Kosmische Funken: Was schnelle Radioblitze wirklich sind und warum sie uns den Atem rauben

von Julia Steinhoff
Anzeige

In meiner Werkstatt riecht es oft nach einer Mischung aus Lötzinn und Elektronik, die gerade an ihre Grenzen gebracht wird. Seit Jahrzehnten baue und kalibriere ich empfindliche Empfänger, und mit der Zeit entwickelt man ein echtes Gehör für Signale. Du kennst irgendwann das sanfte Rauschen des Universums, das Knistern in der Atmosphäre und das nervige Brummen von menschengemachten Störungen. Aber ganz selten taucht da etwas auf, das völlig aus dem Rahmen fällt. Etwas, das dir die Nackenhaare aufstellt. Und genau das sind diese schnellen Radioblitze, die FRBs.

Die Medien lieben Schlagzeilen wie „mysteriöse Signale aus dem All“. Das klingt nach Science-Fiction, keine Frage. Aber in der Praxis ist es vor allem verdammt harte Arbeit – ein Puzzle, das wir mit Physik, Ingenieurskunst und einer riesigen Portion Geduld lösen. Ich will dir heute keine Sensation verkaufen, sondern dich mit in den Maschinenraum der Radioastronomie nehmen. Lass uns mal schauen, was diese Signale wirklich sind, wie wir sie aufspüren und warum sie uns so unglaublich faszinieren.

Signale aus dem All Mysterium drei Planeten die Tiefen des Weltalls
Anzeige

Erstmal die Basics: Was ist ein Radiosignal überhaupt?

Keine Sorge, das hier wird keine Physikstunde. Radiowellen sind im Grunde nichts anderes als Licht. Sie sind Teil des elektromagnetischen Spektrums, genau wie das Licht, das du siehst, oder die Infrarotstrahlung deiner Fernbedienung. Der einzige Unterschied ist die Wellenlänge. Unsere Augen sehen nur einen winzigen Ausschnitt, während ein Radioteleskop quasi ein riesiges Auge für diese anderen „Farben“ ist.

Stell dir vor, du wirfst einen Stein in einen Teich – das erzeugt Wellen. Die Frequenz gibt an, wie schnell diese Wellen auf und ab schwingen. Ein Radiosender auf 100 Megahertz (MHz) schickt also Wellen raus, die 100 Millionen Mal pro Sekunde schwingen. Im Weltall gibt es unzählige natürliche Quellen, die solche Wellen erzeugen: Sterne, ganze Galaxien, sogar eiskalte Gaswolken. Unsere Aufgabe ist es, aus diesem universalen Grundrauschen die eine, interessante Stimme herauszufiltern. Das ist, ehrlich gesagt, wie das Flüstern eines Freundes in einem vollen Fußballstadion zu hören. Du brauchst die richtige Ausrüstung und musst genau wissen, worauf du achten musst.

Signale aus dem All Mysterium neue Rätsel Verbindungsversucher einer fernen Galaxie
Anzeige

Die Entdeckung: Ein Zufallsfund im Daten-Keller

Die Geschichte der FRBs begann nicht mit einem lauten Knall, sondern mit stiller, geduldiger Archivarbeit. Vor einiger Zeit durchforstete ein Astronomenteam alte Daten eines Observatoriums in Australien. Eigentlich waren sie auf der routinemäßigen Suche nach Pulsaren, aber dann stießen sie auf etwas, das einfach in kein bekanntes Schema passte.

Es war ein extrem kurzer, aber unfassbar starker Radioimpuls, der nur wenige Tausendstelsekunden dauerte. Das wirklich Besondere war aber seine „Verschmierung“. Höherfrequente Wellen kamen einen winzigen Augenblick früher an als die tieferen. Man nennt das Dispersion. Stell dir einen Marathon vor: Die schnellen Läufer kommen vor den langsameren ins Ziel. Genauso bremst der leere Raum zwischen den Sternen Radiowellen ab, und zwar tiefere Frequenzen stärker als hohe. Die Verzögerung war bei diesem Signal so gewaltig, dass es unmöglich aus unserer eigenen Milchstraße stammen konnte. Es musste Milliarden von Lichtjahren zurückgelegt haben.

In diesen paar Millisekunden wurde so viel Energie freigesetzt wie unsere Sonne in einem ganzen Monat. Das war der Moment, in dem ein komplett neues Feld der Astronomie geboren wurde.

Signale aus dem All letzte Woche vom Radioteleskop in Kanada aufgezeichnet

Die Jagd-Ausrüstung: Wie fängt man so einen kosmischen Funken?

Ein Radioteleskop ist viel mehr als nur eine große Schüssel. Die Schüssel bündelt die Wellen auf den Empfänger, das eigentliche Herzstück. Und den muss man oft auf extreme Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (-273 Grad Celsius) kühlen. Warum? Wärme bedeutet Bewegung von Atomen, und diese Bewegung erzeugt elektronisches Rauschen. Je kälter, desto leiser, desto besser hört man das Flüstern aus dem All.

Die Datenmengen, die dabei anfallen, sind gigantisch. Ein modernes Teleskop-Netzwerk kann pro Sekunde Daten produzieren, die mehrere DVDs füllen würden. Das kann kein Mensch mehr von Hand durchsuchen. Hier übernehmen Hochleistungscomputer mit cleveren Algorithmen, die gezielt nach dieser Signatur suchen: kurz, stark und mit der typischen Verschmierung.

Aber die größte Herausforderung ist oft menschengemacht: Störsignale, auch RFI genannt. WLAN, Handys, Satelliten – sogar die Mikrowelle in der Kantine kann Signale erzeugen, die täuschend echt aussehen. Ein berühmtes Beispiel sind die sogenannten „Perytons“, die ein Observatorium jahrelang narrten. Die Quelle? Eine Mikrowelle in der Personalküche, deren Tür immer einen Tick zu früh geöffnet wurde. Dieser winzige Moment reichte für einen Radioimpuls.

Signale aus dem All Quelle der schnellen Radioblitze schwer zu lokalisieren

Kleiner Tipp aus der Praxis, wie wir solche Störungen von echten Signalen unterscheiden:

  • Schritt 1: Der Rundumblick. Schwenken mehrere Teleskopschüsseln gleichzeitig weg von der Quelle und das Signal verschwindet, ist es wahrscheinlich echt. Bleibt es da, kommt es von irgendwo am Boden.
  • Schritt 2: Die Frequenz-Analyse. Menschengemachte Signale sind oft auf schmale, bestimmte Frequenzen beschränkt (wie WLAN-Kanäle). Ein kosmisches Signal ist meist breitbandig, also über ein großes Frequenzspektrum verteilt.
  • Schritt 3: Der Dispersions-Check. Zeigt das Signal die typische Verschmierung, die auf eine lange Reise durchs All hindeutet? Wenn nicht, ist es verdächtig. Eine Mikrowelle hat diese Eigenschaft logischerweise nicht.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Die Fehlersuche kann Stunden, manchmal Tage dauern. Ich erinnere mich an eine Störung, die uns wochenlang beschäftigte. Am Ende war es die defekte Zündung eines alten Traktors auf einem benachbarten Bauernhof, die immer zur gleichen Tageszeit einen Impuls sendete.

Vom Fleck am Himmel zur genauen Adresse

Einen FRB zu entdecken ist eine Sache. Herauszufinden, woher genau er kommt, eine ganz andere. Ein einzelnes Radioteleskop ist da etwas kurzsichtig und kann die Richtung nur grob bestimmen. Um das zu ändern, nutzen die Profis eine Technik namens Interferometrie. Dabei werden mehrere Teleskope, die teils tausende Kilometer voneinander entfernt sind, digital zusammengeschaltet. Indem man die winzigen Zeitunterschiede misst, mit denen das Signal bei den verschiedenen Antennen ankommt, kann man die Position am Himmel extrem genau bestimmen – fast so, als hätte man ein einziges, kontinentgroßes Teleskop.

Signale aus dem All Qualle der schnellen Radioblitze schwer zu untersuchen wegen der enormen Entfernung 
What's Hot

Was sind Sonnenstürme? Erfahren Sie mehr über das Weltraumwetter!

Damit gelang auch der Durchbruch bei der Ortung eines sich wiederholenden FRBs. Die große Überraschung: Die Quelle lag nicht in einer riesigen, aktiven Galaxie, sondern in einer winzigen Zwerggalaxie, Milliarden von Lichtjahre entfernt. Ein entscheidender Hinweis, der uns zeigt: Was auch immer diese Blitze erzeugt, es braucht keine junge, turbulente Umgebung.

Der Hauptverdächtige: Was hat so eine unglaubliche Power?

Okay, was kann so eine unfassbare Energiemenge in Millisekunden raushauen? Der heißeste Kandidat ist ein sogenannter Magnetar.

Ein Magnetar ist die Hardcore-Version eines Neutronensterns. Neutronensterne sind die superdichten Überreste von explodierten Riesensternen. Sie haben mehr Masse als unsere Sonne, sind aber nur so groß wie eine Stadt. Ein Teelöffel davon wiegt so viel wie der Mount Everest. Magnetare besitzen zusätzlich die stärksten Magnetfelder im bekannten Universum – eine Billiarde Mal stärker als das der Erde. Dieses Magnetfeld ist so extrem, dass es instabil ist. Es kann zu plötzlichen „Sternbeben“ auf der Oberfläche kommen, bei denen sich das Magnetfeld explosionsartig neu anordnet. Genau so ein Ereignis könnte die Energie für einen FRB freisetzen.

Trotz interessanter Hypothesen bleibt das Mysterium der schnellen Radioblitze ungelöst.

Nur um das mal greifbar zu machen: Ein einziger FRB setzt in wenigen Millisekunden mehr Energie frei als unsere Sonne in mehreren Tagen! Das ist eine unvorstellbare Menge an Power.

Und, äh… sind’s jetzt doch Aliens?

Die Frage kommt immer, und ganz ehrlich, man muss sie auch stellen. Könnten das Botschaften sein? Als Techniker lernt man ein einfaches Prinzip: Bevor du eine exotische Erklärung in Betracht ziehst, musst du alle bekannten, natürlichen Ursachen ausschließen. Um einen FRB künstlich zu erzeugen, bräuchte eine Zivilisation eine Technologie, die unsere kühnsten Träume übersteigt. Man müsste die Energie eines ganzen Sterns bündeln und gezielt abfeuern. Wozu?

Auf der anderen Seite haben wir die Magnetare. Wir wissen, dass es sie gibt. Ihre Physik passt zu den Beobachtungen. Solange eine plausible natürliche Erklärung funktioniert, gibt es keinen wissenschaftlichen Grund, Aliens anzunehmen. Das ist keine Fantasielosigkeit, sondern sauberes Handwerk. Aber klar, sollte uns jemals ein Signal erreichen, das eine klare Codierung oder eine unnatürliche Struktur hat… dann reden wir nochmal. Bisher sehen FRBs aber nach roher, gewaltiger Natur aus.

Signale aus dem All ungelöste Rätsel kommen aus den Tiefen des Weltalls
What's Hot

Sternschnuppen-Nacht: Dein ultimativer Guide für die Perseiden – ohne Frieren & Frust

Mehr als nur ein Rätsel: FRBs als kosmisches Werkzeug

Das Coolste an den FRBs ist, dass sie mehr sind als nur ein spannendes Rätsel. Sie sind ein fantastisches neues Werkzeug. Erinnerst du dich an die Dispersion, die Verschmierung? Ihre Stärke verrät uns exakt, wie viel Materie der Blitz auf seinem Weg zu uns durchquert hat. Jeder FRB ist wie eine kleine Sonde, die uns Informationen über den angeblich leeren Raum zwischen den Galaxien liefert.

Früher dachten wir, da wäre nichts. Heute wissen wir, dass dort ein hauchdünnes Netz aus Gas existiert. Mit den FRBs können wir dieses unsichtbare Netz zum ersten Mal vermessen und eine 3D-Karte der Materie im Universum erstellen. Das hilft uns, die ganz großen Fragen zu beantworten, zum Beispiel wie Galaxien überhaupt entstehen.

Kann ich das auch zu Hause machen? Ein kleiner Reality-Check

Jetzt fragst du dich vielleicht: „Cool, kann ich da mitmachen?“ Die direkte Jagd nach FRBs braucht leider riesige und teure Anlagen. Aber: Der Einstieg in die Amateur-Radioastronomie ist absolut möglich! Mit einer selbstgebauten Antenne (Materialkosten oft unter 100 € im Baumarkt) und einem günstigen SDR-Empfänger (Software Defined Radio, gibt’s online für ca. 30–50 €) kannst du schon Signale von Jupiter oder Meteore detektieren. Das ist ein super spannendes Hobby!

Signale aus dem All Mysterium regelmäßige Signale bedarf weiterer Forschung

Und wenn du bei der echten Forschung helfen willst: Es gibt Citizen-Science-Projekte wie „SETI@home“ oder ähnliche Initiativen, bei denen du Rechenleistung deines Computers zur Verfügung stellen kannst, um Teleskopdaten zu analysieren. Du wirst damit wahrscheinlich keinen FRB entdecken, aber du bist Teil der großen Suche.

Was du dir merken solltest

Wenn du das nächste Mal von „mysteriösen Signalen“ liest, denk dran:

  • FRBs sind extrem kurze, energiereiche Radioblitze aus weit entfernten Galaxien, keine Science-Fiction.
  • Die wahrscheinlichste Quelle sind Magnetare – super-magnetische Neutronensterne mit unvorstellbarer Power.
  • Die Signale sind harmlos für uns, aber extrem nützlich, um das unsichtbare Universum zwischen den Galaxien zu kartieren.
  • Es ist kein Mysterium, es ist Handwerk. Hinter jeder Entdeckung stecken Jahre an Arbeit von Ingenieuren, Programmierern und Forschern.

Die Jagd ist noch lange nicht vorbei. Mit weit über tausend entdeckten Blitzen fangen wir gerade erst an, die Muster zu verstehen. Jede neue Entdeckung wirft neue Fragen auf. Und das ist das Spannende daran – es ist eine der größten Detektivgeschichten unserer Zeit, und sie spielt sich direkt über unseren Köpfen ab.

Signale aus dem All mit Radioteleskop empfangen wissenschaftliche Forschung neue Rätsel lösen
What's Hot

Faschings-Werkstatt für Zuhause: So bastelt ihr geniale Kostüme, die auch wirklich halten!

Julia Steinhoff

Meine Interessen für Design haben im großen Teil meine berufliche Laufbahn bestimmt. Zuerst habe ich einen Hochschulabschluss in Journalistik (BJO) an der Universität Hannover erworben, wo ich anschließend ein Magisterstudium in Fernsehjournalismus und Dokumentarfilm (MTV) gemacht habe. Gleich nach diesem Studium habe ich meine Arbeitskarriere als Journalistin bei verschiedenen Medien begonnen. Im Jahr 2017 habe ich ein interessantes Arbeitsangebot von Freshideen.com erhalten und es sofort angenommen. So hat meine Karriere bei Freshideen begonnen. Als Online-Autorin schreibe ich seit Jahren spannende Artikel über Innendesign, Outdoor-Gestaltung, Dekoration, Mode und Lifestyle. Genau in diesen Themenbereichen liegen auch meine beruflichen Interessen. Ich bemühe mich ständig darum, unsere Leser/innen über die Neuigkeiten und die letzten Trends im Interieur und Exterieur zu informieren und sie zu neuen kreativen Projekten zu motivieren. In meiner Freizeit gehe ich gern schwimmen, jogge oder spiele Tennis. Natürlich finde ich auch Zeit für Bücher lesen und fernsehen.