Acrylglas für dein DIY-Projekt: Warum du den Unterschied zwischen XT und GS kennen MUSST

von Adele Voß
Anzeige

Ich stehe oft in meiner Werkstatt und sehe die unterschiedlichsten Materialien. Klar, Holz und Metall sind die Klassiker. Aber dann gibt es da dieses eine Material, das immer wieder für große Augen und noch größere Fragen sorgt: Acrylglas, vielen besser bekannt unter dem Markennamen Plexiglas®. Ein echt geniales Zeug – leicht, viel bruchfester als Glas und kristallklar. Aber ganz ehrlich? Ich sehe so oft Heimwerker, die mit einer Platte aus dem Baumarkt kommen, die Säge ansetzen und sich dann wundern, warum alles schmilzt, splittert oder einfach nur furchtbar aussieht.

Das Problem ist fast immer dasselbe. Es liegt nicht am Werkzeug und auch nicht am Handwerker, sondern an einer winzigen, aber entscheidenden Information: dem Unterschied zwischen extrudiertem (XT) und gegossenem (GS) Acrylglas. Für uns Profis ist das die allererste Frage, bevor wir auch nur einen Schnitt planen. Die Wahl zwischen XT und GS entscheidet über Sieg oder Niederlage deines Projekts. Damit du nicht die gleichen teuren Fehler machst wie ich am Anfang meiner Laufbahn (ja, auch ich hab schon eine teure Platte geschrottet!), teile ich hier mal mein Wissen aus der Praxis.

Transparente Sicht - schöne Acryglassplatten

Erst verstehen, dann machen: Was ist Acrylglas überhaupt?

Bevor wir die Säge anwerfen, ein kurzer Blick hinter die Kulissen. Acrylglas ist chemisch gesehen Polymethylmethacrylat (PMMA). Das ist ein Thermoplast. Klingt kompliziert, bedeutet aber nur: Wenn du es warm machst, wird es formbar, und wenn es abkühlt, wird es wieder fest. Super praktisch! Aber wie die Platte hergestellt wird, das ist der Knackpunkt.

Extrudiertes Acrylglas (XT) – Die günstige Variante

Stell dir das wie bei einer Zahnpastatube vor. Geschmolzenes Acrylgranulat wird durch eine breite Düse gedrückt. Heraus kommt eine lange, theoretisch endlose Platte, die dann einfach auf Länge geschnitten wird. Das Verfahren ist super effizient und schnell, weshalb XT-Platten die sind, die du meist günstiger im Baumarkt findest. Rechne mal mit Preisen zwischen 40€ und 70€ pro Quadratmeter für eine 4 mm dicke Platte.

Der Haken? Durch dieses Pressen richten sich die Molekülketten alle in eine Richtung aus. Das erzeugt eine fiese innere Spannung im Material. Und genau diese Spannung macht XT-Platten bei der Bearbeitung so zickig. Sie neigen dazu, an der Schnittkante zu schmelzen, können beim Bohren leichter reißen und die Dicke ist auch nicht immer 100%ig exakt. Für eine einfache Balkonverkleidung oder ein Tomatenhaus ist das aber oft völlig ausreichend.

Acryglassplatten - mehrere verschiedene Nuancen

Gegossenes Acrylglas (GS) – Die Königsklasse

Hier läuft das Ganze viel gemächlicher und aufwendiger ab. Das flüssige Ausgangsmaterial wird zwischen zwei makellose Glasplatten gegossen und härtet dann langsam in einem Ofen oder Wasserbad aus. Das dauert länger und ist teurer – hier liegst du für eine 4 mm Platte schnell bei 80€ bis 120€ pro Quadratmeter oder sogar mehr.

Aber der Aufpreis lohnt sich! Bei GS-Platten sind die Molekülketten total entspannt und kreuz und quer vernetzt. Das Ergebnis: quasi keine inneren Spannungen. Das Material ist viel homogener und lässt sich traumhaft bearbeiten. Sägen, fräsen, bohren – alles geht sauberer und ohne Schmelz-Dramen. Die Dickentoleranz ist minimal, was für passgenaue Möbelstücke oder Vitrinen unerlässlich ist. Ach ja, und wenn du Acrylglas kleben willst, ist GS die einzig richtige Wahl. Wenn ein Kunde ein hochwertiges Designerstück will, kommt bei mir nur GS auf den Tisch.

Kleiner Trick: XT oder GS – wie erkenne ich, was ich habe?

Du stehst vor einem Reststück und hast keine Ahnung, was es ist? Kein Problem, es gibt da ein paar Tricks:

Acryglassplatten - tolle gelbe Platten
  • Der Klopftest: Nimm einen Fingernagel oder einen kleinen Gegenstand und klopfe leicht auf die Platte. XT-Platten klingen eher hell und scheppernd, ein bisschen „plastikmäßig“. GS-Platten haben einen viel dumpferen, satteren und wertigeren Klang.
  • Die Schutzfolie: Das ist kein 100%iger Beweis, aber oft ein guter Hinweis. Günstige XT-Platten haben meist eine dünne, fast durchsichtige PE-Folie. Hochwertige GS-Platten werden oft mit einer dickeren, papierartigen Schutzfolie geliefert, die sich besser abziehen lässt.

Wenn du online bestellst, schau genau in die Produktbeschreibung oder auf den Lieferschein. Shops wie „Kunststoffplattenonline“ oder „Rexin“ geben das eigentlich immer klar an.

Ab in die Werkstatt: So bearbeitest du Acrylglas wie ein Profi

So, genug Theorie. Acrylglas verzeiht keine Hektik und falsches Werkzeug. Nimm dir Zeit, dann wird das Ergebnis auch super.

1. Der perfekte Zuschnitt

Das Sägen ist die erste Hürde. Eine Tischkreissäge mit einem speziellen Sägeblatt für Kunststoffe ist natürlich ideal. Diese Blätter haben eine besondere Zahnform (Trapez-Flachzahn), die das Material schneidet statt es herauszureißen. So ein Blatt kostet um die 40€, ist die Investition aber absolut wert!

Acryglassplatten - wunderbare Platten sehr helle Nuance

Drehzahl und Vorschub sind alles! Zu viel Drehzahl erzeugt Hitze, das Acryl schmilzt und verklebt dir das Sägeblatt. Zu langsam und es kann rattern und ausbrechen. Mein Tipp: Starte mit einer mittleren Drehzahl (bei einer Kreissäge so um die 3.000 U/min) und schiebe das Material gleichmäßig, aber zügig durch. Du hörst und fühlst, ob es passt. Der Span sollte fliegen, nicht schmieren. Ein weißer Grat an der Kante ist immer ein Alarmzeichen für zu viel Hitze.

Sicherheit zuerst: Immer Schutzbrille tragen! Die kleinen Späne sind verdammt scharf. Und lass die Schutzfolie so lange drauf wie nur irgendwie möglich, sie ist der beste Kratzschutz.

2. Präzise Löcher bohren

Ein Loch in Acrylglas zu bohren, ist heikler, als man denkt. Ein normaler Metallbohrer verkeilt sich, frisst sich ins Material und reißt auf der Unterseite ein riesiges Loch aus. Schlimmstenfalls springt die ganze Platte.

Du brauchst einen speziellen Acrylglasbohrer (findest du online für ca. 10-15€) oder musst einen HSS-Bohrer etwas anschleifen, um die Spitze flacher zu machen. Bohre mit geringer Drehzahl – fang mal mit 500 U/min an – und mit wenig Druck. Immer wieder den Bohrer anheben, damit die Späne raus können und das Loch abkühlt. Eine Holzplatte als Unterlage ist Pflicht, um Ausrisse zu vermeiden!

Alles in Beige Acryglassplatten

3. Kanten veredeln – von matt zu glasklar

Eine gesägte Kante ist immer matt. Aber wir wollen ja diese edle, glasklare Optik, oder? Das ist das Markenzeichen sauberer Arbeit.

Quick-Win für dich: Schnapp dir ein Reststück und zieh die Sägespuren einfach mit der Rückseite eines Cuttermessers (also der nicht-scharfen Seite) ab. Du wirst staunen, wie glatt die Kante allein dadurch schon wird! Das ist der erste Schritt.

Danach wird nass geschliffen. Fang mit 240er-Schleifpapier an und arbeite dich bis zu 1000er-Körnung hoch. Immer schön nass halten! Zum Schluss kommt Polierpaste für Acrylglas drauf und wird mit einem weichen Tuch oder einer Filzscheibe aufpoliert. Das Ergebnis ist eine Kante wie aus Glas. Die Profi-Technik ist das Flammpolieren, aber davon rate ich dir als Anfänger dringend ab. Da ruiniert man ohne Übung mehr, als man rettet.

4. Acrylglas biegen mit dem Heißluftfön

Ein super DIY-Thema! Du willst einen kleinen Ständer oder eine gebogene Ablage bauen? Das geht mit einem einfachen Heißluftfön. Aber Achtung, Sicherheit geht vor: Trage unbedingt hitzebeständige Handschuhe!

Blaue Platten Acryglassplatten

Spann die Platte so ein, dass die Biegelinie frei liegt. Erwärme die Linie dann gleichmäßig und mit etwas Abstand (ca. 5-10 cm) mit dem Fön. Bewege den Fön ständig hin und her, damit die Hitze sich verteilt und nichts verbrennt. Nach ein paar Minuten wird das Material weich wie Kaugummi. Dann kannst du es vorsichtig über eine Kante (z.B. ein Kantholz) biegen. Halte es in der gewünschten Position, bis es abgekühlt und wieder fest ist. Am besten an einem Reststück üben!

Praxis-Projekte: Wo Acrylglas richtig glänzt

Küchenrückwand – modern und fugenlos

Eine Platte statt tausend Fugen putzen? Ein Traum! Farbiges oder satiniertes Acrylglas sieht super modern aus. Aber Achtung: Hinter einem Gasherd hat Acrylglas nichts zu suchen! Bei Ceran- oder Induktionsfeldern ist es aber kein Problem, solange ein paar Zentimeter Abstand zur Wand sind.

Kleine Einkaufsliste für ein Beispielprojekt (2m x 0,6m):

  • Acrylglasplatte XT, 4 mm (ca. 1,2 m²): ca. 60-85€
  • Spezial-Sägeblatt für die Stich- oder Kreissäge: ca. 40€
  • Acrylglasbohrer für Steckdosen: ca. 12€
  • Dekorative Schrauben mit Abstandshaltern (4 Stück): ca. 15€
  • Gesamt: Ungefähr 130-150€ für eine komplett neue Optik!
Transparente Ideen für Acryglassplatten

Möbel und Vitrinen – die hohe Kunst

Hier reden wir ausschließlich über GS-Acrylglas. Die optische Brillanz und die perfekte Bearbeitbarkeit sind hier entscheidend. Wenn du Kanten unsichtbar verkleben willst, brauchst du einen speziellen Polymerisationsklebstoff (z.B. Acrifix 1R 0192). Das ist kein normaler Kleber, er verschweißt das Material regelrecht. Die Verbindung wird unter UV-Licht bombenfest und glasklar.

Duschwände und Raumteiler – leicht und sicher

Satiniertes Acrylglas ist eine fantastische Alternative zu Echtglas. Es ist viel leichter und wenn mal was passiert, zerbricht es nicht in tausend gefährliche Scherben. Wichtig: Normales Acrylglas ist kratzempfindlicher als Glas. Für eine Duschwand lohnt sich die Investition in eine Platte mit kratzfester Beschichtung. Und zur Reinigung: Niemals Glasreiniger mit Alkohol oder Scheuermittel verwenden! Nur lauwarmes Wasser mit einem Tropfen Spüli und ein weiches Mikrofasertuch. Alles andere macht das Material auf Dauer blind und spröde.

Wenn doch mal was schiefgeht: Erste Hilfe für Acrylglas

Keine Sorge, auch Profis machen Fehler. Das Wichtigste ist zu wissen, wie man sie behebt.

verschiedene Schattierung - Viele Farben Acryglassplatten
  • Leichte Kratzer? Kein Problem. Mit spezieller Acrylglas-Polierpaste und etwas Geduld bekommst du die meisten oberflächlichen Macken wieder rauspoliert.
  • Spannungsrisse? Der Super-GAU. Feine Haarrisse, die durch falsche Reiniger, zu fest angezogene Schrauben oder Hitze entstehen. Die bekommst du nicht mehr weg. Vorbeugen ist alles!
  • Vergilbung? Das passiert nur bei billigem No-Name-Material. Markenhersteller geben oft jahrzehntelange Garantien gegen Vergilbung. Hier zu sparen, rächt sich, besonders im Außenbereich.

Acrylglas ist so viel mehr als nur „Plastik“. Es ist ein unglaublich vielseitiger Werkstoff. Wenn du den Unterschied zwischen XT und GS kennst und mit Respekt und Sorgfalt an die Sache herangehst, kannst du damit unglaublich tolle Dinge bauen. Also, trau dich ran – fang mit einem kleinen Projekt an und du wirst sehen, wie viel Spaß es macht!

Adele Voß

Adele Voß ist 1979 in Wien geboren und hat dort Kunstgeschichte studiert. Deshalb sind ihre Interessen als Online-Autorin auf die Bereiche Kunst und Kultur gerichtet.  Ihrer Meinung nach muss man Mode und Design ebenso als Quellen kreativer Inspiration betrachtet und als Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit. Adele macht ihre Leser gerne aufmerksam auf die tiefere Bedeutung der Trends im Innendesign im Konkreten und auch in der modernen Lebensweise im Allgemeinen. Adele Voß schreibt darüber hinaus gerne übers Thema Gesundheit. Es umfasst Artikel über gesundes Abnehmen, gesunde Speisen und Getränke und auch über sportliche Aktivitäten in jedem Alter. In ihrer Freizeit kocht sie gern für die Familie und sie alle reisen oft zusammen.