Alte Fliesen, neuer Look? So streichst du sie RICHTIG (und vermeidest teure Fehler)
In meiner Werkstatt und auf Baustellen höre ich eine Frage immer und immer wieder: „Meister, kann man diese hässlichen 70er-Jahre-Fliesen nicht einfach überstreichen?“ Und ganz ehrlich? Die Antwort ist nicht so simpel, wie es die Werbung für manche Wundermittel verspricht. Ja, man kann Fliesen beschichten. Aber es ist eine anspruchsvolle Arbeit, die absolute Sorgfalt erfordert. Wenn du es richtig machst, hast du jahrelang deine Ruhe. Machst du es falsch, schaust du der Farbe nach wenigen Wochen beim Abblättern zu. Hier packe ich mal aus dem Nähkästchen, damit dein Projekt ein voller Erfolg wird.
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Wann eine Beschichtung eine geniale Idee ist – und wann ein Desaster
- 0.2 Warum die Vorbereitung 90 % des Erfolgs ausmacht
- 0.3 Das richtige Material: Warum 2K-Lack der einzig wahre Weg ist
- 0.4 Die Profi-Anleitung: Schritt für Schritt zum perfekten Ergebnis
- 0.4.1 Sicherheit zuerst!
- 0.4.2 Schritt 1: Vorbereiten und Abkleben (ca. 2 Stunden)
- 0.4.3 Schritt 2: Die gnadenlose Reinigung (2-3 Stunden)
- 0.4.4 Schritt 3: Der Anschliff (2-4 Stunden)
- 0.4.5 Schritt 4: Die Grundierung (1-2 Stunden + 12-24h Trocknung)
- 0.4.6 Schritt 5: Die Deckbeschichtung (2 Anstriche, je 1-2 Stunden + Trocknungszeiten)
- 0.4.7 Schritt 6: Die Versiegelung (Für Böden ein MUSS!)
- 0.4.8 Schritt 7: Aushärtung und Abschluss (Wartezeit: 7-14 Tage!)
- 0.5 Was kostet der Spaß eigentlich? Eine ehrliche Einkaufsliste
- 0.6 Und danach? Die richtige Pflege für lange Freude
- 0.7 Fazit: Dein Projekt – Deine Entscheidung
- 1 Bildergalerie
Aber lass uns direkt ehrlich sein: Eine Fliesenbeschichtung wird niemals so knallhart und haltbar sein wie eine echte, gebrannte Keramikfliese. Sie ist eine fantastische Lösung, um eine veraltete Optik mit überschaubarem Budget modern zu gestalten. Sie hat aber auch ganz klare Grenzen. Sieh es als eine kosmetische Generalüberholung, nicht als eine Sanierung für die Ewigkeit. Mit der richtigen Vorbereitung und dem passenden Material kannst du aber ein Ergebnis zaubern, das robust, schön und absolut alltagstauglich ist.

Wann eine Beschichtung eine geniale Idee ist – und wann ein Desaster
Bevor du auch nur einen Pinsel in die Hand nimmst, müssen wir klären, wo dieses Verfahren überhaupt Sinn ergibt. Ich habe schon so oft Kunden davon abraten müssen, weil die Bedingungen einfach nicht gepasst haben. Das hat am Ende mehr Geld und Nerven gespart als jeder gescheiterte Rettungsversuch.
Hier sag ich: Go for it!
- Küchenrückwand: Die Belastung ist hier echt gering. Ein paar Fettspritzer und etwas Wasser wischt man von einer guten 2-Komponenten-Beschichtung problemlos ab.
- Gäste-WC: Wenig Betrieb und meist keine Dusche. Hier hält eine gute Beschichtung an Wand und Boden oft erstaunlich lange.
- Wandfliesen im Bad (außerhalb der Dusche!): Alle Flächen, die nur mal Spritzwasser abbekommen, sind absolut unproblematisch.
- Leicht beanspruchte Böden: Ein selten genutzter Kellerflur oder eine Abstellkammer kann so optisch enorm aufgewertet werden.
Finger weg in diesen Bereichen:
- Direkt in der Dusche: Ständige Nässe, stehendes Wasser und scharfe Reiniger sind der absolute Endgegner für jede Beschichtung. Früher oder später kriecht das Wasser unter den Lackfilm. Das führt zu Abplatzungen und im schlimmsten Fall zu Schimmel unter der Farbschicht. Ein Albtraum!
- Stark genutzte Böden: Im Flur, wo du mit Straßenschuhen, kleinen Steinchen und Nässe reinkommst, ist eine Lackschicht ruckzuck zerkratzt. Das Gleiche gilt für das Hauptbadezimmer einer vierköpfigen Familie.
- Böden mit Fußbodenheizung: Die ständigen Temperaturschwankungen können zu Spannungen zwischen Fliese und Lack führen. Das Material muss dafür ausdrücklich vom Hersteller freigegeben sein, sonst riskierst du Risse.
- Lose oder kaputte Fliesen: Eine Beschichtung ist kein Klebstoff. Wenn der Untergrund wackelt, wird auch die schönste Lackschicht reißen und abplatzen. Erst reparieren, dann verschönern!
- Schimmelige Fugen: Schimmel einfach zu überstreichen ist nicht nur Pfusch, sondern gesundheitsschädlich. Der Pilz muss restlos weg und die Ursache (meist ein Lüftungsproblem) behoben werden. Sonst wächst er einfach durch die neue Farbe hindurch.
Sei ehrlich zu dir selbst. Wenn dein Bad eine Kernsanierung braucht, ist Fliesenlack nur ein sehr teures Pflaster auf einer tiefen Wunde.

Warum die Vorbereitung 90 % des Erfolgs ausmacht
Um zu kapieren, warum das ganze Geschrubbe und Geschleife so wichtig ist, müssen wir kurz über den Untergrund reden. Eine glasierte Fliese ist im Grunde wie Glas: extrem dicht, spiegelglatt und sie saugt nichts auf. Das ist super gegen Schmutz, aber eine Katastrophe für Farbe. Farbe braucht etwas, woran sie sich festkrallen kann.
Wir kämpfen hier an zwei Fronten für die Haftung:
- Mechanische Haftung: Wir müssen die glatte Oberfläche aufrauen. Durchs Anschleifen erzeugen wir mikroskopisch kleine Kratzer, in die sich die Grundierung wie mit Tausenden kleinen Ankern verhaken kann. Ohne diesen Schritt liegt die Farbe nur lose obenauf und wartet auf eine Gelegenheit zum Abplatzen.
- Chemische Haftung: Die Grundierung ist der Diplomat zwischen zwei Welten. Sie geht eine chemische Verbindung mit der Fliese und dem späteren Decklack ein. Sie ist die Brücke zwischen Materialien, die sich von Natur aus nicht mögen. Deshalb ist es auch so verdammt wichtig, Grundierung und Lack aus einem System von einem Hersteller zu verwenden.
Jeder winzige Fettfleck, jeder Rest von Seife, Kalk oder Haarspray wirkt wie ein Trennmittel. An dieser Stelle wird absolut nichts haften. Ich hatte mal einen Kunden, der nur „kurz drübergewischt“ hat. Nach drei Monaten rief er an, weil der Lack genau dort, wo immer das Haarspray landete, Blasen warf. Glaub mir, schrubbe, als hinge dein Leben davon ab!

Das richtige Material: Warum 2K-Lack der einzig wahre Weg ist
Im Baumarkt lachen dich oft einfache „Fliesenfarben“ an. Das sind meist 1-Komponenten-Lacke (1K). Für ein Ergebnis, das länger als einen Sommer halten soll, sind die aber, ehrlich gesagt, ungeeignet. Wir Profis verwenden fast ausschließlich 2-Komponenten-Systeme (2K).
- 1-Komponenten-Lack (1K): Das ist der fertige Lack aus der Dose. Er trocknet, indem Lösungsmittel verdunsten. Er ist einfach zu verarbeiten, aber eben auch nicht besonders robust. Eher was für eine rein dekorative Wand ohne Wasserkontakt.
- 2-Komponenten-Lack (2K): Hier bekommst du zwei Dosen: den Stammlack und den Härter. Die mischst du kurz vor dem Streichen zusammen. Dadurch startet eine chemische Reaktion, die die Moleküle zu einer extrem dichten und widerstandsfähigen Oberfläche vernetzt. Das Ergebnis ist um Welten härter, wasserfester und beständiger gegen Reiniger. Für Böden und Feuchträume ist das die einzig sinnvolle Wahl. Gute Systeme für Heimwerker gibt es z.B. von Molto oder JAEGER Fliesenlack.
Mein klarer Rat: Investiere die paar Euro mehr in ein gutes 2K-System. Das Wichtigste ist das technische Merkblatt des Herstellers. Lies es! Dort stehen überlebenswichtige Infos zu Mischverhältnis, Verarbeitungszeit („Topfzeit“) und Trocknung. Das ist deine Bibel für dieses Projekt.

Die Profi-Anleitung: Schritt für Schritt zum perfekten Ergebnis
Nimm dir Zeit für diese Arbeit. Ein Badezimmer dauert locker 3-4 Tage, wenn man die Trocknungszeiten ehrlich einhält. Hetze ist der größte Feind eines guten Ergebnisses.
Sicherheit zuerst!
Wir hantieren hier mit Chemie, die es in sich hat. Spar nicht an deiner Gesundheit!
- Handschuhe: Stabile Nitrilhandschuhe, keine dünnen Dinger, die sich auflösen.
- Atemschutz: Eine Staubmaske ist ein Witz. Du brauchst eine Halbmaske mit einem A2/P2-Kombifilter. A2 schützt vor den Dämpfen, P2 vor Farbpartikeln. Kostet vielleicht 30-40€, aber deine Lunge wird es dir danken.
- Schutzbrille: Ein Spritzer ins Auge ist kein Spaß.
- Lüftung: Fenster auf! Wenn möglich, stell einen Ventilator ins Fenster, der die Dämpfe nach draußen bläst.
Schritt 1: Vorbereiten und Abkleben (ca. 2 Stunden)
Alles, was keine Farbe abbekommen soll, muss raus oder perfekt abgeklebt werden. Armaturen, Duschkopf, WC-Sitz – schraub das Zeug ab. Verwende gutes Malerkrepp (Goldband), das schließt sauber ab und lässt sich später gut entfernen.

Schritt 2: Die gnadenlose Reinigung (2-3 Stunden)
Der wichtigste Schritt! Zuerst mit einem speziellen Grundreiniger oder Anlauger die Fliesen und vor allem die Fugen schrubben. Dann mit klarem Wasser nachspülen. Danach Kalk mit einem säurehaltigen Reiniger entfernen und wieder gründlich nachspülen. Und jetzt kommt’s: Alle Silikonfugen müssen raus! Schneide sie mit einem Cuttermesser restlos heraus. Auf Silikon hält absolut nichts. Die Fugen danach mit Alkohol entfetten. Die Fläche muss über Nacht komplett trocknen.
Schritt 3: Der Anschliff (2-4 Stunden)
Jetzt wird der Glanz gebrochen. Nimm für Wände Schleifpapier mit 180er bis 240er Körnung. Für Böden ist ein Exzenterschleifer mit Absaugung Gold wert. Die Oberfläche muss danach überall stumpf und matt sein. Danach den Staub extrem gründlich absaugen und mit einem feuchten Tuch nachwischen.
Schritt 4: Die Grundierung (1-2 Stunden + 12-24h Trocknung)
Das ist die Lebensversicherung deiner Arbeit. Nutze eine 2K-Epoxidharz-Grundierung für nichtsaugende Untergründe. Mische sie exakt nach Anleitung. Trage sie mit einer kurzflorigen Schaumstoffwalze dünn auf. Erst die Fugen mit dem Pinsel, dann die Fläche. Trocknungszeit penibel einhalten!

Schritt 5: Die Deckbeschichtung (2 Anstriche, je 1-2 Stunden + Trocknungszeiten)
Endlich Farbe! Meist ein 2K-PU-Lack. Wieder exakt mischen. Trage die erste Schicht dünn auf. Nach der Trocknung (siehe Merkblatt, oft 16-24h) leicht mit 240er Papier zwischenschleifen und entstauben. Dann folgt die zweite dünne Schicht für perfekte Deckkraft. Ach, und was ist mit den Fugen? Die werden bei diesem System einfach mitgestrichen. Das erzeugt eine sehr ruhige, moderne und pflegeleichte Optik.
Schritt 6: Die Versiegelung (Für Böden ein MUSS!)
Für Böden empfehle ich dringend eine transparente 2K-Versiegelung als letzte Schicht. Sie ist der Schutzschild gegen Kratzer. Wichtig: Mische hier ein spezielles Granulat zur Erhöhung der Rutschfestigkeit bei! Damit erreichst du eine Rutschhemmung (z.B. Klasse R9), die im nassen Bad überlebenswichtig sein kann. Eine glatt lackierte Fliese ist bei Nässe eine Eisbahn.
Schritt 7: Aushärtung und Abschluss (Wartezeit: 7-14 Tage!)
Zieh das Klebeband ab, solange die letzte Schicht noch leicht feucht ist, für eine saubere Kante. Die Fläche ist zwar nach ein paar Tagen begehbar, ihre volle Härte erreicht sie aber oft erst nach 1-2 Wochen. In dieser Zeit: schonen, schonen, schonen! Zum Schluss die Fugen zu Wanne und Waschbecken mit neuem Sanitärsilikon sauber ziehen.

Was kostet der Spaß eigentlich? Eine ehrliche Einkaufsliste
Damit du eine Vorstellung bekommst, hier eine grobe Rechnung für ein kleines Bad (ca. 10qm Wandfläche). Die Preise sind natürlich nur Schätzungen und variieren je nach Markt und Hersteller.
- Spezialreiniger/Anlauger: ca. 10-15€
- Gute A2/P2-Atemschutzmaske: 30-40€ (Bitte hier nicht sparen!)
- 2K-Grundierung (Set): ca. 30-50€
- 2K-Fliesenlack (Set): ca. 40-70€
- Werkzeug (Qualitätswalzen, Pinsel, Klebeband, Schleifpapier): ca. 25-35€
Gesamtkosten für das Material: Rechne also mit etwa 135€ bis 210€. Deutlich günstiger als neue Fliesen.
Und danach? Die richtige Pflege für lange Freude
Damit deine neue Oberfläche lange schön bleibt, braucht sie ein bisschen Liebe. Vergiss scharfe, scheuernde Reiniger oder kratzige Schwämme. Ein weiches Tuch und ein neutraler Allzweckreiniger oder milder Badreiniger sind deine besten Freunde. Die meisten „Bad-Bumms-Forte“-Reiniger sind viel zu aggressiv und können die Lackoberfläche auf Dauer angreifen und matt werden lassen.
Fazit: Dein Projekt – Deine Entscheidung
Eine Fliesenbeschichtung ist eine Top-Methode, um mit überschaubarem Budget eine riesige optische Veränderung zu schaffen. Es ist aber kein schnelles Wochenend-Projekt. Es erfordert Disziplin und Geduld. Zum Vergleich: Ein Malerbetrieb würde für so eine Arbeit in einem kleinen Bad je nach Zustand schnell zwischen 800€ und 1.500€ verlangen. Du kannst also eine Menge Geld sparen.

Wenn du die Vorbereitung ernst nimmst und die Trocknungszeiten einhältst, wirst du ein Ergebnis schaffen, das dich stolz macht und viele Jahre hält. Wenn du dir bei der Chemie unsicher bist oder lose Fliesen hast, sei ehrlich zu dir und hol dir lieber einen Profi. Eine gut gemachte Beschichtung ist eine Kunst. Eine schlecht gemachte ist nur teurer Ärger.
Kleiner Tipp zur Entsorgung: Angemischter 2K-Lack ist chemischer Sondermüll. Reste einfach im Eimer komplett aushärten lassen und dann zum Wertstoffhof bringen!
Bildergalerie

Welches Finish passt zu meinem Raum – matt oder seidenglänzend?
Diese Entscheidung prägt die gesamte Atmosphäre. Ein mattes Finish, wie es oft bei Kreidefarben oder speziellen Lacken von Anbietern wie „Painting the Past“ zu finden ist, wirkt ultramodern und kaschiert kleine Unebenheiten im alten Fliesenspiegel. Es schluckt das Licht und sorgt für eine ruhige, samtige Optik. Der Nachteil: Es ist etwas anfälliger für Fingerabdrücke und Fettflecken. Das seidenglänzende Finish hingegen, ein Klassiker bei 2K-Lacken von Marken wie „Molto“ oder „Jansen“, ist der Allrounder. Es reflektiert dezent das Licht, lässt den Raum größer wirken und ist deutlich robuster und leichter zu reinigen – ideal für den Küchenrückwand oder das Familienbad.


