Hygrometer und beobachte, was in deiner Wohnung passiert. Ändere deine Lüftungsgewohnheiten. Und wenn die nächste Renovierung ansteht, denk vielleicht mal über eine andere Wandfarbe nach. Jeder kleine Schritt zählt.

Dein Zuhause ist dein Rückzugsort. Mach es zu einem Ort, der dir guttut. Und jetzt du: Was ist dein größtes Problem zu Hause? Die Luft, die Feuchtigkeit oder bist du unsicher bei den Materialien? Schreib es doch mal in die Kommentare!

Augustine Schneider

Augustine ist eine offene und wissenshungrige Person, die ständig nach neuen Herausforderungen sucht. Sie hat ihren ersten Studienabschluss in Journalistik an der Uni Berlin erfolgreich absolviert. Ihr Interesse und Leidenschaft für digitale Medien und Kommunikation haben sie motiviert und sie hat ihr Masterstudium im Bereich Media, Interkulturelle Kommunikation und Journalistik wieder an der Freien Universität Berlin abgeschlossen. Ihre Praktika in London und Brighton haben ihren beruflichen Werdegang sowie ihre Weltanschauung noch mehr bereichert und erweitert. Die nachfolgenden Jahre hat sie sich dem kreativen Schreiben als freiberufliche Online-Autorin sowie der Arbeit als PR-Referentin gewidmet. Zum Glück hat sie den Weg zu unserer Freshideen-Redation gefunden und ist zurzeit ein wertvolles Mitglied in unserem motivierten Team. Ihre Freizeit verbringt sie gerne auf Reisen oder beim Wandern in den Bergen. Ihre kreative Seele schöpft dadurch immer wieder neue Inspiration und findet die nötige Portion innerer Ruhe und Freiheit.