Martinsumzug leicht gemacht: Der Praxis-Guide für unvergessliche Laternenfeste
Seit ich denken kann, organisiere ich bei uns in der Gemeinde die Martinsumzüge. Ich habe Kinder gesehen, die mit zittrigen Händen ihre erste, selbst gebastelte Laterne getragen haben – und Jahre später stehen sie als Eltern mit ihren eigenen Kids neben mir. In all der Zeit habe ich eines gelernt: Dieses Fest ist so viel mehr als nur die alte Geschichte von dem Soldaten, der seinen Mantel teilt.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Woher kommt der Brauch eigentlich? Licht in der Dunkelheit
- 2 Die perfekte Laterne bauen: Eine Anleitung aus der Werkstatt
- 3 Von Weckmännern und Rübengeistern: So feiert Deutschland
- 4 Der Umzug: Ein Leitfaden für Organisatoren
- 5 Und wenn was schiefgeht? Plan B rettet den Abend
- 6 Ein paar letzte Gedanken vom alten Hasen
- 7 Bildergalerie
Klar, die Legende gibt uns den Anlass. Aber die eigentliche Magie, die spürt man doch in der Gemeinschaft, oder? Man sieht sie im Schein der unperfekten, aber einzigartigen Laternen. Man riecht sie im Rauch des Martinsfeuers und schmeckt sie im warmen Stockbrot. Das hier ist gelebtes Handwerk und echtes Miteinander. Es bringt uns zusammen und wirft ein warmes Licht in die oft so graue und dunkle Jahreszeit. In diesem Guide teile ich alles, was ich über die Jahre gelernt habe – ganz praxisnah und ohne Schnickschnack.

Woher kommt der Brauch eigentlich? Licht in der Dunkelheit
Viele kennen die Geschichte von dem römischen Soldaten und dem frierenden Bettler. Das ist der christliche Anker des Festes, die Botschaft vom Teilen und von der Nächstenliebe. Deswegen wird in Kindergärten und Schulen oft ein kleines Martinsspiel aufgeführt. Eine super wichtige Botschaft, die jeder versteht, egal woran man glaubt.
Aber, und das finde ich ehrlich gesagt noch spannender, die Wurzeln dieses Brauchs sind viel, viel älter. Schon lange bevor die Geschichte des Heiligen Martin erzählt wurde, gab es Feste in dieser Jahreszeit. Der November war früher ein Wendepunkt. Die Ernte war drin, die Tage wurden kürzer, die Kälte kroch in die Knochen. Es war der Beginn des Winters. Die Menschen entzündeten damals riesige Feuer. Die spendeten Wärme, Licht und waren ein Treffpunkt. Man glaubte auch, das Licht würde die Dunkelheit und böse Geister vertreiben.
Wusstest du übrigens, dass die ausgehöhlte Rübe der ursprüngliche „Kürbis“ für leuchtende Geisterfratzen war? Lange bevor Halloween aus den USA zu uns kam! Diese alten Rübengeister sind die direkten Vorfahren unserer heutigen Papierlaternen. Unsere Laternen sind also quasi die kleinen, persönlichen Freudenfeuer, die wir schützend durch die Dunkelheit tragen.

Die perfekte Laterne bauen: Eine Anleitung aus der Werkstatt
Vergiss perfekt gekaufte Laternen. Eine selbst gebaute hat einfach eine Seele. Ich zeige dir, wie man eine klassische und wirklich stabile Kastenlaterne baut, die auch mal einen Windstoß überlebt. Plane dafür ruhig ein bis zwei gemütliche Bastelstunden ein, besonders wenn Kinder mithelfen.
Deine Einkaufsliste: Was du wirklich brauchst
Die Materialwahl ist die halbe Miete. Hier ist, was sich über die Jahre bewährt hat – das meiste bekommst du für wenige Euro im Bastelladen oder online. Rechne mal mit etwa 3 bis 5 Euro pro Laterne, wenn du alles neu kaufst.
- Für den Rahmen: Stabiler Tonkarton. Nimm mindestens 220 g/m², sonst wird’s wabbelig. Schwarz oder Dunkelblau sehen super aus, weil das Licht dann richtig strahlt. (ca. 1-2 € pro Bogen)
- Für die Fenster: Klassisches Transparentpapier, weiß oder bunt. Das leuchtet einfach am wärmsten. Seidenpapier reißt leider viel zu schnell. (ca. 0,50 € pro Bogen)
- Klebstoff: Ein normaler Bastelkleber tut’s. Mein Geheimtipp für extra Halt, auch bei Nieselregen: Dünn aufgetragener Holzleim. Der trocknet durchsichtig und hält bombenfest.
- Boden & Deckel: Der absolute Profi-Tipp ist der Boden einer leeren Käseschachtel! Er ist rund, stabil und hat einen Rand – perfekt, damit die Kerze nicht verrutscht. Frag einfach mal nett an der Käsetheke im Supermarkt! Falls du keine bekommst: Schneide einfach zwei gleich große Kreise aus dicker Pappe aus und klebe sie für mehr Stabilität aufeinander.
- Werkzeug: Schere, ein scharfes Cuttermesser (Achtung, nur für Erwachsene!), ein Metalllineal und – mein Game-Changer – ein Falzbein. Das ist ein stumpfes Werkzeug, um saubere Knickkanten zu ziehen. Zur Not geht auch der Rücken eines Buttermessers.

Schritt für Schritt zur stabilen Laterne
- Rahmen zuschneiden: Schneide ein Rechteck aus dem Tonkarton, zum Beispiel 50 cm lang und 20 cm hoch. Das ergibt vier Seiten mit je 12,5 cm Breite.
- Fenster rein: Zeichne auf jede der vier zukünftigen Seiten ein Fenster. Wichtig: Lass überall mindestens 2 cm Rand stehen. Dieser Rahmen gibt der Laterne ihre Stabilität! Schneide die Fenster dann vorsichtig mit dem Cutter aus.
- Kanten vorbereiten: Jetzt kommt der Trick! Lege das Metalllineal an die Faltlinien und fahre mit dem Falzbein oder Messerrücken kräftig darüber. Das bricht die Papierfasern und du bekommst super saubere, gerade Kanten.
- Fenster bekleben: Schneide das Transparentpapier etwas größer als die Fenster aus. Streiche den Kleber dünn auf den Kartonrahmen (nicht auf das dünne Papier!) und klebe das Transparentpapier von innen dagegen.
- Zusammenbauen: Knicke den Rahmen an den vorbereiteten Kanten und klebe ihn zu einem Kasten zusammen. Eine kleine Klebelasche von 1 cm an einem Ende hilft dabei.
- Boden und Deckel: Klebe den Käseschachtelboden oder deinen Pappkreis unten in den Rahmen. Für den Deckel schneidest du ein Stück Pappe, das etwas größer als die Öffnung ist. Und ganz wichtig für die Sicherheit: Schneide ein Loch in die Mitte des Deckels, damit die heiße Luft der Kerze entweichen kann!

Kerze oder LED? Die ewige Frage
Ganz ehrlich? Hier scheiden sich die Geister. Eine echte Kerzenflamme lebt. Ihr Licht ist warm, es flackert und zaubert einfach diese einzigartige Atmosphäre. Wenn du eine Kerze nimmst, dann bitte nur eine spezielle Laternenkerze und befestige sie mit Wachs in einem Teelichthalter aus Metall auf dem Boden. Der Abstand zum Deckel sollte mindestens 5-7 cm betragen. Aber Achtung: Eine brennende Laterne ist kein Spielzeug und darf nie unbeaufsichtigt sein!
Für die ganz Kleinen (ich würde sagen, unter sechs Jahren) ist ein elektrischer LED-Laternenstab aber die einzig vernünftige Wahl. Absolut sicher, keine Brandgefahr. Der Nachteil ist oft das kalte Licht. Kleiner Tipp: Achte beim Kauf auf die Bezeichnung „warmweißes Licht“. Das kommt dem echten Kerzenschein schon erstaunlich nahe und macht einen riesigen Unterschied für die Stimmung.
Von Weckmännern und Rübengeistern: So feiert Deutschland
Es ist total spannend, wie unterschiedlich der Martinstag in Deutschland gefeiert wird.

- Im Westen (Rheinland/Westfalen) sind die Umzüge oft riesig, mit einem Reiter auf einem echten Pferd und Musikkapellen. Danach gibt es ein großes Feuer und als Belohnung einen „Weckmann“ aus Hefeteig.
- Im Norden ziehen die Kinder oft auch singend von Tür zu Tür, das nennt sich „Martinisingen“. Eine Tradition, die ein bisschen an Halloween erinnert, aber ganz eigene Wurzeln hat.
- Im Süden sind die Umzüge oft kleiner, besinnlicher und finden eher im Dorf- oder Kirchenrahmen statt. Hier gibt es statt Weckmännern oft Martinshörnchen oder süße Brezeln.
- Im Osten musste die Tradition nach der Wiedervereinigung oft erst wiederbelebt werden. Es ist aber fantastisch zu sehen, mit wie viel Herzblut die Bräuche dort wieder aufleben.
Der Umzug: Ein Leitfaden für Organisatoren
Einen Umzug für eine Gruppe zu organisieren, bedeutet Verantwortung. Aber keine Sorge, mit guter Planung wird es ein entspannter Abend für alle.
Anmeldung, Strecke und Helfer
Sobald ihr auf öffentlichen Straßen unterwegs seid, müsst ihr den Umzug beim Ordnungsamt anmelden, meistens 2-4 Wochen vorher. Ein großes Martinsfeuer braucht oft eine Genehmigung der Feuerwehr. Die sind aber meist super hilfsbereit!

Die Strecke ist das A und O. Für Kindergartenkinder reichen 500-800 Meter völlig aus. Wählt Wege mit wenig Verkehr. Und ganz wichtig: Du kannst das nicht alleine stemmen! Hol dir Helfer. Eine gute Faustregel ist: ein Ordner pro 10 Kinder. Verteilt die Aufgaben klar: Wer sichert die Straße? Wer hat ein kleines Erste-Hilfe-Set dabei? Wer kümmert sich um die Getränke und wer ist die Feuerwache?
Die Musikfrage
Nicht jeder hat eine Blaskapelle im Dorf, ist doch klar. Aber ohne Lieder fehlt was! Die Lösung ist denkbar einfach: eine gute, laute Bluetooth-Box. Packt die bekanntesten Lieder drauf, wie „Ich geh mit meiner Laterne“, „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne“ und „Sankt Martin“. Das reicht vollkommen für eine super Stimmung.
Das Martinsfeuer: Respekt vor der Flamme
Das Feuer ist der Höhepunkt, aber auch die größte Gefahr. Ein kleines, kontrolliertes Feuer ist viel stimmungsvoller als ein riesiger, unkontrollierbarer Haufen. Für eine Gruppe von rund 30 Leuten ist ein Feuer mit einem Durchmesser von etwa 1,5 Metern absolut ausreichend. Unsere goldenen Regeln: Ein Sicherheitsabstand von mindestens 10 Metern (mit Flatterband markiert), eine feste Feuerwache mit zwei Erwachsenen und immer Löschmittel (Eimer Wasser, Gartenschlauch) griffbereit haben.

Stockbrot & Co.: Der gemütliche Abschluss
Was wäre ein Martinsfeuer ohne Stockbrot? Hier ist ein kinderleichtes Rezept für den Teig (reicht für ca. 20 Kinder):
Mische 1 kg Weizenmehl, 2 Päckchen Trockenhefe, 2 Teelöffel Salz und 4 Esslöffel Öl in einer großen Schüssel. Gib dann langsam einen halben Liter lauwarmes Wasser hinzu und knete alles zu einem glatten Teig. Lass ihn an einem warmen Ort abgedeckt für etwa eine Stunde gehen. Fertig! Daraus kleine Kugeln formen, die sich jeder selbst um seinen Stock wickeln kann. Nehmt dafür am besten lange, gerade Äste von Haselnuss oder Weide – und schnitzt die Spitze etwas an.
Und wenn was schiefgeht? Plan B rettet den Abend
Stell dir vor: Es schüttet wie aus Eimern, die Kinder frieren, eine Laterne fackelt ab und am Feuer gibt es Gedränge. Ein Albtraum! Aber mit einem Plan B passiert das nicht.
- Bei Regen: Ein leichter Nieselregen ist kein Problem. Bei Sturm oder Starkregen muss der Umzug ausfallen. Unser Plan B: eine kleine Feier im Gemeindesaal mit elektrischen Lichtern, Gesang und warmem Kakao.
- Wenn eine Laterne brennt: Das passiert selten, aber wenn, dann gilt: Ruhe bewahren! Das Kind lässt die Laterne sofort fallen, ein Erwachsener tritt die Flamme aus. Sprecht das vorher kurz und ohne Panik mit den Kindern durch.
- Bei Angst: Die Dunkelheit und das große Feuer können kleinen Kindern Angst machen. Sorgt für ruhigere Zonen am Rande des Geschehens, wo man sich mit etwas Abstand aufhalten kann.

Ein paar letzte Gedanken vom alten Hasen
Der Martinstag ist ein Fest, das vom Mitmachen lebt. Vom Basteln, vom Singen, vom gemeinsamen Gehen. Er durchbricht den Alltag und schenkt uns eine Stunde voller Licht und Wärme. Wenn am Ende alles reibungslos läuft, die Kinderaugen leuchten und die Erwachsenen leise mitsingen, dann weißt du, dass du alles richtig gemacht hast. Dann hast du nicht nur ein Fest organisiert – du hast eine bleibende Erinnerung geschaffen.
Ich wünsche euch ein wundervolles, leuchtendes und frohes Martinsfest!
Bildergalerie


Sicherheit geht vor: Die romantische Vorstellung einer echten Kerze in der Laterne weicht schnell der Realität von Brandgefahr und ständigem Ausgehen. Setzen Sie auf elektrische Laternenstäbe mit LED-Licht. Modelle von Marken wie folia oder Idena bieten heute ein warmweißes Licht, das fast so gemütlich wie Kerzenschein ist, aber die ganze Nacht sicher leuchtet – und auch im nächsten Jahr noch funktioniert.

Die Laterne ist fertig, der Umzug vorbei – und nun?
Geben Sie dem kleinen Kunstwerk einen Ehrenplatz! Anstatt es auf dem Schrank verstauben zu lassen, kann die Laterne mit ihrem elektrischen Stab noch für einige Wochen als stimmungsvolles Nachtlicht im Kinderzimmer dienen. So leuchtet die Erinnerung an den schönen Abend weiter und die Laterne wird von einem Umzugs-Accessoire zu einem Teil der herbstlichen Zimmerdeko.

In Deutschland nehmen jährlich schätzungsweise über 2 Millionen Kinder an Martinsumzügen teil.
Diese beeindruckende Zahl zeigt, dass der Brauch weit mehr als eine Nische ist. Er ist ein tief verwurzeltes Gemeinschaftserlebnis, das Generationen verbindet. Jede einzelne Laterne ist ein kleiner Teil eines riesigen Lichtermeers, das symbolisch die dunkle Jahreszeit erhellt und ein starkes Zeichen für Zusammenhalt und Nächstenliebe setzt.

Der Klang eines Martinsumzugs ist unverwechselbar. Erst das gemeinsame Singen macht die Magie komplett. Sorgen Sie dafür, dass die Klassiker sitzen, denn sie sind das akustische Lagerfeuer des Abends.
- Ich geh‘ mit meiner Laterne: Der absolute Evergreen, den jedes Kind kennt und der den Takt für die kleinen Schritte vorgibt.
- Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne: Kurz, prägnant und ideal für die ganz Kleinen, die gerade erst ihre Stimme finden.
- Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind: Erzählt die Geschichte und bringt den tieferen Sinn des Festes auf den Punkt.

Die Basis-Frage: Käseschachtel vs. Fotokarton?
Käseschachtel: Der Klassiker. Oben und unten ein runder Rahmen aus dünnem Holz, der eine enorme Stabilität bietet. Ideal für Laternen, die mit Transparentpapier beklebt werden und eine klare Zylinder- oder Kastenform haben sollen. Sie verzeihen auch mal einen kleinen Sturz.
Fotokarton: Flexibler und moderner. Perfekt für kreative Formen wie Sterne, Tiere oder Fantasiegebilde. Erfordert etwas mehr Fingerspitzengefühl beim Zusammenkleben, ermöglicht aber einzigartige, individuelle Designs. Ideal in Kombination mit den Laternen-Zuschnitten von Ursus.
Vergessen Sie für einen Moment die Planung und konzentrieren Sie sich auf die Sinneseindrücke. Der Martinsumzug ist ein Fest für die Sinne: das Rascheln von trockenem Laub unter den Schuhen, die kühle, klare Novemberluft im Gesicht, der süßliche Geruch von Kinderpunsch und der erdige Rauch des Martinsfeuers. Es ist das leise Flüstern der Kinder, das Summen der altbekannten Lieder und der Anblick hunderter tanzender Lichter, die die Dunkelheit durchbrechen. Das ist die eigentliche Essenz des Abends.




