Retro-Tapeten: Dein Guide für Wände mit Wow-Effekt – ohne die typischen Anfängerfehler

von Augustine Schneider
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Trends kommen und gehen, das sehe ich in meinem Job jeden Tag. Aber ganz ehrlich? Die richtig guten Muster, die bleiben. Und gerade erleben die Designs der 60er und 70er ein riesiges Comeback. Große Blumen, coole grafische Formen, kräftige Farben – ich verstehe total, warum so viele wieder Bock darauf haben. Das schafft einfach eine mega Atmosphäre und hat Charakter.

Aber Achtung: Eine Mustertapete, besonders im Retro-Stil, ist wie eine ehrliche Haut. Sie zeigt jeden kleinen Fehler. Im Internet sieht das Tapezieren immer so kinderleicht aus, aber in der Realität trennt sich da schnell die Spreu vom Weizen. Ein unsauberer Untergrund, der falsche Kleister oder eine nur ganz leicht schiefe erste Bahn, und der Traum vom stylishen Wohnzimmer platzt. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viele verzweifelte Anrufe ich schon von Heimwerkern bekommen habe, die am versetzten Musteransatz gescheitert sind.

Deshalb gibt’s hier mal Klartext aus der Praxis. Wir reden nicht nur über schicke Muster, sondern über das Handwerk dahinter. Von der schonungslosen Prüfung deiner Wand bis zum letzten sauberen Schnitt am Lichtschalter. Damit dein Projekt am Ende auch wirklich wie vom Profi aussieht.

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Erstmal Klartext: Was kostet der Spaß und was brauchst du wirklich?

Bevor du losrennst, lass uns kurz über Geld und Werkzeug reden. Das erspart dir Frust und den dritten Gang zum Baumarkt.

Preislich ist die Spanne riesig. Einfache Papiertapeten im Retro-Look kriegst du manchmal schon für 20-30 € pro Rolle. Für eine hochwertige Vliestapete von bekannten Marken solltest du aber eher mit 40 € bis 80 € rechnen, nach oben offen. Dazu kommen noch die Nebenkosten: Ein guter Vlieskleister kostet um die 15 €, Tiefengrund ca. 20 € für einen großen Eimer und Spachtelmasse vielleicht einen Zehner. Plane also lieber ein kleines Budget-Polster ein.

Und hier ist deine Einkaufsliste – das brauchst du wirklich:

  • Für die Vorbereitung: Spachtel, Schleifpapier (Körnung 120 und 180), Abdeckfolie, Klebeband, Eimer, Schwamm, Gipsspachtelmasse und ganz wichtig: Tapeziergrund oder Tiefengrund.
  • Zum Entfernen der alten Tapete: Ein Tapetenigel (Stachelwalze) und ein guter Tapetenlöser wirken Wunder. Ein Dampfablöser zur Miete (ca. 25 € pro Tag im Baumarkt) kann dir bei mehreren Schichten das Leben retten.
  • Zum Tapezieren: Ein scharfes Cuttermesser mit Ersatzklingen (wichtig!), eine große Tapezierschere, ein Zollstock, ein Bleistift, eine Wasserwaage (am besten eine lange) oder ein Senklot, eine Kleisterbürste oder Rolle, eine Tapezierbürste zum Andrücken und ein kleiner Nahtroller.

Ein kleiner Tipp: Ein Tapeziertisch ist super praktisch, aber wenn du nur Vliestapeten verarbeitest, wo du die Wand einkleisterst, kommst du notfalls auch ohne aus.

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Das Material verstehen: Papier, Vlies oder Vinyl?

Die Originaltapeten von damals waren meist aus Papier. Heute haben wir zum Glück eine bessere Auswahl, die uns die Arbeit deutlich erleichtert. Welches Material du wählst, entscheidet alles Weitere.

Papiertapeten: Der authentische Klassiker

Sie bestehen, wie der Name schon sagt, aus bedrucktem Papier. Fühlt sich oft sehr authentisch an, ist aber auch die Diva unter den Tapeten. Du musst die Tapetenbahn einkleistern und dann eine exakte „Weichzeit“ einhalten. Das sind meist 5-8 Minuten, in denen das Papier aufquillt. Hältst du dich nicht exakt an die Zeit, dehnt sich jede Bahn anders und dein schönes Muster passt an der Naht vorne und hinten nicht mehr. Das erfordert echt Disziplin und am besten eine Stoppuhr!

Vliestapeten: Der moderne Liebling (und meine Empfehlung für Anfänger)

Ganz ehrlich? Das ist das Material der Wahl für fast alle modernen Mustertapeten. Der Träger aus Zellstoff- und Textilfasern ist extrem formstabil. Heißt: kein Dehnen, kein Schrumpfen, keine Weichzeit! Hier kommt die Wandklebetechnik zum Einsatz: Du kleisterst die Wand ein und legst die trockene Bahn direkt ins Kleisterbett. Korrekturen? Kein Problem! Einfach die Bahn nochmal abziehen und neu ansetzen. Das ist sauberer, schneller und viel fehlertoleranter.

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Einziger kleiner Nachteil: Bei sehr hellen oder dünnen Vliestapeten kann ein fleckiger Untergrund durchscheinen. Deshalb ist hier ein weiß pigmentierter Tapeziergrund Gold wert.

Vinyltapeten: Die robuste Lösung

Diese Tapeten haben eine Kunststoffbeschichtung (PVC) auf einem Papier- oder Vliesträger. Das macht sie super strapazierfähig und sogar abwaschbar – perfekt für den Flur oder die Küche. Viele strukturierte Retro-Muster mit 3D-Effekt sind Vinyltapeten. Ob du die Wand oder die Bahn einkleistern musst, hängt vom Trägermaterial ab (steht immer auf dem Etikett). Wegen der dichten Oberfläche sind sie allerdings nicht atmungsaktiv, also in schimmelgefährdeten Räumen eher mit Vorsicht zu genießen.

Die Vorbereitung: 80 Prozent des Erfolgs, bevor die erste Rolle auf ist

Diesen Satz brenne ich jedem meiner Azubis ein: „Die teuerste Tapete ist nur so gut wie die Wand dahinter.“ Eine glänzende oder gemusterte Tapete verzeiht absolut nichts. Jede Delle, jeder Schatten vom Spachtel wird später, besonders bei seitlichem Licht vom Fenster, sichtbar sein. Plane für die Vorbereitung also mindestens genauso viel Zeit ein wie für das Tapezieren selbst. Für einen 20-Quadratmeter-Raum kann das als Laie schon mal ein ganzes Wochenende dauern.

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Schritt 1: Alles muss runter!
Niemals, wirklich NIEMALS auf eine alte Tapete tapezieren. Der neue Kleister weicht die alte auf und es gibt Blasen und offene Nähte. Alte Tapeten mit einer Stachelwalze perforieren, mit Tapetenlöser einsprühen und nach dem Einweichen abziehen.

Schritt 2: Spachteln und Schleifen wie ein Weltmeister
Alle Löcher und Risse sauber zuspachteln. Nach dem Trocknen wird die Wand glatt geschliffen. Profis sprechen hier von Qualitätsstufen. Q2 ist eine „normal“ verspachtelte Wand, ausreichend für Raufaser. Für eine Mustertapete brauchst du aber mindestens Q3. Das bedeutet, die ganze Fläche wird nochmal dünn mit einem Feinspachtel überzogen und superglatt geschliffen. Stell es dir so vor: Q2 ist eine ordentliche Landstraße, Q3 ist eine spiegelglatte Rennstrecke. Deine Retro-Tapete ist der Formel-1-Wagen – wo fährt er besser?

Schritt 3: Die Grundierung – der heimliche Held
Der am häufigsten vergessene und doch wichtigste Schritt! Ohne Grundierung saugt der Putz den Kleister auf wie ein Schwamm. Die Tapete haftet nicht richtig, die Nähte gehen auf. Mein Favorit ist weiß pigmentierter Tapeziergrund. Er sorgt für eine gleichmäßige Saugfähigkeit UND einen einheitlich hellen Untergrund. So scheinen keine dunklen Flecken durch.

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Achtung: Normale Wandfarbe ist keine Grundierung! Sie versiegelt die Wand zu sehr, der Kleister kann sich nicht „verkrallen“.

Die Technik: So kommt das Muster ohne Nervenzusammenbruch an die Wand

Jetzt wird’s ernst. Aber keine Panik, mit System klappt das.

Den „Rapport“ verstehen

Auf dem Tapeten-Etikett findest du Symbole zum Musteransatz, dem Rapport. Der verrät dir, wie es geht.

  • Gerader Ansatz: Easy. Jede Bahn ist identisch. Du schneidest alle Bahnen gleich lang zu.
  • Versetzter Ansatz: Die häufigste und kniffligste Variante. Hier steht sowas wie „64/32“. Das heißt: Das Muster wiederholt sich alle 64 cm (Rapport) und die nächste Bahn muss um 32 cm (Versatz) nach oben oder unten verschoben werden.

Meisters Goldene Regel: Bei Mustertapeten hast du viel mehr Verschnitt. Kauf IMMER eine Rolle mehr, als du ausgerechnet hast. Nichts ist ärgerlicher, als wenn am Ende eine Bahn fehlt. Und ganz wichtig: Achte darauf, dass alle Rollen dieselbe Anfertigungs- oder Chargennummer haben, sonst kann es zu leichten Farbunterschieden kommen!

Die erste Bahn ist die wichtigste

Verlass dich niemals auf Raumecken oder Fensterrahmen, die sind fast nie gerade. Zeichne dir mit einer Wasserwaage oder einem Senklot eine exakt senkrechte Startlinie an die Wand. An dieser Linie richtest du deine allererste Bahn aus. Wenn die sitzt, werden die anderen auch gerade.

Die Naht – Kante an Kante

Moderne Tapeten werden auf Stoß geklebt, also Kante an Kante, ohne Überlappung. Mit einem kleinen Nahtroller aus Moosgummi drückst du die Kanten sanft an. Wenn etwas Kleister aus der Naht quillt: sofort mit einem sauberen, feuchten Schwamm abtupfen, nicht wischen! Sonst gibt es glänzende Stellen.

Spezialfälle meistern: Ecken und Steckdosen

Kein Raum ist perfekt. Hier ein paar Profi-Tricks.

Bei Innenecken nie eine ganze Bahn „um die Ecke“ kleben. Sie wird sich lösen. Lass die Bahn 1-2 cm überstehen. Die nächste Bahn klebst du dann überlappend in die Ecke und schneidest anschließend mit einem Cuttermesser und einer Metallschiene durch BEIDE Bahnen hindurch. Dann ziehst du die beiden abgeschnittenen Streifen ab und hast eine perfekte, unsichtbare Naht. Das nennt man einen Doppelnahtschnitt.

Bei Steckdosen und Lichtschaltern gilt: Sicherheit zuerst! Sicherung raus, mit einem Spannungsprüfer checken, ob der Strom wirklich aus ist. Dann die Blenden abschrauben, einfach drüber tapezieren und danach die Öffnung kreuzweise einschneiden und sauber an der Kante der Unterputzdose entlang ausschneiden.

Wenn doch was schiefgeht: Erste Hilfe für Tapezier-Pannen

  • Blasen: Kleine Bläschen verschwinden oft beim Trocknen. Größere kannst du mit einer feinen Nadel aufstechen und die Luft rausstreichen. Wenn Kleister fehlt, kannst du mit einer Spritze etwas Kleister unterspritzen.
  • Offene Nähte: Passiert bei Zugluft oder zu wenig Kleister. Mit einem feinen Pinsel und speziellem Nahtkleber aus der Tube lässt sich das meist reparieren.

Eine Lektion, die ich nie vergesse: Bei einem Projekt mit einer sündhaft teuren Seidentapete haben wir im Winter alle Fenster zugelassen, um Zugluft zu vermeiden. Ein Riesenfehler! Die Feuchtigkeit vom Kleister konnte nicht weg, die Tapete trocknete tagelang nicht und warf riesige Beulen. Wir mussten alles abreißen. Seitdem weiß ich: Eine konstante Raumtemperatur um 18-20°C und eine leichte, zugfreie Belüftung sind ideal.

Eine Retro-Tapete verwandelt einen Raum komplett. Sie bringt Leben und Persönlichkeit an die Wand. Nimm dir die Zeit, arbeite sauber und mit Respekt vor dem Material. Dann schaffst du ein Ergebnis, auf das du wirklich stolz sein kannst und an dem du lange Freude haben wirst.

Augustine Schneider

Augustine ist eine offene und wissenshungrige Person, die ständig nach neuen Herausforderungen sucht. Sie hat ihren ersten Studienabschluss in Journalistik an der Uni Berlin erfolgreich absolviert. Ihr Interesse und Leidenschaft für digitale Medien und Kommunikation haben sie motiviert und sie hat ihr Masterstudium im Bereich Media, Interkulturelle Kommunikation und Journalistik wieder an der Freien Universität Berlin abgeschlossen. Ihre Praktika in London und Brighton haben ihren beruflichen Werdegang sowie ihre Weltanschauung noch mehr bereichert und erweitert. Die nachfolgenden Jahre hat sie sich dem kreativen Schreiben als freiberufliche Online-Autorin sowie der Arbeit als PR-Referentin gewidmet. Zum Glück hat sie den Weg zu unserer Freshideen-Redation gefunden und ist zurzeit ein wertvolles Mitglied in unserem motivierten Team. Ihre Freizeit verbringt sie gerne auf Reisen oder beim Wandern in den Bergen. Ihre kreative Seele schöpft dadurch immer wieder neue Inspiration und findet die nötige Portion innerer Ruhe und Freiheit.