Möbel streichen wie die Profis: Dein kompletter Guide für ein perfektes Finish

von Aminata Belli
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Ein altes Möbelstück, eine neue Seele – das ist mehr als nur ein Spruch für mich. In meiner Werkstatt habe ich schon so viele Stücke gesehen, von wertvollen Erbstücken bis zu günstigen Flohmarktfunden. Und fast alle hatten eines gemeinsam: Sie trugen die Spuren der Zeit. Viele Leute denken, man pinselt mal eben schnell eine neue Farbe drauf und fertig. Aber ganz ehrlich? Wir schulden dem Möbelstück ein bisschen mehr als das. Ein neuer Anstrich ist keine reine Kosmetik, sondern eine echte Wiederbelebung. Er schützt das Holz und ist auch eine kleine Verbeugung vor der Handwerkskunst, die dahintersteckt.

Der Unterschied zwischen einem schnellen „Joa, geht so“-Projekt und einer professionellen Lackierung liegt nicht im Talent, sondern in der Geduld und im Wissen um die richtigen Schritte. Und die zeige ich dir hier. Das ist kein Geheimwissen, sondern solides Handwerk. Aber die Wahrheit ist: 90 % der Arbeit für eine perfekte Oberfläche finden statt, bevor du überhaupt die Farbdose öffnest.

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Schritt 1: Die Bestandsaufnahme – Was hast du da eigentlich vor dir?

Bevor du auch nur an Werkzeug denkst, müssen wir das Möbelstück erstmal „kennenlernen“. Fass es an, klopf drauf, schau es dir von allen Seiten an, auch von unten und hinten. Jedes Detail verrät dir etwas über die beste Vorgehensweise.

Aus welchem Holz sind deine Träume?

Das Material ist der Dreh- und Angelpunkt für alles, was folgt. Grob unterscheiden wir drei Kandidaten:

  • Massivholz: Der Idealfall! Möbel aus massivem Holz sind robust und verzeihen viel. Man kann sie oft mehrmals abschleifen. Wichtig ist aber, die Holzart grob einzuschätzen. Hölzer wie Eiche oder Kiefer enthalten zum Beispiel Gerbstoffe oder Harze, die später durch den neuen Lack „bluten“ können. Das sorgt dann für unschöne gelbe oder braune Flecken.
  • Furniertes Holz: Hier klebt eine dünne Echtholzschicht auf einer Trägerplatte (oft Spanplatte). Furnierte Möbel können super hochwertig aussehen, sind aber empfindlich. Schleifst du hier zu enthusiastisch, ist das Furnier durch und die Trägerplatte schaut hervor – ein Schaden, der kaum noch zu reparieren ist. Hier ist also Fingerspitzengefühl gefragt.
  • MDF/Spanplatte mit Folie: Günstigere Möbel sind oft mit einer Kunststofffolie beschichtet. Die direkt zu lackieren, ist heikel, weil die Farbe schlecht hält. Hier ist ein spezieller Haftgrund absolute Pflicht. Manchmal, wenn die Folie sich eh schon löst, ist es sogar besser, sie komplett zu entfernen.
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Was ist da schon drauf? Der Test für Neugierige

Ist das Möbelstück lackiert, geölt oder gewachst? Das musst du wissen, um die alte Schicht richtig zu behandeln. Hier ein paar simple Tricks aus der Werkstatt:

  • Der Wassertropfen-Test: Gib an einer unauffälligen Stelle einen Tropfen Wasser drauf. Zieht er sofort ein und macht das Holz dunkel? Dann ist es unbehandelt oder geölt. Perlt er ab, hast du es mit Lack oder Wachs zu tun.
  • Der Spiritus-Test: Reibe mit einem in Spiritus getränkten Lappen über eine kleine Stelle. Löst sich die Oberfläche und wird klebrig? Dann ist es sehr wahrscheinlich Wachs.
  • Der Schleiftest: Nimm ein feines Schleifpapier (Körnung 180) und schleife von Hand. Entsteht feiner, weißer Staub, ist es wohl ein alter Lack. Schmiert das Papier sofort zu und wird speckig, ist es Wachs oder Öl.

Nimm dir für diese Analyse ruhig einen Kaffee Zeit. Das erspart dir später eine Menge Kopfschmerzen, glaub mir.

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Schritt 2: Die Vorbereitung – Das Fundament für gute Arbeit

Okay, jetzt wird’s ernst. Und denk dran: Die Sorgfalt, die du jetzt investierst, entscheidet darüber, ob dein Werk in einem Jahr noch toll aussieht oder schon wieder abblättert.

Erstmal eine Einkaufsliste (damit du nicht 5x zum Baumarkt fährst)

Bevor du loslegst, hier eine Checkliste, was du wirklich brauchst. Das meiste bekommst du in jedem gut sortierten Baumarkt oder online:

  • Reinigung: Anlauger oder Salmiakgeist, Eimer, Schwamm, fusselfreie Lappen, klares Wasser zum Nachwischen.
  • Sicherheit: Nitrilhandschuhe, eine gute Staubmaske (mindestens FFP2) und eine Schutzbrille. Nicht verhandelbar!
  • Reparatur: Holzkitt oder 2K-Spachtelmasse, kleiner Japanspachtel.
  • Schleifen: Schleifpapier in verschiedenen Körnungen (z.B. 120, 180, 240, 320), Schleifklotz oder Schleifschwamm. Ein Exzenterschleifer für große Flächen ist eine super Arbeitserleichterung.
  • Grundierung: Sperrgrund (für Hölzer wie Eiche/Kiefer) oder Haftgrund (für glatte Flächen).
  • Lack & Werkzeug: Hochwertiger Acryllack (ca. 750 ml für eine Kommode), eine kleine Lackrolle (Schaumstoff oder Flock) und ein hochwertiger Pinsel mit weichen Kunststoffborsten.
  • Sonstiges: Malerkrepp zum Abkleben, Abdeckfolie für den Boden.
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Zerlegen, Reinigen, Reparieren

Bau alles ab, was geht: Griffe, Scharniere, Schlösser. Nimm Schubladen raus, häng Türen aus. Das macht die Arbeit so viel einfacher und das Ergebnis sauberer. Nichts schreit mehr „Amateur“ als übermalte Scharniere.

Danach wird geputzt! Über die Jahre sammelt sich Fett, Nikotin und Politur an. Das muss alles restlos runter. Bei normalem Schmutz reicht Spüliwasser. Bei hartnäckigem Fett, besonders in der Küche, brauchst du härtere Geschütze wie Anlauger oder Salmiakgeist. Achtung! Das ist Chemie. Trage unbedingt Handschuhe und Brille und sorge für super Belüftung. Nach der Anwendung immer mit klarem Wasser gut nachwischen, um die Oberfläche zu neutralisieren.

Kleine Kratzer, Dellen oder Löcher besserst du jetzt mit Holzkitt aus. Kleiner Tipp für Anfänger: Trag lieber etwas zu viel Spachtelmasse auf als zu wenig. Den Überstand kannst du nach dem Aushärten ganz einfach glattschleifen.

Das Abschleifen: Mit Gefühl, nicht mit Gewalt

Schleifen hat zwei Ziele: die alte Schicht runterholen und die Oberfläche aufrauen, damit die Grundierung sich festkrallen kann. Ein Exzenterschleifer ist für große, flache Flächen Gold wert. Für Kanten, Ecken und Profile ist der Handschliff mit einem Schleifklotz aber unersetzlich.

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Kleiner Quick Win: Bevor du dein Erbstück schleifst, schnapp dir ein altes Holzbrettchen und übe den Umgang mit der Maschine. So bekommst du ein Gefühl dafür, ohne gleich was kaputtzumachen.

Die Körnung ist entscheidend. Immer von grob nach fein arbeiten:

  1. Alter Lack runter: Starte mit Körnung 120. Führe die Maschine gleichmäßig und ohne Druck. Die Maschine soll die Arbeit machen, nicht deine Muskeln.
  2. Feinschliff: Ist der Lack ab, wechsle auf Körnung 180. Schleife damit alles nochmal, um die Kratzer vom gröberen Papier zu entfernen.
  3. Staub weg: Sauge den Schleifstaub gründlich ab. Wisch danach mit einem leicht feuchten Tuch (oder einem speziellen Staubbindetuch) nach. Die Oberfläche muss absolut staubfrei sein.

Nochmal der Hinweis: Trage beim Schleifen immer eine gute Staubmaske! Alter Lackstaub ist alles andere als gesund.

Schritt 3: Die Grundierung – Der unsichtbare Held

Viele sparen sich diesen Schritt, um Zeit zu sparen. Das ist der größte Fehler überhaupt. Ich hatte mal einen Azubi, der einen wunderschönen Eichenschrank weiß lackieren sollte. Er war ungeduldig und hat den Sperrgrund weggelassen. Drei Tage später schienen gelb-braune Flecken durch den makellosen weißen Lack. Die Gerbstoffe der Eiche waren durchgeschlagen. Die ganze Arbeit für die Katz – er durfte alles wieder abschleifen.

Eine Grundierung (oder Primer) macht zwei Dinge: Sie schafft eine Verbindung zwischen Holz und Lack und sie isoliert den Untergrund. Bei harz- oder gerbstoffreichen Hölzern wie Kiefer, Eiche oder Mahagoni ist ein Sperrgrund ein absolutes Muss. Für glatte Oberflächen (wie Folie oder angeschliffener alter Lack) nimmst du einen Haftgrund.

Trag die Grundierung dünn auf und lass sie komplett trocknen. Danach fühl mal drüber: Die Fläche ist rau, weil sich kleine Holzfasern aufgestellt haben. Jetzt kommt der superwichtige Zwischenschliff: Nimm sehr feines Schleifpapier (Körnung 240 oder 320) und schleife die Fläche von Hand ganz sanft glatt. Danach wieder entstauben. Das Ergebnis ist eine spiegelglatte Basis für die Farbe.

Schritt 4: Farbe! Endlich! Technik und Geduld zahlen sich aus

Jetzt kommt der spaßige Teil. Aber auch hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Qualität bei Werkzeug und Material macht jetzt den Unterschied.

Wasser oder Lösemittel? Der kleine Lack-Check

Für Möbel sind zwei Lackarten relevant. Es gibt da kein klares „besser“, nur ein „besser für dein Projekt“.

Der moderne Standard ist Acryllack (wasserbasiert). Der große Vorteil: Er ist geruchsarm, trocknet schnell und du kannst Pinsel und Rollen einfach mit Wasser auswaschen. Hochwertige Produkte sind heute auch richtig robust. Der Nachteil: Er braucht oft mehrere Wochen, um seine endgültige Härte zu erreichen. Sei also anfangs etwas vorsichtiger damit.

Der Klassiker ist der Alkydharzlack (lösemittelbasiert). Sein Pluspunkt ist oft der tolle Verlauf – er glättet sich von selbst super und bildet eine sehr harte, widerstandsfähige Oberfläche. Die Nachteile sind der starke Geruch, die lange Trocknungszeit und dass weiße Farbtöne über die Zeit vergilben können, besonders an dunklen Stellen. Für die meisten Projekte im Wohnbereich ist ein guter Acryllack heute die beste Wahl.

Pinsel oder Rolle? Die richtige Technik

Egal womit, arbeite immer „nass in nass“, also setze immer dort an, wo die Farbe noch feucht ist, um Ansätze zu vermeiden. Und ganz wichtig: Trage lieber zwei dünne Schichten auf als eine dicke. Eine dicke Schicht trocknet schlecht und neigt zu Farbläufern („Nasen“).

  • Mit der Rolle: Für große Flächen ist eine feine Schaumstoffwalze ideal. Rolle die Farbe im Kreuzgang auf: erst senkrecht, dann waagerecht verteilen und zum Schluss nochmal ganz leicht von oben nach unten abrollen.
  • Mit dem Pinsel: Nutze einen guten Pinsel für die Kanten und Profile. Auf Flächen die Farbe erst in eine Richtung auftragen und dann im 90-Grad-Winkel dazu mit ganz leichtem Druck „verschlichten“, also glätten.

Lass die erste Schicht vollständig trocknen (mindestens 4-6 Stunden, besser über Nacht). Dann wieder ein leichter Zwischenschliff mit Körnung 320, entstauben und die zweite Schicht auftragen.

Schritt 5: Die Versiegelung – Schutz für dein Meisterwerk

Braucht es nach dem Lack noch eine Versiegelung? Kommt drauf an. Ein Deko-Tischchen im Flur braucht sie nicht. Eine Tischplatte, eine Sitzfläche oder die Oberseite einer Kommode, auf der ständig Schlüssel landen, profitieren aber enorm von einer Schicht klarem Acryllack (in matt, seidenmatt oder glänzend).

Erste Hilfe bei Lackier-Pannen: Was tun, wenn…?

Auch Profis passiert mal ein Malheur. Keine Panik, das meiste lässt sich retten!

  • Problem: Sichtbare Pinselstriche.
    Lösung: Wahrscheinlich war der Lack zu dick oder du hast zu lange auf einer schon antrocknenden Stelle gearbeitet. Lass es komplett trocknen, schleife die Stelle mit feinem Papier (240er) glatt und lackiere dünn nochmal drüber.
  • Problem: Der Lack hat „Nasen“ (Läufer) gebildet.
    Lösung: Auch hier gilt: komplett trocknen lassen! Danach kannst du die Nase vorsichtig mit einer scharfen Rasierklinge abschaben (flach anlegen!) oder sie vorsichtig runterschleifen. Dann die Stelle leicht anschleifen und neu lackieren.
  • Problem: Staub oder kleine Fliegen im Lack.
    Lösung: Ärgerlich, aber normal. Nach dem Trocknen mit sehr feinem Papier (320 oder 400) die Stelle sanft glätten und eine weitere, dünne Lackschicht auftragen.

Was das Ganze kostet, wie lange es dauert und wie du sicher bleibst

Zum Schluss noch ein paar ehrliche Worte.

Sei ehrlich zu deinem Geldbeutel

Qualität hat ihren Preis, besonders bei Farbe. Spar nicht am falschen Ende. Ein Billiglack für 10 Euro der große Eimer wird dich nur frustrieren. Rechne mal für eine mittelgroße Kommode mit Materialkosten zwischen 50 und 100 Euro. Das teilt sich grob so auf: Guter Lack (750ml) ca. 20-30 €, Sperrgrund ca. 15 €, ein gutes Pinsel/Rollen-Set ca. 10 €, Schleifpapier & Kleinkram nochmal 10-15 €. Das ist gut investiertes Geld in ein Ergebnis, das hält.

Sei realistisch mit deiner Zeit

So ein Projekt ist kein Nachmittagsprogramm. Für eine Kommode solltest du, inklusive aller Trocknungszeiten, am besten ein ganzes Wochenende einplanen. Die reine Arbeitszeit sind vielleicht 5-6 Stunden, aber das Warten dazwischen ist Teil des Prozesses. Hetz dich nicht, das sieht man dem Ergebnis am Ende an.

Sicherheit geht immer vor!

Ich kann es nicht oft genug sagen: Schütze dich! Gute Lüftung, Atemschutz beim Schleifen, Handschuhe. Und eine mega wichtige Sache: Brandgefahr! Mit Öl oder Lösemitteln getränkte Lappen können sich selbst entzünden! Breitee sie nach Gebrauch zum Trocknen flach im Freien aus oder pack sie in einen luftdicht verschlossenen Metalleimer. Wirf sie NIEMALS zusammengeknüllt in den Müll. Ich hab schon Werkstätten brennen sehen wegen so einer Unachtsamkeit.

Ach ja, und die Entsorgung: Leere Lackdosen und ausgehärtete Pinsel gehören in den Restmüll. Flüssige Lackreste sind Sondermüll und müssen zum örtlichen Wertstoffhof. Die trockenen, ungefährlichen Lappen können dann auch in den Hausmüll.

Manchmal ist es übrigens auch eine gute Entscheidung, die Geschichte eines Stückes zu ehren, anstatt es in modernem Grau zu streichen. Nicht alles, was alt ist, muss brandneu aussehen. Gerade die gelebten Spuren machen oft den Charakter aus.

Wenn du diese Schritte befolgst, wirst du nicht nur ein schönes, sondern auch ein haltbares Ergebnis erzielen. Nimm dir die Zeit, sei sorgfältig und hab Spaß dabei. Das fertige Stück wird dich jeden Tag daran erinnern und dich mit Stolz erfüllen.