Alter Hof, neues Glück? Dein ehrlicher Guide zur Bauernhaus-Sanierung

von Julia Steinhoff
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Ich hab in meinem Leben schon eine Menge alter Häuser gesehen. Angefangen als Zimmermannslehrling, später dann als Meister – da kommt einiges zusammen. Aber ganz ehrlich? Nichts hat mich je so gepackt wie diese alten Bauernhöfe. In denen steckt einfach so viel mehr als nur Stein und Holz. Da spürst du die Arbeit von Generationen. Jede Kerbe im Balken, jeder krumme Stein in der Mauer… das sind Geschichten.

Viele träumen ja von diesem Leben auf dem Land, mit dicken Mauern und knarrenden Dielen. Ein wunderschöner Traum! Aber die Sanierung, die ist kein Spaziergang, das muss man klar sagen. Ich habe Projekte scheitern sehen, weil Leute an den falschen Materialien gespart oder einfach drauf los gewerkelt haben. Das tut nicht nur im Geldbeutel weh, das zerstört die Seele des Hauses. Und genau deshalb schreib ich das hier. Damit dein Traum vom Hof nicht zum Albtraum wird.

Das A und O: Erst mal das Haus verstehen lernen

Bevor du auch nur einen Hammer anfasst oder den Farbkatalog wälzt, kommt der wichtigste Schritt: die Bestandsaufnahme. Und damit meine ich nicht mal eben durchlaufen und ein paar Fotos machen. Dafür nehmen wir Profis uns oft mehrere Tage Zeit. Systematisch, von ganz unten bis ganz oben.

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Ab in den Keller!

Der erste Gang führt immer in den Keller. Meine Werkzeuge dafür? Eine richtig starke Taschenlampe und ein einfacher Schraubendreher. Ich leuchte die Wände ab, suche nach feuchten Flecken, Salzausblühungen (das sind diese weißen, kristallartigen Ablagerungen) und natürlich Rissen. Dann kommt der Schraubendreher-Test: Ich piekse vorsichtig in die Holzbalken der Decke. Gibt das Holz nach, fühlt es sich weich oder bröselig an? Alarmstufe Rot! Das könnte ein Pilz sein, im schlimmsten Fall der Echte Hausschwamm. Und der ist ein Fall für absolute Spezialisten, da sollte man die Finger von lassen.

Übrigens: Viele alte Bauernhäuser haben nur Fundamente aus Feldsteinen, ganz ohne moderne Feuchtigkeitssperre. Das ist völlig normal! Diese Häuser sind darauf ausgelegt, mit einer gewissen Grundfeuchte zu leben. Der größte Fehler ist, so einen Keller mit Betonfarbe oder dichten Folien „trockenlegen“ zu wollen. Damit sperrst du die Feuchtigkeit nur ein, sie steigt in den Mauern nach oben und richtet im Wohnbereich erst recht Schaden an.

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Wände und Fachwerk unter der Lupe

Weiter geht’s im Erd- und Obergeschoss. Bei einem Fachwerkhaus klopfe ich jeden einzelnen Balken ab. Ein gesunder Balken hat einen satten, vollen Klang. Ein morscher klingt hohl und traurig. Ich suche nach kleinen Löchern, den Spuren von Holzwurm & Co. Findet man darunter frisches, helles Holzmehl, ist der Schädling noch aktiv – Zeit für einen Gutachter. Bei massivem Mauerwerk schaue ich mir die Fugen an. Bröselt der alte Mörtel raus? Oder, noch schlimmer: Wurde mit hartem Zementmörtel ausgebessert? Zement ist Gift für altes Mauerwerk. Er ist zu hart, zu dicht und schadet den weicheren, historischen Steinen.

Der Dachstuhl – Das Rückgrat des Hauses

Auf dem Dachboden zeigt ein Haus sein wahres Gesicht. Hier ist das Holz oft noch nackt und unverkleidet. Ich checke die Verbindungen der Balken – sind die alten Zimmermannsverbindungen noch fest? Hängt irgendwo ein Balken durch? Das ist oft ein Zeichen für eine Dachsenkung. Und natürlich suche ich nach Wasserspuren. Dunkle Verfärbungen auf dem Holz sind ein klares Indiz für ein undichtes Dach. Das hat absolute Priorität, denn Nässe ist der größte Feind von altem Holz.

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Kleiner Tipp aus der Praxis: Hol dir für diese erste Begehung unbedingt einen erfahrenen Architekten oder einen Handwerksmeister dazu, der sich mit Altbauten auskennt. Vier Augen sehen mehr als zwei. Rechnet mal mit Kosten zwischen 800 € und 2.000 € für eine solche professionelle Analyse. Das klingt erstmal viel, ist aber die beste Versicherung gegen Fehlentscheidungen, die euch später Zehntausende kosten können.

Warum ein altes Haus atmen muss (und moderne Baustoffe oft alles kaputt machen)

Ein modernes Haus ist im Grunde eine dichte Plastiktüte. Alles ist versiegelt, damit bloß keine Wärme entweicht. Ein altes Bauernhaus funktioniert komplett anders. Es atmet. Die Wände sind diffusionsoffen, das heißt, sie können Feuchtigkeit aus der Raumluft aufnehmen und langsam wieder nach außen abgeben. Das sorgt für ein unglaublich gesundes Wohnklima, das man mit modernen Mitteln kaum hinbekommt.

Wenn du diese atmende Wand jetzt mit Styropor zukleisterst oder mit einer dichten Dispersionsfarbe streichst, erstickst du das Haus. Die Feuchtigkeit kann nicht mehr raus, sammelt sich in der Wand und führt zu Schimmel und Fäulnis. Ich hab mal einen Fachwerkbalken freigelegt, der hinter einer Styroporplatte nur noch aus braunem Staub bestand, wie Kaffeepulver. Von außen sah alles super aus…

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Die richtigen Materialien sind entscheidend

Die Wahl der Baustoffe ist kein Geschmacksthema, sondern eine Frage der Physik. Hier eine kleine Orientierung:

  • Putz für die Wände: Immer Kalkputz oder Lehmputz. Finger weg von Zement- oder Gipsputz! Klar, ein Sack Lehmputz kostet vielleicht ein paar Euro mehr, aber dafür investierst du direkt in deine Wohngesundheit. Rechnet mit reinen Materialkosten von ca. 15-25 € pro Quadratmeter, je nach System.
  • Dämmung, wenn sie sein muss: Wählt diffusionsoffene Materialien wie Holzfaserdämmplatten, Hanf oder Zellulose. Die können Feuchtigkeit puffern, ohne gleich ihre Dämmwirkung zu verlieren.
  • Farbe für den Anstrich: Ideal sind Kalk- oder Silikatfarben. Die sind nicht nur atmungsaktiv, sondern wirken durch ihre Alkalität auch auf natürliche Weise gegen Schimmel.

Gut zu wissen: Die passenden Baustoffe findet ihr nicht unbedingt im Standard-Baumarkt. Schaut mal bei spezialisierten Herstellern wie Kreidezeit oder Claytec oder fragt im regionalen Baustoff-Fachhandel. Die haben oft mehr Ahnung, als man denkt.

Jeder Hof ist anders: Ein Blick auf regionale Eigenheiten

Ein Bauernhaus in Bayern ist kein Hallenhaus aus Nordfriesland. Diese regionalen Unterschiede sind über Jahrhunderte gewachsen, angepasst an Klima und verfügbare Materialien. Es lohnt sich, diese Bauweisen zu verstehen, denn sie verraten viel über die ursprünglichen Techniken.

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Aber wie findet man die richtigen Leute, die das noch können? Ganz ehrlich, der beste Zimmermann für ein fränkisches Fachwerkhaus ist oft ein alter Meister aus genau dieser Region. Fragt bei der lokalen Handwerkskammer nach Betrieben, die auf Altbausanierung spezialisiert sind. Eine super Anlaufstelle ist auch die „Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V.“. Und das Wichtigste: Lasst euch immer Referenzen von ähnlichen Projekten zeigen!

Jetzt wird’s praktisch: Ein paar Einblicke ins Handwerk

Wenn die Planung steht, geht’s ans Eingemachte. Hier ein paar Beispiele, wie wir an die Sache rangehen.

Fachwerk richtig reparieren

Ein morscher Balken muss nicht immer komplett raus. Oft ist nur ein kleiner Teil kaputt. Wir schneiden diesen Teil dann präzise heraus und fertigen ein neues Stück Holz an, meist Eiche. Die Verbindung zum alten Balken erfolgt dann über traditionelle Holzverbindungen, die mit Holznägeln gesichert werden. Niemals mit Metallwinkeln oder Schrauben! Holz arbeitet, es dehnt sich aus und zieht sich zusammen. Eine starre Metallverbindung würde das verhindern und nur neue Schäden verursachen.

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Das Mauerwerk neu verfugen – eine meditative Arbeit

Das ist echte Handarbeit und braucht Geduld. Hier die Kurzfassung:

  1. Vorsichtig auskratzen: Der alte, lose Mörtel wird von Hand aus den Fugen gekratzt. Bitte keine Flex benutzen, die macht die Steinkanten kaputt.
  2. Gut vornässen: Die Fugen müssen richtig nass sein, damit der neue Mörtel nicht „verbrennt“, also zu schnell trocknet.
  3. Mörtel rein: Der passende Kalkmörtel wird mit einem Fugeisen fest in die Fugen gedrückt.
  4. Finish: Nach dem Anziehen wird die Fuge mit einem feuchten Pinsel oder einem Jutesack abgerieben. Das gibt die authentische, leicht raue Oberfläche.

Für eine Wand von, sagen wir, 20 Quadratmetern solltet ihr als ambitionierter Laie schon ein langes Wochenende einplanen. Das ist keine Rennstrecke.

Dein schneller Sieg fürs Raumklima

Du willst schnell ein Erfolgserlebnis? Hier ist ein Tipp: Such dir einen Raum und reiß die alten Vinyl- oder Raufasertapeten runter. Oft kommt darunter ein alter Kalkputz zum Vorschein. Wenn der noch intakt ist, musst du ihn nur mit diffusionsoffener Silikatfarbe streichen. Das ist an einem Wochenende erledigt und der Raum kann sofort wieder atmen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht!

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Achtung, Falle! Die 5 größten Fehler (und wie du sie vermeidest)

Bei aller Leidenschaft – Sicherheit und Planung sind alles. Hier die häufigsten Fehler, die ich über die Jahre gesehen habe:

  1. Falsche Materialien: Ich kann es nicht oft genug sagen. Zement, Bauschaum, Silikon und Dispersionsfarben sind in der Regel der Anfang vom Ende für ein altes Haus.
  2. Zu viel auf einmal wollen: Plant in Abschnitten. Es ist besser, einen Raum richtig fertig zu haben, als fünf Jahre lang auf einer Großbaustelle zu leben.
  3. Das Budget unterschätzen: Rechnet IMMER mit einem Puffer von mindestens 20 % für Unvorhergesehenes. Der Puffer ist keine Schwarzmalerei, sondern pure Erfahrung. Hinter jeder Wandverkleidung kann die nächste teure Überraschung lauern.
  4. Denkmalschutz ignorieren: Redet frühzeitig und freundlich mit der zuständigen Behörde. Die wollen die Häuser erhalten und helfen oft sogar mit Tipps und Fördermitteln.
  5. Alles selbst machen wollen: Schätzt eure Fähigkeiten realistisch ein. Für Statik, Heizung, Elektro und die wichtigen Zimmermannsarbeiten braucht es Profis. Punkt.
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Ein Erbe, für das es sich zu kämpfen lohnt

Ein altes Bauernhaus zu sanieren, ist eine riesige Aufgabe. Sie fordert Geduld, Respekt und eine Menge Lernbereitschaft. Es wird Momente geben, in denen man alles hinschmeißen will. Aber wenn man dann irgendwann in der fertigen Stube sitzt, die alten Balken über sich, den Geruch von Holz und Kalk in der Nase, dann weiß man, wofür man das alles gemacht hat.

Man hat nicht nur ein Zuhause geschaffen. Man hat ein Stück Geschichte gerettet und ein Erbe für die Zukunft bewahrt. Und das, mein Freund, ist eine der schönsten Aufgaben, die es gibt.

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Option A (Der schnelle Weg): Zementputz und Dispersionsfarbe. Sie sind schnell verarbeitet und überall verfügbar. Doch in alten Mauern wirken sie wie eine Plastiktüte: Sie sperren die Feuchtigkeit ein, die nicht entweichen kann. Die Folge sind oft Schimmel hinter der Tapete und langfristige Schäden am Mauerwerk.

Option B (Der gesunde Weg): Kalk- oder Lehmputze. Diese historischen Baustoffe sind „diffusionsoffen“, also atmungsaktiv. Sie regulieren die Luftfeuchtigkeit im Raum ganz natürlich, indem sie überschüssige Feuchte aufnehmen und langsam wieder abgeben. Das schützt nicht nur das Gebäude, sondern sorgt auch für ein unvergleichlich gesundes Wohnklima.

Die Wahl ist mehr als nur eine Frage der Optik – sie ist entscheidend für das langfristige Wohl von Haus und Bewohnern.

Die alten Fenster sind undicht und einfachverglast – müssen die wirklich raus?

Eine der heikelsten Fragen bei der Sanierung. Klar, moderne Kunststofffenster versprechen Top-Dämmwerte. Aber sie rauben einem alten Hof oft sein Gesicht. Bevor Sie zur Brechstange greifen, prüfen Sie Alternativen: Oft können die originalen Holzfenster von einem spezialisierten Tischler aufgearbeitet, mit besseren Dichtungen versehen und manchmal sogar mit einem zweiten Flügel (als Kastenfenster) ergänzt werden. Ist eine Rettung unmöglich, sind maßgefertigte Holz-Sprossenfenster, die sich am historischen Vorbild orientieren, die beste Wahl. Sie bewahren den Charakter und erfüllen trotzdem heutige energetische Anforderungen. Ein Kompromiss, der die Seele des Hauses respektiert.

Julia Steinhoff

Meine Interessen für Design haben im großen Teil meine berufliche Laufbahn bestimmt. Zuerst habe ich einen Hochschulabschluss in Journalistik (BJO) an der Universität Hannover erworben, wo ich anschließend ein Magisterstudium in Fernsehjournalismus und Dokumentarfilm (MTV) gemacht habe. Gleich nach diesem Studium habe ich meine Arbeitskarriere als Journalistin bei verschiedenen Medien begonnen. Im Jahr 2017 habe ich ein interessantes Arbeitsangebot von Freshideen.com erhalten und es sofort angenommen. So hat meine Karriere bei Freshideen begonnen. Als Online-Autorin schreibe ich seit Jahren spannende Artikel über Innendesign, Outdoor-Gestaltung, Dekoration, Mode und Lifestyle. Genau in diesen Themenbereichen liegen auch meine beruflichen Interessen. Ich bemühe mich ständig darum, unsere Leser/innen über die Neuigkeiten und die letzten Trends im Interieur und Exterieur zu informieren und sie zu neuen kreativen Projekten zu motivieren. In meiner Freizeit gehe ich gern schwimmen, jogge oder spiele Tennis. Natürlich finde ich auch Zeit für Bücher lesen und fernsehen.