Welche Kanaren-Insel ist die richtige für dich? Der ehrliche Guide ohne Hochglanz-Filter
Seit ich denken kann, sind die Kanaren irgendwie ein Teil meines Lebens. Ich war dort nicht nur im Urlaub, sondern habe auch gearbeitet, Projekte gestemmt und dabei Land und Leute wirklich kennengelernt. Und ehrlich gesagt, wenn mich jemand fragt, welche Insel die „beste“ ist, zucke ich immer mit den Schultern. Denn die gibt es nicht. Es gibt nur die Insel, die perfekt zu dir passt.
Inhaltsverzeichnis
Vergiss mal für einen Moment die perfekten Bilder aus dem Reisekatalog. Die zeigen ja nur die Schokoladenseite. Ich will dir hier auch die andere, die echte Seite zeigen. Stell dir einfach vor, wir sitzen bei einem Kaffee und du fragst mich: „Hey, wohin soll’s denn nun gehen?“ Dieser Guide hier ist meine Antwort.
Warum das Wetter hier so verrückt (und genial) ist
Man nennt sie nicht umsonst die „Inseln des ewigen Frühlings“. Das ist kein Marketing-Gag, sondern simple Physik. Die Lage vor der afrikanischen Küste im Atlantik ist der Schlüssel. Zwei Dinge bestimmen hier alles: eine kühle Meeresströmung, der Kanarenstrom, und die Passatwinde.

Der Kanarenstrom sorgt dafür, dass das Wasser selbst im Hochsommer selten wärmer als 23 Grad wird. Das kühlt die Luft und verhindert diese brutale Hitze, die man vom nahen Festland kennt. Gleichzeitig pusten die Passatwinde konstant aus Nordosten feuchte Luft heran. Wenn diese Wolken auf die hohen Berge von Inseln wie Teneriffa oder La Palma treffen, müssen sie hochsteigen, kühlen ab und bleiben hängen. Das ist dieses berühmte „Wolkenmeer“ (Mar de Nubes), das man oft von oben sieht – ein absolut magischer Anblick.
Das Ergebnis? Krasse Mikroklimazonen! Der Norden der hohen Inseln ist durch diese Wolken oft feucht, saftig grün und ein paar Grad kühler. Der Süden liegt im Windschatten, kriegt die ganze Sonne ab und ist trocken. Deshalb sind die meisten großen Ferienorte auch im Süden. Auf flachen Inseln wie Fuerteventura oder Lanzarote pfeift der Wind einfach drüber, weshalb sie viel trockener und wüstenähnlicher sind. Das zu wissen, ist super wichtig für die Planung. Ein Wanderurlaub im Norden Teneriffas im Januar? Pack die Regenjacke ein. Strandurlaub im Süden zur selben Zeit? Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 ist dein bester Freund.

Die großen Vier im Charakter-Check
Jede Insel hat ihre eigene Seele. Ich stelle dir die vier bekanntesten mal so vor, wie ich sie über die Jahre erlebt habe – mit allen Stärken und kleinen Macken.
Teneriffa: Die Insel der unendlichen Möglichkeiten
Teneriffa ist die Größte, die Vielfältigste, ein ganzer Kontinent im Mini-Format. Wer eine Woche in Playa de las Américas war und meint, er kenne die Insel, hat im Grunde nur den Vorgarten gesehen.
- Der Vibe in 3 Worten: Abwechslungsreich, pulsierend, landschaftlich dramatisch.
- Perfekt für: Alle! Wanderer, Familien, Paare, Stadtmenschen. Hier findet wirklich jeder seine Nische.
- Preisniveau: Mittel (€€). Man kann günstig in Guachinches essen, aber auch in Luxushotels absteigen.
- Mietwagen? Unbedingt! Ohne Auto verpasst du 90 % der Insel. Rechne mit etwa 25-40 € pro Tag bei lokalen Anbietern wie Cicar oder AutoReisen (Tipp: die haben oft Vollkasko ohne Selbstbeteiligung inklusive, kein Stress bei der Abholung!).
Meine persönlichen Einblicke:
Der Süden (Costa Adeje, Los Cristianos) ist die Schönwetter-Garantie. Klar, hier ist es touristisch, aber auch super praktisch. Kleiner Tipp: Such dir eine Unterkunft ein paar Straßen hinter der Hauptpromenade. Da ist es oft ruhiger und du findest noch authentische kleine Bars.

Der Norden (Puerto de la Cruz, La Orotava) ist das grüne, traditionelle Herz. Hier leben die meisten Einheimischen. Es ist etwas kühler, aber die Landschaft haut dich um. Und hier findest du die echten „Guachinches“. Das sind rustikale Lokale von Winzern, die ihren eigenen Wein und ein paar einfache, aber unglaublich leckere Gerichte anbieten. Ein Hauptgericht kostet oft unter 10 €.
Wenig bekannter Trick: So findest du ein echtes Guachinche!
Achte auf handgemalte Schilder an der Straße. Echte Guachinches haben oft keine feste Speisekarte, sondern nur 3-4 Gerichte des Tages. Meistens sind sie nur ein paar Monate im Jahr geöffnet, bis der Wein des Besitzers verkauft ist. Frag einfach einen Local nach seiner Empfehlung, das ist der beste Weg!
Achtung beim Teide! Die Fahrt auf den höchsten Berg Spaniens ist spektakulär. Aber unterschätz die Höhe nicht. Oben auf über 3.500 Metern ist die Luft dünn. Wer mit der Seilbahn hochfährt, sollte alles ganz langsam angehen. Für den Aufstieg zum Gipfelkrater (die letzten 200 Meter) brauchst du eine Genehmigung. Die ist kostenlos, aber man muss sie oft Wochen oder Monate im Voraus online auf der Nationalpark-Website beantragen. Unbedingt rechtzeitig erledigen!

Gran Canaria: Dünen, Berge und Großstadtflair
Man sagt, Gran Canaria sei ein Miniaturkontinent, und das stimmt absolut. Hier findest du alles: Saharadünen im Süden, tiefe Schluchten und Kiefernwälder im Zentrum und eine pulsierende Hauptstadt im Norden.
- Der Vibe in 3 Worten: Vielfältig, lebendig, kontrastreich.
- Perfekt für: Partygänger, Familien, Wanderer und alle, die Strand und Stadtleben verbinden wollen.
- Preisniveau: Mittel bis teuer (€€-€€€), vor allem im touristischen Süden.
- Mietwagen? Sehr hilfreich. Fürs Inselinnere ein Muss, für einen reinen Strandurlaub im Süden geht’s auch ohne.
Meine persönlichen Einblicke:
Die Dünen von Maspalomas sind magisch, besonders zum Sonnenaufgang. Aber Vorsicht: Im Sommer wird der Sand höllisch heiß. Geh barfuß nur am frühen Morgen oder späten Abend, ansonsten sind feste Schuhe statt Flip-Flops eine gute Idee.
Das Inselinnere ist eine andere Welt. Die Fahrt zum Roque Nublo, dem Wahrzeichen der Insel, ist ein Abenteuer für sich. Die Strecke von Maspalomas sind zwar nur rund 40 Kilometer, aber plane locker 1,5 Stunden ein. Die Serpentinen sind kein Scherz! Dafür wirst du mit Ausblicken belohnt, die du nie vergisst.

Viele übersehen die Hauptstadt Las Palmas. Ein großer Fehler! Die Altstadt Vegueta ist wunderschön, und der Stadtstrand Las Canteras ist durch ein Riff geschützt und perfekt zum Schwimmen. Hier mischt sich das Leben der Einheimischen mit dem der Touristen – eine tolle Atmosphäre.
Fuerteventura: Endlose Strände und der Ruf des Windes
Wenn ich Fuerteventura beschreiben müsste, wäre es: Weite. Die Insel ist karg, ja, aber ihre Strände sind einfach nicht von dieser Welt. Kilometerlang, puderzuckerweiß, mit türkisfarbenem Wasser. Und dann ist da der Wind…
- Der Vibe in 3 Worten: Weit, windig, entspannt.
- Perfekt für: Strand-Anbeter, Wind- und Kitesurfer, Familien und Ruhesuchende.
- Preisniveau: Günstig bis mittel (€-€€).
- Mietwagen? Hilfreich, um die verschiedenen Strände zu erkunden.
Meine persönlichen Einblicke:
Der Wind ist dein ständiger Begleiter. Für Surfer ist er ein Segen, für Sonnenanbeter manchmal ein kleiner Fluch. Mein Quick-Win-Tipp: Investiere 10-15 Euro in eine kleine Strandmuschel (gibt’s in jedem Supermarkt). Das ist die beste Investition deines Urlaubs, versprochen!
Die Landschaft wirkt auf den ersten Blick eintönig. Gib ihr eine Chance! Die rötlichen Vulkanhügel im Abendlicht haben eine fast meditative Schönheit. Und die Strände im Norden bei Corralejo (Dünenpark) und im Süden bei Jandía sind so riesig, dass sie selbst in der Hochsaison nie wirklich voll wirken.
Achtung, Atlantik! Das ist der wichtigste Sicherheitshinweis für Fuerteventura: Respektiere die roten Flaggen. Die Strömungen, besonders an der West- und Nordküste, sind lebensgefährlich. Ich habe schon oft genug gesehen, wie Leute in Schwierigkeiten geraten sind. Geh nur da ins Wasser, wo es bewacht und als sicher markiert ist.
Lanzarote: Wo Kunst auf Vulkane trifft
Lanzarote ist anders. Einzigartig. Große Teile der Insel sind von pechschwarzer, erstarrter Lava bedeckt, das Ergebnis gewaltiger Vulkanausbrüche vor langer Zeit. Es ist eine dramatische, fast außerirdische Landschaft. Und sie wurde entscheidend von einem visionären lokalen Künstler geprägt, der dafür sorgte, dass die Architektur sich der Natur unterordnet – weiße Häuser, grüne Fensterläden, keine hohen Gebäude.
- Der Vibe in 3 Worten: Stilvoll, surreal, ruhig.
- Perfekt für: Kunst- und Architekturliebhaber, Individualisten, Paare und Familien, die es etwas ruhiger mögen.
- Preisniveau: Mittel bis teuer (€€-€€€). Die Insel hat einen gewissen Chic.
- Mietwagen? Ja, absolut. Die Sehenswürdigkeiten sind über die ganze Insel verteilt.
Meine persönlichen Einblicke:
Um Lanzarote zu fühlen, musst du die Werke dieses Künstlers besuchen. Orte wie die Jameos del Agua (eine Lavaröhre, die in ein Kulturzentrum verwandelt wurde) oder sein ehemaliges Wohnhaus zeigen, wie genial Architektur und Natur verschmelzen können. Sein Einfluss hat die Insel vor den Bausünden bewahrt, die man anderswo findet.
Der Timanfaya-Nationalpark ist ein Muss. Man erkundet die „Feuerberge“ auf einer Bustour, was erst mal touristisch klingt, aber absolut atemberaubend und gut gemacht ist. Hier spürst du wirklich die Urgewalt der Erde. Trage festes Schuhwerk, das Vulkangestein ist scharfkantig!
Ein weiteres Highlight ist der Weinanbau in La Geria. Jede Rebe wächst in einem kleinen Trichter aus schwarzer Asche, geschützt von einer Steinmauer. Weltweit einzigartig! Halte bei einer Bodega an und probier den trockenen Malvasia-Wein. Er schmeckt mineralisch, fast so, als würde man den Vulkan schmecken.
Die kleinen Juwelen: Für den zweiten Blick
Abseits der großen Vier gibt es noch die kleineren Inseln im Westen. Sie sind was für Entdecker, für Leute, die schon mal da waren und jetzt tiefer eintauchen wollen.
La Palma: Die „Isla Bonita“, die schöne Insel. Extrem grün, extrem steil, ein Paradies für Wanderer. Trotz des jüngsten Vulkanausbruchs ist ihre Schönheit ungebrochen. Achtung: Das Wetter kann in den Bergen schnell umschlagen und die Wege sind oft anspruchsvoll.
La Gomera: Die mystische Schluchteninsel, von Teneriffa aus schnell mit der Fähre zu erreichen. Im Zentrum liegt ein nebliger Lorbeerwald wie aus einem Märchen. Die Insel ist Heimat der Pfeifsprache „El Silbo“. Ein Mietwagen ist hier Pflicht, aber sei gewarnt: Die Straßen sind extrem kurvig. Für eine 30-minütige Überfahrt mit Fred Olsen oder Armas von Teneriffa zahlst du etwa 35-50 Euro pro Person.
El Hierro: Die kleinste und abgelegenste Insel, die auf Nachhaltigkeit setzt. Ein Gefühl wie am Ende der Welt. Perfekt für Taucher, Aussteiger auf Zeit und alle, die absolute Ruhe suchen. Das touristische Angebot ist klein, hier geht es um die Erfahrung, nicht um Luxus.
Noch ein paar Profi-Tipps auf den Weg
Insel-Hopping? Ja, aber richtig!
Der Gedanke, in zwei Wochen drei Inseln abzuhaken, ist verlockend. Lass es. Jeder Inselwechsel kostet dich fast einen ganzen Tag. Konzentrier dich lieber auf eine Insel. Wenn es unbedingt zwei sein sollen, dann nimm welche, die gut zusammenpassen, wie Lanzarote und Fuerteventura (kurze Fährverbindung) oder Teneriffa und La Gomera. Weniger ist hier definitiv mehr.
Die beste Reisezeit für dich
Die Kanaren gehen immer, aber:
- Sommer (Juni-Sept): Heiß, sonnig, voll und teuer. Perfekt für den reinen Badeurlaub.
- Herbst (Okt-Nov): Mein persönlicher Favorit. Das Wasser ist noch warm, die Massen sind weg, die Preise fallen.
- Winter (Dez-Feb): Die perfekte Flucht vor dem deutschen Grau. Im Süden frühlingshaft, in den Bergen kann es kühl werden und auf dem Teide liegt Schnee.
- Frühling (März-Mai): Alles blüht! Ideal zum Wandern. Das Meer ist aber noch recht frisch.
Was unbedingt in den Koffer muss (egal wohin)
- Eine leichte Regen- oder Windjacke. Auch im Sommer, für die Berge oder den Abend.
- Feste Schuhe. Selbst wenn du keinen Wanderurlaub planst, für einen Ausflug ins Landesinnere sind sie Gold wert.
- Sonnencreme mit hohem LSF (30+, besser 50), Sonnenbrille und Kopfbedeckung. Die Sonne hier hat Power!
- Einen wärmeren Pulli. Abends kann es auch im Süden mal frisch werden, besonders wenn der Wind weht.
Ich hoffe, dieser ehrliche Einblick hilft dir bei deiner Entscheidung. Die perfekte Reise beginnt nicht damit, den billigsten Flug zu buchen, sondern damit, den Ort zu finden, der zu deinem eigenen Rhythmus passt. Wenn du das schaffst, wirst du von den Kanaren nicht nur mit schönen Fotos, sondern mit einem ganz besonderen Gefühl nach Hause kommen.
