Kindersicher wohnen: Der ehrliche Handwerker-Guide für dein Zuhause

von Mareike Brenner
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Ich hab in meiner Zeit als Handwerker schon unzählige Wohnungen von innen gesehen. Küchen montiert, Möbel gebaut, Treppen eingesetzt. Dabei lernt man nicht nur, auf den Millimeter genau zu arbeiten, sondern auch, wie Menschen wirklich leben. Und ganz ehrlich: Wenn aus einem Paar eine Familie wird, stellt sich die ganze Bude auf den Kopf. Die Perspektive verschiebt sich weg vom reinen Design hin zur Funktion und vor allem zur Sicherheit.

Ich erinnere mich noch gut an den Anruf einer jungen Familie. Wunderschöne Altbauwohnung, hohe Decken, alte Dielen – ein Traum. Aber als der kleine Sohn anfing zu krabbeln, wurde der Traum schnell zum Hindernisparcours. Die Eltern waren total verunsichert, weil die Tipps von Freunden und aus dem Netz sich komplett widersprachen. Und genau da fängt meine Arbeit oft an. Es geht nicht darum, euer Zuhause in einen Hochsicherheitstrakt zu verwandeln, sondern darum, Gefahren mit gesundem Menschenverstand zu erkennen und mit den richtigen Mitteln clever zu entschärfen. Dieser Guide ist genau das, was ich meinen Kunden erkläre. Mein gesammeltes Wissen aus der Werkstatt und von unzähligen Baustellen.

kinderzimmereinrichtung kindersicher machen heranwachsende kindersicherung Child watching tv © Alena Ozerova - Fotolia.com
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Das Fundament: Denk wie ein Kind, handle wie ein Profi

Bevor wir auch nur eine Schraube anziehen, müssen wir kurz umdenken. Für uns ist ein Schrank einfach nur ein Schrank. Für ein Kind ist er eine Kletterwand. Eine Schublade ist kein Stauraum, sondern eine perfekte Treppenstufe. Dieses Umdenken ist die absolute Basis für jede gute Kindersicherung.

Die Welt aus 90 Zentimetern Höhe

Mach mal was Verrücktes: Geh auf die Knie und krabbel durch deine eigene Wohnung. Ernsthaft! Du wirst überrascht sein. Steckdosen sind plötzlich auf Augenhöhe. Tischkanten lauern wie fiese Klippen. Kabel, die du nie bemerkt hast, schreien förmlich „Zieh an mir!“. Diese simple Übung schärft den Blick für die echten Gefahrenquellen. Ein Kind erkundet die Welt mit Händen, Mund und einer riesigen Portion Neugier. Das ist kein Fehlverhalten, das ist pures Lernen. Unsere Aufgabe ist es, diese Lernumgebung sicher zu machen.

Hebelkraft ist kein Witz: Warum deine Kommode kippen kann

Viele unterschätzen die Kräfte, die so ein kleiner Mensch entwickeln kann. Ein Kind mit 15 Kilo, das sich an eine offene Schublade hängt, übt eine gewaltige Hebelkraft auf das Möbelstück aus. Wenn die Kommode nicht an der Wand festgemacht ist, kippt sie. Das ist einfache Physik. Deshalb ist eine fachgerechte Befestigung so verdammt wichtig. Ein einfacher Dübel in einer Gipskartonwand? Vergiss es, der hält dem nicht stand. Hier braucht es Wissen über den Untergrund und die richtige Technik.

babyzimmer kinderzimmereinrichtung kindersicher machen schubladen kindersicherung Adorable baby girl © MNStudio - Fotolia.com
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Systematisch vorgehen: Ein Raum nach dem anderen

Vergiss chaotische Checklisten aus dem Internet. Wir gehen das Ganze systematisch an, so wie ein Profi einen Auftrag plant. Raum für Raum.

Das Wohnzimmer: Der Hauptspielplatz

Hier tobt das Leben, aber hier lauern auch oft die unsichtbaren Gefahren. Die Lösungen sind meist einfach, erfordern aber etwas Sorgfalt.

Möbel und Regale: Die Kipp-Gefahr bannen
Jedes hohe oder wackelige Möbelstück gehört an die Wand gedübelt. Punkt. Das gilt für das große Bücherregal genauso wie für die Kommode. Die mitgelieferten Winkel sind oft okay, aber der Knackpunkt ist immer die Verbindung zur Wand.

Hier eine kleine Materialkunde für dich:

  • Massive Wände (Ziegel, Beton): Hier nimmst du einen klassischen Spreizdübel. Wichtig: Bohre ohne Schlagfunktion, damit das Loch nicht ausfranst, und saug den Staub raus. Der Dübel muss stramm sitzen, bevor die Schraube reinkommt.
  • Gipskartonwände (Trockenbau): Ein normaler Dübel ist hier nutzlos. Du brauchst spezielle Hohlraumdübel aus Metall, die sich hinter der Platte aufspreizen. Ich empfehle immer die aus Metall, die halten einfach mehr aus. Ein Päckchen davon kostet im Baumarkt vielleicht 3 bis 5 Euro. Achte auf die Tragkraftangabe auf der Packung!

Kleiner Tipp: Befestige Möbel immer an zwei Punkten mit etwas Abstand. Das verhindert, dass sie sich verdrehen können. Und deine Aufgabe für heute Abend: Geh zu deinem Bücherregal und rüttle mal kräftig dran. Wackelt es? Dann weißt du, was am Wochenende zu tun ist! Das Ganze dauert pro Kommode vielleicht 20 Minuten und du brauchst nur eine Bohrmaschine, die passenden Dübel und Schrauben.

kinderzimmereinrichtung steckdosen kindersicherung electricity © beermedia.de - Fotolia.com

Ach ja, damit es beim Bohren keine Sauerei gibt: Lass deinen Partner einfach den Staubsauger direkt unters Bohrloch halten. Ein alter Handwerker-Trick!

Fernseher und Mediengeräte
Flachbildfernseher sind superleicht und kippen sofort, wenn man am Kabel zieht. Die absolut beste Lösung ist eine Wandmontage. Wenn das nicht geht, sichere das Gerät mit speziellen TV-Kippschutz-Gurten. Die verbinden den Fernseher mit dem Möbelstück darunter und kosten online oft nur um die 15 Euro. Aber Achtung: Das funktioniert natürlich nur, wenn das Möbelstück selbst an der Wand befestigt ist!

Scharfe Ecken und Kanten
Ein Sturz gegen eine Tischkante ist übel. Der Markt ist voll mit Kantenschutz. Aber ganz ehrlich, ich hab schon zu oft bei Kunden gesehen, wie die Kleinen diesen billigen Schaumstoff-Kram abfriemeln und fast verschlucken. Investier hier lieber die paar Euro mehr in hochwertige Produkte aus Silikon mit starkem Klebeband. Ein gutes Set kostet vielleicht 15 Euro statt 5 Euro für den Billigkram, aber das ist es wert. Vor dem Ankleben die Oberfläche gründlich mit Alkohol reinigen, dann hält’s bombenfest.

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Die Küche: Heiß, spitz und faszinierend

Die Küche ist für Kinder ein magischer Ort, birgt aber die meisten Gefahren auf engstem Raum. Hier gibt’s keine Kompromisse.

Herd und Backofen
Ein Herdschutzgitter ist absolute Pflicht. Es verhindert, dass Kinder auf heiße Platten fassen oder Töpfe runterziehen. Nimm ein Modell, das fest an der Arbeitsplatte verschraubt oder geklemmt wird. Die einfachen aufsteckbaren Gitter sind oft zu wackelig. Für die Backofentür gibt es spezielle Riegel.

Schubladen und Schränke
Besonders die Schublade mit den Messern und der Schrank mit den Putzmitteln müssen gesichert werden. Die einfachen Plastikhaken sind günstig, aber für clevere Kids oft kein Hindernis. Die Profi-Lösung sind Magnetschlösser. Die werden unsichtbar im Schrank montiert und du brauchst einen speziellen Magnetschlüssel zum Öffnen. Das ist sicher und erhält die Optik deiner Küche. Ein Set mit 4 Schlössern und Schlüssel kriegst du schon für um die 20 Euro.

Kleiner Montage-Tipp für Magnetschlösser: Das ist kein Hexenwerk! 1. Schnapp dir die mitgelieferte Schablone und kleb sie an die Innenecke des Schranks. 2. Markiere die Schraubenlöcher. 3. Bohr die Löcher mit einem dünnen Holzbohrer kurz vor, damit nichts splittert. 4. Schloss festschrauben, Gegenstück an die Tür, fertig. Dauert pro Schloss keine 10 Minuten.

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Das Badezimmer: Die unterschätzte Gefahr durch Wasser

Lass dein Kind NIEMALS allein in der Badewanne, keine Sekunde. Das ist die wichtigste Regel. Aber es gibt noch mehr zu tun.

Wassertemperatur
Die effektivste Maßnahme gegen schlimme Verbrühungen: Lass die maximale Temperatur deines Warmwasserspeichers oder Durchlauferhitzers begrenzen. Ein Heizungsinstallateur stellt das in wenigen Minuten auf sichere 50 °C ein. Das kostet dich vielleicht eine halbe Stunde Arbeitszeit vom Fachmann, also rechne mal mit 50 bis 70 Euro, aber das ist eine der besten Investitionen überhaupt.

Medikamente und Kosmetik
Der Spiegelschrank muss abschließbar sein. Ein einfacher Schnapper reicht nicht. Kauf einen Schrank mit echtem Schloss oder lagere Medikamente an einem anderen, wirklich sicheren Ort.

Flur und Treppen: Die Autobahnen des Hauses sichern

Treppen sind eine der größten Unfallquellen. Hier darfst du nicht sparen oder Kompromisse machen.

Treppenschutzgitter: Warum Schrauben immer besser ist als Klemmen
Es gibt im Grunde zwei Systeme. Da sind einmal die Klemmgitter, die zwischen zwei Wände gespannt werden. Der Vorteil ist klar: keine Bohrlöcher. Der riesige Nachteil: Sie haben unten eine fiese Stolperkante in Form eines Rahmens und können bei starkem Rütteln nachgeben. Gute Modelle gibt’s ab ca. 40 Euro.

kindersicher machen kinderzimmereinrichtung haustiere kindersicherung hund-Two kids and a dog © biglama - Fotolia.com

Die deutlich bessere und sicherere Lösung sind Schraubgitter. Die werden fest in der Wand verdübelt, haben keine Stolperkante und halten bombenfest. Die kosten meist etwas mehr, so ab 60 Euro, aber hier lohnt sich jeder Cent. Und hier kommt meine goldene Regel, die ich jedem predige: OBEN an der Treppe hat ein Klemmgitter NICHTS, aber auch GAR NICHTS verloren. Die Gefahr, mit dem Kind auf dem Arm über diesen Rahmen zu stolpern und die Treppe runterzufallen, ist einfach zu groß. Oben gehört immer ein fest verschraubtes Gitter hin.

Übrigens: Falls du ein Metallgeländer hast, in das du nicht bohren kannst, ist das kein Problem. Dafür gibt es spezielle Y-Adapter oder Klemmschellen als Zubehör, mit denen du auch ein Schraubgitter sicher an runden oder eckigen Pfosten befestigen kannst.

Fenster und Balkone: Der gefährliche Ausblick

Die Neugier treibt Kinder zu Fenstern und Balkonen. Eine Sicherung ist hier absolute Pflicht.

Die einfachste Lösung sind abschließbare Fenstergriffe. Die kriegst du für unter 10 Euro das Stück im Baumarkt und der Austausch ist mit zwei Schrauben erledigt. Der Schlüssel muss natürlich außer Reichweite bleiben. Wichtig: Stell keine Sofas oder Kisten unters Fenster, die als Kletterhilfe dienen könnten.

Und was ist mit der großen Glasschiebetür zum Garten? Dafür gibt es spezielle Riegel, die man oben oder unten anbringt, damit die Tür nur einen Spalt breit geöffnet werden kann. Ein alter Trick ist auch ein passend zugeschnittener Holzstab, den man einfach in die untere Laufschiene legt. Simpel, aber erstaunlich effektiv.

Die letzte Bastion: Steckdosen und Kabel

Die Faszination von kleinen Löchern ist bei Kindern einfach riesig.

Steckdosensicherungen
Vergiss diese einfachen Plastikstöpsel zum Einkleben. Ich hab zu oft gesehen, wie Kinder die Dinger rausfriemeln (Erstickungsgefahr!) oder sie beim Steckerziehen in der Steckdose zerbrechen. Die einzig wahre und sichere Lösung sind fest installierte Steckdosen mit integriertem Berührungsschutz. Ein interner Mechanismus gibt die Kontakte erst frei, wenn ein Stecker gleichmäßig Druck ausübt.

Das Nachrüsten ist eindeutig ein Job für den Elektriker, aber eine absolut sinnvolle Investition. Rechne mal grob mit 15 bis 25 Euro pro Steckdose inklusive Einbau. Klingt erstmal nach viel, aber wenn du die 10 wichtigsten Steckdosen im Haus machen lässt, ist das eine einmalige Sache für maximale Sicherheit.

Wann du es selbst machen kannst – und wann der Profi ran muss

Vieles kannst du mit etwas Geschick selbst erledigen. Kantenschutz anbringen, Schranksicherungen montieren oder Möbel an einer massiven Wand befestigen – das ist alles machbar, wenn du mit Bohrmaschine und Wasserwaage umgehen kannst. Nimm dir einfach Zeit und lies die Anleitung.

Aber es gibt Fälle für den Fachmann, und da solltest du keine Experimente wagen. Alles, was mit Elektrik zu tun hat, ist tabu. Das ist eine Aufgabe für den Elektriker, allein schon wegen der Versicherung. Auch bei der Montage von Schraubgittern an kniffligen Treppen oder wenn du dir beim Wandmaterial total unsicher bist, hol dir lieber Hilfe. Eine schlecht befestigte Kommode ist gefährlicher als eine unbefestigte.

Ein ehrliches Schlusswort

Ich will eines ganz klar sagen: Keine Sicherung der Welt ersetzt deine Aufsichtspflicht. Jede Maßnahme hier kauft dir nur die entscheidenden Sekunden, um einzugreifen. Sie macht die Wohnung sicherer, aber nicht zu einem rundum sorglos Spielplatz.

Sei dir bewusst, dass Kinder unglaublich kreativ darin sind, Sicherungen zu überwinden. Kontrollier deshalb alle Vorrichtungen regelmäßig. Schrauben können sich lockern, Kleber kann nachgeben. Ein kurzer Check alle paar Wochen gehört einfach dazu. Pass auf dich und deine Familie auf.

Mareike Brenner

Mareike ist 1991 in Bonn geboren und hat ihr Diplom in der Fachrichtung Journalistik an der TU Dortmund erworben. Sie hat einen Hintergrund im Bereich Design, da sie an der HAW Hamburg Illustration studiert hat. Mareike hat aber einen Sprung in die Welt des Journalismus gemacht, weil sie schon immer eine Leidenschaft für kreatives Schreiben hatte. Derzeit ist sie in der Redaktion von Freshideen tätig und schreibt gern Berichte über Schönheitstrends, Mode und Unterhaltung. Sie kennt übrigens alle Diäten und das Thema „Gesund abnehmen“ wird von ihr oft bevorzugt. In ihrer Freizeit kann man sie beim Kaffeetrinken mit Freunden antreffen oder sie bleibt zu Hause und zeichnet. Neulich hat sie eine neue Leidenschaft entdeckt, und das ist Online-Shopping.