Produktfotos, die wirklich verkaufen: Dein ehrlicher Werkstatt-Guide
Ganz ehrlich? Ich erinnere mich noch gut an meinen allerersten Auftrag als junger Fotograf. Ein Tischler aus der Gegend bat mich, seine handgemachten Stühle abzulichten. Klingt einfach, dachte ich. Ich hatte ’ne gute Kamera, ein Gefühl für den Bildausschnitt – was sollte schon schiefgehen? Tja, so ziemlich alles. Die Bilder waren eine absolute Enttäuschung. Das Holz wirkte tot und flach, von der schönen Maserung war kaum was zu sehen, und die Schatten waren bretthart. Der Meister war super höflich, aber ich hab die Enttäuschung in seinen Augen gesehen. Autsch. Das war eine harte, aber verdammt wichtige Lektion für mich.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Das A und O: Warum Licht wirklich alles ist
- 2 Das richtige Werkzeug: Was du wirklich brauchst (und was nicht)
- 3 Dein erstes Setup: So einfach geht’s mit nur einer Lampe
- 4 Typische Anfänger-Fails (und wie du sie sofort löst)
- 5 Materialkunde für Fortgeschrittene: Jedes Produkt tickt anders
- 6 Kein Budget? Kein Problem! Dein Do-It-Yourself-Studio
- 7 Wann du doch einen Profi rufen solltest
Produktfotografie ist echtes Handwerk. Es geht nicht darum, irgendwas künstlich „schön“ zu machen. Es geht darum, ein Produkt ehrlich, klar und wertig zu zeigen, sodass der Kunde denkt: „Wow, das will ich haben.“
In meiner langen Zeit als Fotografenmeister hab ich viele Leute kommen und gehen sehen, und die Anfangsfehler sind fast immer dieselben. Man verlässt sich zu sehr auf die teure Kamera oder denkt, man könne alles in der Nachbearbeitung retten. Aber das Fundament für ein starkes Produktfoto, das legst du, bevor du überhaupt auf den Auslöser drückst. Es entsteht durch das Verstehen von Licht, Material und Form. Dieser Guide hier ist also keine Sammlung von billigen Tricks, sondern ein ehrlicher Blick in die Werkstatt.

Das A und O: Warum Licht wirklich alles ist
Jeder kann heute eine Kamera bedienen, keine Frage. Aber Licht zu verstehen, es zu formen und gezielt einzusetzen – das ist die eigentliche Kunst und das Herzstück unserer Arbeit. Ohne das bleiben deine Bilder reine Zufallstreffer. Und im E-Commerce können wir uns Zufall einfach nicht leisten. Wir brauchen Ergebnisse, die wir immer wieder exakt so hinbekommen.
Hartes vs. weiches Licht: Der kleine, aber feine Unterschied
Stell dir mal eine nackte Glühbirne vor, die von der Decke hängt. Sie wirft knallharte, dunkle Schatten. Das nennen wir „hartes Licht“. Denk an die pralle Mittagssonne – genau der gleiche Effekt. Für manche technischen Produkte mag das mal passen, aber meistens schreit es einfach nur „billig“ und betont jeden winzigen Kratzer gnadenlos.
Und jetzt stell dir einen komplett bewölkten Himmel vor. Das Licht kommt von überall, es gibt keine klare Quelle. Die Schatten sind sanft, die Übergänge total weich. Das ist „weiches Licht“, und für 90 % aller Produktfotos ist das unser heiliger Gral. Es umschmeichelt das Produkt, lässt es hochwertig und angenehm aussehen.

Kleiner Praxistest gefällig? Probier’s sofort aus: Halt deine Hand unter eine Schreibtischlampe. Siehst du den scharfen Schatten? Jetzt nimm ein einfaches Blatt Druckerpapier und halte es zwischen Lampe und Hand. Merkst du, wie der Schatten sofort weicher und diffuser wird? Siehst du? Das ist das ganze Geheimnis!
Im Studio erzeugen wir weiches Licht gezielt mit großen Softboxen. Das sind im Grunde Lampen mit einer großen, weißen Stofffläche davor. Ein super einfacher Trick für den Anfang: Häng ein weißes Bettlaken vor ein sonniges Fenster. Zack, schon hast du eine riesige, kostenlose Softbox.
Achtung, Mischlicht! Das Problem mit der Farbtemperatur
Licht hat eine Farbe, auch wenn unser Gehirn das super ausgleicht. Eine Kamera kann das nicht. Tageslicht ist eher kühl und bläulich (gemessen in Kelvin, so um die 5500 K), während die klassische Glühbirne warm und gelb-orange ist (ca. 2700 K). Wenn du jetzt beides mischst – also das Fenster offen lässt und gleichzeitig die Deckenlampe anmachst – hat deine Kamera ein riesiges Problem. Ein Teil deines Produkts bekommt einen Blaustich, der andere einen Gelbstich. Das sieht unprofessionell aus und lässt sich später kaum noch reparieren.

Die goldene Regel lautet daher: Entscheide dich für EINE Art von Lichtquelle. Entweder nur Tageslicht vom Fenster. Oder nur deine Blitze. Oder nur LED-Lampen mit der exakt gleichen Kelvin-Zahl. Mach die Deckenlampe aus und verdunkle die Fenster, wenn du mit Kunstlicht arbeitest. Nur so bekommst du saubere, konsistente Farben.
Das richtige Werkzeug: Was du wirklich brauchst (und was nicht)
Gutes Werkzeug macht die Arbeit leichter und die Ergebnisse besser. Es geht aber nicht darum, das teuerste Zeug zu kaufen, sondern das richtige – und zu wissen, wie man damit umgeht.
Kamera und Objektiv: Präzision schlägt Megapixel
Die Megapixel-Zahl ist heute fast schon egal. Jede moderne Kamera hat genug Auflösung. Viel wichtiger sind andere Dinge:
- Der manuelle Modus (M): Vergiss die Automatik. Für Produktfotos brauchst du die volle Kontrolle über Blende, Verschlusszeit und ISO. Nur so stellst du sicher, dass jedes Bild einer Serie exakt gleich belichtet ist.
- Das Objektiv: Das ist ehrlich gesagt wichtiger als der Kamerabody. Die mitgelieferten Kit-Objektive sind immer ein Kompromiss. Für richtig scharfe, unverzerrte Bilder greifen Profis zu Festbrennweiten. Für Produktfotos sind Brennweiten zwischen 50 mm und 100 mm ideal. Ein Weitwinkel verzerrt die Proportionen, das Produkt sieht dann schnell seltsam „bauchig“ aus.
- Kleiner Tipp zur Objektivwahl: Ein 50mm-Objektiv (eine gute, lichtstarke Variante gibt’s oft schon für 150-250 €) ist super für Produkte von der Größe einer Kaffeetasse oder eines Buches. Für kleinere Sachen wie Schmuck oder Uhren ist ein 100mm-Makroobjektiv Gold wert, weil du damit mehr Abstand halten kannst und trotzdem alle Details gestochen scharf bekommst.

Das Stativ: Dein wichtigster Mitarbeiter
Wurde ich mal gefragt, was die wichtigste Anschaffung für den Start sei. Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: ein stabiles Stativ! Nicht die Kamera. Ein wackeliges Billig-Stativ für 30 Euro ist rausgeschmissenes Geld und sorgt nur für Frust. Ein gutes Stativ ist die Basis für alles. Es erlaubt dir, mit einem niedrigen ISO-Wert (für beste Bildqualität) und geschlossener Blende (für mehr Schärfe im Bild) zu arbeiten. Die Kamera bewegt sich keinen Millimeter. Punkt.
Was kostet der Spaß? Rechne für ein anständiges Aluminium-Stativ mit einem vernünftigen Kugelkopf mal mit 80 € bis 150 €. Das ist eine Investition, die sich tausendfach auszahlt.
Dein erstes Setup: So einfach geht’s mit nur einer Lampe
Du brauchst kein riesiges Studio, um loszulegen. Ein fantastisches Produktfoto lässt sich oft mit nur einer einzigen Lichtquelle erstellen. Hier ist ein klassischer Aufbau, den ich jedem Anfänger zeige.
Stell dir das mal bildlich vor:

- Der Untergrund: Nimm einen großen Bogen weißen Fotokarton (kostet im Bastelladen ein paar Euro) und leg ihn auf einen Tisch. Lass ihn an der Wand dahinter sanft nach oben laufen, sodass ein Bogen entsteht. So vermeidest du eine hässliche Kante im Hintergrund.
- Die Position: Platziere dein Produkt mittig auf dem Karton, mit etwas Abstand zur „Wand“.
- Das Licht: Deine Lampe (am besten mit einer Softbox oder einfach das Fenster) positionierst du seitlich und leicht von oben, in einem 45-Grad-Winkel zum Produkt. Das schafft eine schöne Dreidimensionalität mit einer hellen und einer schattigen Seite.
- Die Aufhellung: Die Schattenseite ist jetzt wahrscheinlich zu dunkel. Kein Problem! Nimm eine einfache Styroporplatte aus dem Baumarkt (ca. 2-3 €). Halte sie auf der Seite gegenüber vom Licht. Je näher du sie an dein Produkt bewegst, desto heller werden die Schatten. Das ist dein Gaspedal für den Kontrast!
- Die Kamera: Die steht natürlich auf dem Stativ. Wähle den niedrigsten ISO-Wert (meist 100 oder 200), eine Blende von f/8 oder f/11 für eine gute Schärfentiefe und passe dann die Belichtungszeit oder die Blitzleistung an, bis alles passt.
Profi-Tipp: Arbeite „tethered“, also mit einem Kabel von der Kamera direkt zum Laptop. So siehst du das Bild sofort groß auf dem Monitor und kannst Schärfe und Licht viel besser beurteilen. Viele Kamerahersteller (Canon, Nikon, Sony…) bieten dafür sogar kostenlose Software an. Das spart unglaublich viel Zeit!
Typische Anfänger-Fails (und wie du sie sofort löst)
Es gibt so ein paar Klassiker, über die jeder am Anfang stolpert. Hier sind die häufigsten Probleme und die einfachen Lösungen dafür.
- „Hilfe, mein weißer Hintergrund ist im Foto immer grau!“
Kenne ich! Das liegt daran, dass die Belichtungsautomatik deiner Kamera aus der großen weißen Fläche ein mittleres Grau machen will. Die Lösung ist simpel: Nutze die Belichtungskorrektur (das kleine „+/-“ Symbol) und stell sie auf +1 oder sogar +1.5. Trau dich! Schon wird Weiß auch auf dem Foto strahlend weiß. - „Ich sehe meine eigene Spiegelung im Produkt!“
Passiert ständig bei glänzenden Oberflächen. Der Trick: Zieh am besten etwas Dunkles, Unifarbenes an. Fotografiere aus einem etwas steileren Winkel von oben. Wenn das nicht reicht, nimm einen großen schwarzen Karton, schneide ein Loch für dein Objektiv rein und halte ihn vor die Kamera. So schirmst du unerwünschte Reflexionen ab.
Materialkunde für Fortgeschrittene: Jedes Produkt tickt anders
Jedes Material reagiert komplett anders auf Licht. Das zu wissen, ist pures Erfahrungswissen, aber hier sind ein paar Grundlagen:
- Glänzendes Metall & Glas: Willkommen in der Königsklasse! Hier fotografierst du eigentlich nicht das Objekt, sondern seine Spiegelungen. Die Kunst ist es, die Umgebung so zu gestalten, dass die Reflexionen die Form des Produkts elegant nachzeichnen. Man arbeitet hier viel mit weißen und schwarzen Kartons, um gezielt Lichtkanten zu erzeugen. Ein Polfilter am Objektiv kann auch Wunder wirken.
- Matte Stoffe & Keramik: Diese Materialien schlucken förmlich das Licht. Hier ist seitliches Streiflicht dein bester Freund, um die Textur und die Faserstruktur richtig schön herauszuarbeiten. Licht von vorne würde alles platt und langweilig aussehen lassen.
- Holz: Die Maserung ist der Star. Auch hier gilt: weiches, seitliches Licht. Das betont die feinen Linien und die Tiefe des Materials. Manchmal hilft ein Hauch wärmeres Licht, um die natürliche Farbe des Holzes noch schöner zu machen.
Kein Budget? Kein Problem! Dein Do-It-Yourself-Studio
Du brauchst kein Studio für 10.000 Euro, um anzufangen. Mit ein paar cleveren Dingen aus dem Baumarkt oder Haushalt kommst du schon verdammt weit.
Ein großes, nach Norden ausgerichtetes Fenster ist die beste Lichtquelle, die es gibt. Es liefert den ganzen Tag über weiches, konstantes Licht ohne harte Sonnenschlieren. Richte dein Set direkt daneben ein. Das Fenster ist deine Softbox, ein weißer Karton dein Aufheller. Mehr brauchst du oft gar nicht.
Schau dich mal im Baumarkt um: Eine einzelne Schieferfliese für 10 € kann ein unglaublich edler Untergrund sein. Eine alte Holzdiele vom Sperrmüll? Perfekt für rustikale Produkte. Kleine Leimzwingen und Klemmen sind unbezahlbar, um Aufheller oder Stoffe genau da zu halten, wo du sie brauchst. Und ein kleiner Klumpen Haftwachs (so eine Art Knete) ist der Geheimtipp, um kleine Produkte unsichtbar in der perfekten Position zu fixieren.
Wann du doch einen Profi rufen solltest
Jetzt mal Hand aufs Herz. Wenn dein Online-Shop dein Haupteinkommen sichert und du in einem hart umkämpften Markt unterwegs bist, ist die Investition in einen professionellen Produktfotografen fast immer die klügere Entscheidung. Ein Profi bringt nicht nur das Wissen und das Equipment mit, sondern auch die Effizienz und die Erfahrung, um konstant Ergebnisse auf höchstem Niveau zu liefern.
Gute Produktfotos sind keine reinen Kosten, sie sind eine direkte Investition in deinen Verkaufserfolg. Für den Start, für Social Media oder interne Zwecke kannst du mit den Techniken hier aber schon verdammt viel reißen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eine kluge unternehmerische Entscheidung, zu wissen, wann man eine Aufgabe abgibt.