Wandern auf Mallorca: Dein ehrlicher Guide für die Berge abseits vom Ballermann
Die meisten denken bei Mallorca an was? Genau: Blauer Himmel, Sandstrände, das Meer. Postkarten-Idylle pur. Aber ganz ehrlich, wer einmal von den typischen Wegen abbiegt, entdeckt eine völlig andere, faszinierende Welt. Eine wilde, raue und unglaublich schöne Insel.
Inhaltsverzeichnis
Besonders die Serra de Tramuntana, die als UNESCO-Welterbe geschützt ist, ist ein echtes Gebirge. Das hat nichts mit einem gemütlichen Waldspaziergang im Schwarzwald zu tun, das kann ich dir versprechen. Ich habe hier schon alles erlebt: Plötzliche Wetterstürze aus dem Nichts, glühende Hitze und Wanderer in Turnschuhen, die komplett die Orientierung verloren haben. Deshalb schreibe ich das hier – nicht, um dir Angst zu machen, sondern um mein Wissen zu teilen. Damit deine Tour in den Bergen zu einer unvergesslichen Erinnerung wird und nicht in einem Rettungseinsatz endet.
Die Basics: Ohne die geht gar nichts
Bevor wir über coole Routen sprechen, müssen wir über das Fundament reden. Eine gute Vorbereitung ist kein Luxus, sondern eine absolute Notwendigkeit. Der Berg verzeiht keine Nachlässigkeit. Das ist die erste und wichtigste Regel.

Das Gestein: Warum Kalkstein alles verändert
Die Tramuntana besteht hauptsächlich aus Kalkstein. Klingt erstmal nicht so spannend, ist für uns Wanderer aber eine entscheidende Info. Dieser Stein hat nämlich zwei Gesichter. Bei Trockenheit ist er super griffig, aber oft auch messerscharf. Ein falscher Tritt, und deine Schuhsohle oder deine Hand ist aufgeritzt. Ich hab schon teure Jacken an Felskanten zerfetzen sehen.
Viel gefährlicher wird es aber bei Nässe. Schon bei leichtem Nieselregen oder Morgentau verwandelt sich der Kalkstein in eine spiegelglatte Rutschbahn. Wege, die gestern noch einfach waren, werden dann zu einer echten Herausforderung. Das Gestein ist zudem extrem porös, ein sogenanntes Karstgebirge. Wasser versickert sofort. Verlass dich also niemals darauf, unterwegs eine Quelle zu finden, auch wenn sie auf der Karte eingezeichnet ist. Im Sommer sind die meisten sowieso ausgetrocknet.
Die richtige Ausrüstung: Was wirklich in den Rucksack gehört
Ich sehe so oft Leute mit winzigen Rucksäckchen und einer 0,5-Liter-Wasserflasche starten. Das ist, ehrlich gesagt, leichtsinnig. Deine Ausrüstung ist deine Lebensversicherung. Hier ist eine Liste, die ich für jede Tagestour in der Tramuntana für unverzichtbar halte:

- Feste Wanderschuhe: Und zwar knöchelhohe! Sie schützen vor dem Umknicken auf dem losen Geröll und vor den scharfen Felsen. Eine gute Profilsohle ist Pflicht. Turnschuhe oder Sneaker sind hier fehl am Platz.
- Wanderstöcke: Ein oft unterschätzter Helfer. Gerade beim Abstieg auf steilen Geröllpfaden schonen sie die Knie ungemein und geben dir die nötige Stabilität. Ein kleiner Tipp: Teleskopstöcke aus leichtem Aluminium kosten nicht die Welt (ca. 30-50 €) und passen an jeden Rucksack.
- Wasser, Wasser, Wasser: Das Wichtigste überhaupt. Rechne mit mindestens 2 Litern pro Person. An heißen Tagen, also von Mai bis September, sind 3 bis 4 Liter realistisch. Dehydration ist die häufigste Ursache für Notfälle.
- Navigation: Ein Handy mit GPS ist gut, eine richtige Wanderkarte und ein Kompass als Backup sind besser. In vielen Schluchten und Tälern gibt es schlicht keinen Empfang. Ich schwöre auf die Karten von Editorial Alpina im Maßstab 1:25.000. Die sind super detailliert und bekommst du in den meisten Buchläden in Palma oder online für ca. 12 €.
- Kleiner Technik-Tipp: Ich weiß, du nimmst eh dein Handy. Lade dir die Offline-Karten für deine Route bei Apps wie Komoot oder AllTrails runter, SOLANGE du noch WLAN im Hotel hast. Und pack unbedingt eine volle Powerbank ein! Der GPS-Empfang saugt den Akku leer.
- Sonnenschutz: Hut oder Kappe, Sonnencreme, Sonnenbrille. Die Sonne hat hier eine enorme Kraft, auch wenn Wolken am Himmel sind.
- Erste-Hilfe-Set: Klein, aber oho. Blasenpflaster (wirst du mir danken!), Desinfektionsspray, Pflaster, eine elastische Binde und persönliche Medikamente. Eine Signalpfeife wiegt nichts, aber ihr Ton trägt weiter als jeder Schrei.
- Proviant: Energieriegel, Nüsse, Obst. Etwas, das schnell Energie liefert. Plane immer eine Notration mehr ein, falls die Tour doch mal länger dauert.
- Kleidung: Das Zwiebelprinzip ist dein bester Freund. Auch im Sommer kann es auf den Gipfeln kühl und windig werden. Eine leichte, aber wind- und wasserdichte Jacke gehört immer in den Rucksack.
Ein Fehler, den ich ständig sehe: Leute sparen am Gewicht beim Wasser, packen aber unnötigen Kram ein. Jedes Gramm zählt, aber Wasser ist absolut unverhandelbar.

Die Logistik: Wann ist die beste Zeit und wie kommst du hin?
Ganz wichtige Frage, die oft vergessen wird. Die absolut beste Zeit zum Wandern auf Mallorca ist von Februar bis Mai und dann wieder von September bis November. Im Frühling blüht alles, im Herbst ist das Licht magisch und die Temperaturen sind perfekt. Im Hochsommer (Juni-August) ist es für die meisten Touren einfach zu heiß.
Und wie kommst du zu den Startpunkten? Ehrlich gesagt, ein Mietwagen ist fast unerlässlich. Viele Ausgangspunkte, gerade in der Tramuntana, sind mit öffentlichen Bussen nur schwer oder gar nicht zu erreichen. Das gibt dir die Flexibilität, früh zu starten. Kleiner Tipp: An beliebten Startpunkten wie am Cúber-Stausee oder bei Lluc solltest du am Wochenende vor 9 Uhr da sein, sonst wird’s eng mit dem Parken.
Ausgewählte Touren: Vom Einsteiger bis zum Gipfelstürmer
Ich hab hier mal vier Touren rausgesucht, die den Charakter Mallorcas super zeigen. Sie haben ganz unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, also sei ehrlich zu dir selbst, was deine Kondition und Erfahrung angeht. Damit du dir ein Bild machen kannst: Das Spektrum reicht von einer gemütlichen 3-Stunden-Runde mit rund 450 Höhenmetern bis zur knackigen 6-Stunden-Gipfeltour, die dir alles abverlangt.

1. Für den Einstieg: Die Halbinsel La Victòria bei Alcúdia
Diese Tour ist ideal, um ein Gefühl für das mallorquinische Gelände zu bekommen. Sie ist nicht zu lang, gut markiert und bietet fantastische Ausblicke, ohne dass du dich in alpine Gefahren begibst.
- Die Fakten: ca. 8 km | 450 Höhenmeter | 3-4 Stunden Gehzeit
- Charakter: Ein stetiger, aber moderater Anstieg durch duftende Kiefernwälder. Der Weg ist steinig, aber gut begehbar. Oben auf dem Gipfel des Talaia d’Alcúdia (446 m) stehst du bei den Ruinen eines alten Wachturms und überblickst die Buchten von Pollença und Alcúdia. Ein perfekter Ort, um die Karte rauszuholen und die Landschaft zu verstehen.
- Besonderheit: Der Abstecher zur Platja des Coll Baix ist verlockend, aber der Abstieg ist steil und erfordert Trittsicherheit. Belohnt wirst du mit einem oft menschenleeren Kieselstrand. Aber Achtung: Der Wiederaufstieg von der Bucht hat es in sich!
- Mein Rat: Mach diese Tour an einem klaren Tag, die Aussicht ist der Hauptgewinn. Nimm Badesachen mit, aber plane genug Kraft für den Rückweg ein.

2. Die klassische Herausforderung: Der Puig de Tomir
Der Tomir (1.103 m) ist ein richtiger Berg, einer der markantesten Gipfel der Tramuntana. Diese Tour ist lang, anspruchsvoll und enthält leichte Kletterpassagen. Nichts für Anfänger oder Menschen mit Höhenangst!
- Die Fakten: ca. 9 km | 850 Höhenmeter | 5-6 Stunden Gehzeit
- Charakter: Der Aufstieg ist unerbittlich, erst durch Wald, dann über steile Geröllfelder und scharfkantiges Karstgestein. Fühlt sich an wie eine Mondlandschaft.
- Technik & Sicherheit: An einer Stelle ist der Weg mit einer Kette und Trittbügeln gesichert. Kein Klettersteig, aber du musst die Hände zu Hilfe nehmen. Oben auf dem Plateau kann bei Nebel die Orientierung extrem schwer werden. Verlass dich hier nicht auf dein Gefühl, sondern auf Karte und Kompass (oder dein GPS-Backup).
- Kleiner Realitätscheck: Ich stand da mal mit einer Gruppe im Oktober, gestartet bei 25 Grad und Sonnenschein. Zwei Stunden später hatten wir Graupelschauer und 5 Grad. Da waren alle froh über ihre Jacke im Rucksack! Das Wetter hier oben ist kein Scherz.

3. Wild und abgelegen: Der Naturpark Llevant
Der Osten der Insel ist anders. Die Berge sind niedriger, die Landschaft ist trockener und ursprünglicher. Der Naturpark bietet Einsamkeit und ein ganz anderes Wandererlebnis.
- Die Fakten (zur Sa Tudossa): ca. 12 km | 550 Höhenmeter | 4-5 Stunden Gehzeit
- Charakter: Weite, offene Landschaften mit Zwergpalmen. Man wandert oft auf breiten Schotterwegen. Die Hitze kann hier im Sommer unbarmherzig sein, da es kaum Schatten gibt. Der Weg zum Gipfel Sa Tudossa (565 m) belohnt mit einer unglaublichen Rundumsicht.
- Besonderheit: Halte die Augen offen, mit etwas Glück kannst du hier Landschildkröten sehen. In der Nähe findest du auch die Ruinen eines ehemaligen Lagers, ein stummer Zeuge aus einer unruhigen Phase der Landesgeschichte, der zum Nachdenken anregt.
4. Die Meisterprüfung: Der Torrent de Pareis
Ich nehme diese Tour bewusst ans Ende. Und ich sage es ganz klar: Das ist keine Wanderung. Es ist eine anspruchsvolle, alpine Schluchtenquerung. Versuch das niemals auf eigene Faust, ohne Erfahrung und ohne einen zertifizierten Guide.
- Die Warnung: Jedes Jahr müssen hier Menschen ausgeflogen werden, weil sie die Schwierigkeiten unterschätzen. Die Tour erfordert Klettern, das Überwinden riesiger Felsblöcke und das Durchqueren von Wasserlöchern.
- Die Gefahr: Die größte Gefahr sind Sturzfluten. Wenn es in den Bergen regnet, auch kilometerweit entfernt, kann sich die Schlucht innerhalb von Minuten in einen reißenden Fluss verwandeln. Es gibt dann kein Entkommen.
- Mein dringender Appell: Genieße die Mündung der Schlucht bei Sa Calobra, das ist ein beeindruckender Ort. Aber überlass die Durchquerung den Profis. Es gibt spezialisierte Canyoning-Guides, die dich sicher durchbringen. Rechne hier mit Kosten zwischen 60 € und 80 € pro Person – jeden Cent wert für deine Sicherheit. Seine eigenen Grenzen zu kennen, ist die wichtigste Fähigkeit am Berg.
Ein letztes Wort vom Berg
Mallorca ist ein absolutes Wanderparadies, wenn man es mit dem nötigen Respekt behandelt. Jede Tour ist anders – das Licht, die Gerüche, das Knirschen des Schotters unter den Stiefeln. Das sind die Dinge, die hängen bleiben.
Also, geh gut vorbereitet los. Sei ehrlich zu dir selbst. Und wenn du unsicher bist, frag einen Profi oder wähl eine einfachere Route. Der Berg läuft dir nicht weg. Er wird auch nächstes Jahr noch da sein.
Pass gut auf dich auf!
