Vom digitalen Desaster zum Meisterstück: Was wir wirklich vom Sonic-Redesign lernen können

von Emma Wolf
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Ich saß gerade an meinem Rechner und tüftelte an den finalen Render-Einstellungen für ein Projekt, als die Nachricht aufploppte. Ein neues Filmstudio hatte den überarbeiteten Trailer für den Igel-Film rausgehauen. Normalerweise zucke ich bei sowas nur mit den Schultern, aber hier war ich echt neugierig.

Den ersten Trailer hatte ich Monate zuvor gesehen und, ganz ehrlich, als jemand, der schon gefühlt ewig im digitalen Design arbeitet, habe ich selten ein so offensichtliches Scheitern erlebt. Es war wie aus dem Lehrbuch: Man hatte die Seele der Figur einfach nicht verstanden. Und jetzt das hier… eine komplette Kehrtwende. Das ist in unserer Branche eine absolute Seltenheit. Meistens müssen alle mit den Fehlern leben. Aber hier hat jemand die Notbremse gezogen.

Das hat den Handwerker in mir geweckt. Was genau haben die anders gemacht? Und warum war das so entscheidend? Das ist weit mehr als nur ein neues Make-up; es ist eine Lektion in digitaler Kunst, Respekt vor dem Original und dem Mut, einen sündhaft teuren Fehler einzugestehen. Schauen wir uns das mal an, als würden wir ein altes Möbelstück restaurieren: vom Fundament bis zur letzten Politur.

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Das Fundament: Warum der erste Entwurf scheitern MUSSTE

Bevor wir die gute Arbeit loben, müssen wir kurz verstehen, warum die erste Version so daneben war. Das Kernproblem hat sogar einen Namen: das „Uncanny Valley“, also das „unheimliche Tal“. Kennt ihr das Gefühl? Wenn etwas Künstliches, wie eine Roboterfigur, fast menschlich aussieht, aber eben nur fast, dann finden wir es gruselig. Unheimlich. Genau in dieses Tal ist der erste Entwurf mit Anlauf reingesprungen.

Er hatte viel zu menschliche Zähne, kleine, weit auseinanderstehende Augen und die Proportionen eines kleinen Kindes im Kostüm. Unser Gehirn sieht das und gerät in einen Konflikt: Es erkennt vertraute menschliche Züge an etwas absolut Fremdem, einem blauen Igel. Das Ergebnis ist pure Ablehnung.

Eine Figur muss in sich stimmig sein. Der klassische Igel aus den Spielen ist eine Cartoon-Figur, durch und durch. Seine Augen sind riesig und fast eins, er trägt Handschuhe und überdimensionierte Schuhe. Nichts daran ist realistisch, aber alles hat einen Zweck: Große Augen zeigen Emotionen, große Füße signalisieren Geschwindigkeit. Der erste Filmentwurf hat diese Logik komplett ignoriert und wollte ihn krampfhaft „realistisch“ machen. Aber ein realistischer blauer Igel, der mit Schallgeschwindigkeit rennt, ist ein Widerspruch in sich. Das Fundament war von Anfang an marode.

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Die Anatomie eines Helden: Ein Blick auf das digitale Skelett

Als die Entscheidung für einen Neustart fiel, begann für die 3D-Künstler die eigentliche Knochenarbeit. Sie mussten eine komplett neue digitale Skulptur erschaffen. Jede Oberfläche einer 3D-Figur besteht aus einem Netz von Polygonen, quasi ein digitales Drahtgitter. Die Anordnung dieser Polygone, die „Topologie“, ist absolut entscheidend dafür, wie gut sich eine Figur später bewegen kann.

Stellt euch das mal vor: Um die Augen und den Mund müssen die Linien dieses Drahtgitters in sauberen, konzentrischen Ringen verlaufen. Nur so kann die Figur natürlich lächeln oder die Stirn runzeln, ohne dass sich das Gesicht komisch verzieht. Der erste Entwurf basierte wohl auf einer menschlichen Anatomie, was die seltsamen Züge erklärt. Für den neuen Look musste die Topologie aber einer Cartoon-Logik folgen.

Schauen wir uns mal die wichtigsten Änderungen im direkten Vergleich an:

  • Die Augen: Vorher waren es kleine, fast schon beängstigende menschliche Perlen. Nachher: Große, ausdrucksstarke Cartoon-Augen, die so nah zusammengerückt wurden, dass sie aus den meisten Winkeln wie das Original aussehen. Ein genialer Trick!
  • Die Zähne: Das komplette menschliche Gebiss aus dem ersten Trailer war ein Schock. Im neuen Design sind es nur noch angedeutete, einfache weiße Formen. Völlig ausreichend und es passt zur Figur.
  • Die Proportionen: Zuerst hatte er lange, dünne Beine wie ein Marathonläufer. Die korrigierte Version hat kürzere, stämmigere Gliedmaßen, die viel mehr an die ikonische Vorlage erinnern.

Kleiner Profi-Tipp am Rande: Wenn du eine Figur schwarz ausmalst und sie immer noch sofort an ihrer Silhouette erkennst, dann ist das Design ein Volltreffer. Der neue Igel hat seine ikonische Silhouette zurück.

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Das Skelett im Inneren: Die unsichtbare Kunst des „Riggings“

Ein 3D-Modell ist erstmal nur eine starre Statue. Damit es sich bewegen kann, braucht es ein digitales Skelett, ein sogenanntes „Rig“. Ein Spezialist, der „Rigger“, baut Knochen, Gelenke und Steuerelemente in die Figur ein. Man kann sich das wie die Fäden bei einer Marionette vorstellen, nur eben digital. An diesen „Fäden“ ziehen dann die Animatoren, um die Figur zum Leben zu erwecken.

Das Problem: Der Igel ist keine realistische Figur. Er muss sich zu einer Kugel zusammenrollen können. Seine Arme und Beine müssen sich für coole Posen extrem dehnen und stauchen lassen – ein Grundprinzip des Zeichentricks. Ein realistisches Rig würde da einfach streiken. Für den neuen Entwurf war also ein komplett neues Skelett fällig, das auf Cartoon-Physik ausgelegt ist. Die Wirbelsäule braucht zum Beispiel viel mehr „Wirbel“ als ein Mensch, um diese extreme Biegung zu schaffen.

Fell, Stoff und Gummi: Wenn Oberflächen eine Geschichte erzählen

Nach Modell und Skelett kommt die Oberfläche. Wie fühlt sich das alles an? Der erste Entwurf hatte ein sehr detailliertes, fast fotorealistisches Fell. Das hat das unheimliche Gefühl nur noch verstärkt. Außerdem war der Blauton eher gedämpft und nicht so leuchtend wie das Original.

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Beim Redesign wurde das Fell weicher und stilisierter gestaltet. Das ikonische Kobaltblau wurde perfekt getroffen – das ist bei so einer bekannten Marke so wichtig wie das Rot von Coca-Cola. Auch die Handschuhe sehen jetzt wie dicker Stoff aus und nicht wie pelzige Hände. Und die Schuhe! Weg von irgendwelchen Markensneakern, hin zu den klassischen, rot-weißen Tretern, die fast wie aus Gummi wirken. Jedes Material unterstützt jetzt die Cartoon-Natur der Figur. Alles passt zusammen.

Die Seele der Bewegung: Animation ist Charakter

Und hier, Leute, zahlt sich die ganze Plackerei aus. Am Ende landet alles bei den Animatoren. Mit dem neuen, flexiblen Modell konnten sie endlich den Igel animieren, den alle kennen und lieben: selbstbewusst, ein bisschen frech und voller Energie. Das ungeduldige Tippen mit dem Fuß, das breite Grinsen vor dem Start – all das war mit dem steifen ersten Modell unmöglich. Jetzt bilden Design und Bewegung eine perfekte Einheit.

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Der Faktor Mensch: Millionen, Überstunden und Ehre

Zum Schluss müssen wir aber über das Wichtigste reden: All das wurde von Menschen gemacht. Hunderte von Künstlern standen nach der Entscheidung zur Neugestaltung unter unfassbarem Druck. Der Filmstart wurde verschoben, aber nur um wenige Monate. Das bedeutet Überstunden, Stress und lange Nächte.

Man munkelt, dass die gesamte Rettungsaktion am Ende um die 5 Millionen Dollar extra gekostet hat. Ein irrer Aufwand. Und jetzt kommt der wirklich bittere Teil der Geschichte: Das VFX-Studio, das dieses Wunder in Rekordzeit vollbracht hat, musste Berichten zufolge kurz nach Fertigstellung des Films seine Pforten schließen. Das zeigt leider brutal, wie hart die Bedingungen in dieser Branche sein können, selbst wenn man einen herausragenden Job macht.

Trotzdem war die Entscheidung der Verantwortlichen bemerkenswert. Sie haben auf die Fans gehört und gesagt: „Okay, das war nichts. Wir machen es neu und richtig.“ Das zeugt von einer Art Handwerkerehre, die man in der Konzernwelt nur noch selten findet.

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Fazit: Eine Lektion, die bleibt

Die Rettung dieser Figur war mehr als nur Kosmetik. Sie war eine komplette Neuausrichtung und ein faszinierendes Beispiel dafür, wie viele spezialisierte Disziplinen perfekt ineinandergreifen müssen, um eine digitale Figur mit Leben zu füllen.

Übrigens, falls dich das Thema jetzt gepackt hat: Es gibt fantastische Programme, um selbst in die 3D-Welt einzutauchen. Blender ist zum Beispiel komplett kostenlos und unglaublich mächtig. Profis in den großen Studios nutzen oft Tools wie Maya oder ZBrush, aber die Grundprinzipien sind überall dieselben.

Und hier noch ein kleiner Denkanstoß für deinen nächsten Filmabend: Achte mal ganz bewusst auf die Silhouetten der Hauptfiguren. Erkennst du sie sofort, auch nur als schwarzen Schatten? Wenn ja, haben die Designer ihre Hausaufgaben gemacht. Denn am Ende zeigt dieser ganze Fall vor allem eines: Qualität und Respekt vor dem Original zahlen sich immer aus.

Emma Wolf

Ich liebe es, unseren Lesern und Leserinnen praktische und einzigartige Informationen, Tipps und Life Hacks über allmögliche Themen zu geben, die sie in ihrem Alltag auch tatsächlich anwenden können. Ich bin immer auf der Suche nach etwas Neuem – neuen Trends, neuen Techniken, Projekten und Technologien.