Vom Hobel zum Schreibtisch: Ein Handwerker erklärt, wie dein Bürojob dich kaputt macht – und was wirklich hilft

von Romilda Müller
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Ich bin Handwerksmeister, um genau zu sein, Schreinermeister. Seit über zwei Jahrzehnten arbeite ich mit Holz. Meine Hände kennen das Material, meine Muskeln die Anstrengung. Früher war mein Tag eine einzige Bewegung. Ich stand an der Werkbank, schleppte schwere Bohlen und hab Möbel bei Kunden montiert. Das Büro? Das war nur eine kleine Randnotiz in meinem Arbeitsalltag.

Heute sieht das komplett anders aus. Die Planung, die Angebote, die ganze Kommunikation mit den Kunden – alles läuft über den Computer. Ich sitze viel mehr, als mir lieb ist. Und ich sag’s dir ganz ehrlich: Die ersten Jahre dieser Umstellung waren für meinen Körper ein absoluter Schock. Der Rücken hat geschmerzt, die Schultern waren bretthart. Abends hab ich mich oft fertiger gefühlt als nach einem Tag knüppelharter körperlicher Arbeit.

Vielleicht kennst du das ja auch. Du sitzt den ganzen Tag und fühlst dich trotzdem wie vom LKW überrollt. Viele sagen heute, langes Sitzen ist das neue Rauchen. Ich finde, der Vergleich trifft den Nagel auf den Kopf. Beides schadet schleichend. Man merkt es nicht sofort, aber die Langzeitfolgen sind verdammt ernst.

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Ich musste lernen, wieder auf meinen Körper zu hören und die Techniken aus der Werkstatt ins Büro zu übertragen. Es geht darum, dein wichtigstes Werkzeug zu pflegen: deinen eigenen Körper. Und dafür brauchst du kein teures Fitnessstudio oder komplizierte Pläne. Du brauchst Verständnis und ein paar verdammt gute Gewohnheiten. Hier teile ich meine praxiserprobten Tipps mit dir – ohne Blabla, einfach das, was funktioniert.

Warum Sitzen für deinen Körper die reinste Schwerstarbeit ist

Um ein Problem zu lösen, muss man es erstmal verstehen. Also, warum ist das Sitzen so eine Katastrophe für uns? Stell dir mal eine massive Holzbohle vor. Wenn ich die über zwei Böcke lege und immer wieder in der Mitte belaste, biegt sie sich irgendwann durch. Mit der Zeit bleibt sie krumm. Unserer Wirbelsäule geht es da ganz ähnlich.

Die Wirbelsäule: Unter Dauerdruck

Unsere Wirbelsäule hat eine natürliche S-Form, die Stöße abfedert – wie eine gute Federung am Auto. Zwischen den Wirbeln sitzen die Bandscheiben, diese kleinen gelartigen Puffer. Und die brauchen Bewegung, um fit zu bleiben. Durch den ständigen Wechsel von Druck und Entlastung saugen sie sich voll mit Nährstoffen, wie ein Schwamm. Beim Sitzen, vor allem mit diesem typischen krummen „Büro-Buckel“, quetschen wir die Bandscheiben im unteren Rücken gnadenlos zusammen. Der Druck ist hier fast doppelt so hoch wie im Stehen!

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Die Folge? Die Versorgung wird lausig, die Bandscheibe wird spröde. Das ist die direkte Vorstufe zum Bandscheibenvorfall. In der Gesellenausbildung lernt man als Erstes, wie man schwere Lasten richtig hebt, um genau das zu verhindern. Im Büro vergessen das viele und setzen ihre Wirbelsäule stundenlang einer völlig falschen Belastung aus.

Muskeln: Die einen rosten ein, die anderen schrumpfen

Unser Körper ist ein ausgeklügeltes System aus Spannung und Gegenspannung, wie die Seile, die einen Schiffsmast gerade halten. Beim Sitzen bringen wir dieses System komplett aus dem Gleichgewicht.

  • Der Hüftbeuger: Dieser Muskel an der Vorderseite der Hüfte ist im Sitzen ständig im „Kurz-Modus“. Mit der Zeit vergisst er, wie man lang ist, und verkürzt. Ein verkürzter Hüftbeuger zieht dein Becken nach vorne und zwingt dich ins Hohlkreuz. Hallo, Rückenschmerzen!
  • Die Gesäßmuskulatur: Unser größter Muskel legt beim Sitzen die Füße hoch. Er wird nicht gebraucht, also denkt sich der Körper: Weg damit! Er wird schwach und schlaff. Eine schwache Pomuskulatur kann das Becken nicht mehr stabilisieren, also müssen andere einspringen – meistens die Muskeln im unteren Rücken. Die sind dann natürlich überlastet und fangen an zu schreien.
  • Bauch- und Nackenmuskeln: Ähnliches Spiel. Die Bauchmuskeln machen schlapp. Und weil wir ständig auf den Bildschirm glotzen, schieben wir den Kopf nach vorne. Kleiner Fun-Fact: Für jeden Zentimeter, den dein Kopf vor der Körperachse hängt, verdoppelt sich gefühlt das Gewicht für deine Nackenmuskeln. Das erklärt diese steinharten Verspannungen, die jeder kennt.
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Herz-Kreislauf-System: Der Motor stottert

Bewegung ist die Pumpe für unser Blut. Im Sitzen fällt diese Muskelpumpe aber fast komplett aus. Der Kreislauf wird träge, der Stoffwechsel schaltet in den Energiesparmodus. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes steigt massiv. Das ist kein Gerede, das sind Fakten, die dir jede Berufsgenossenschaft bestätigt.

Die Grundlage: Richte deine Werkbank – äh, deinen Arbeitsplatz – richtig ein

Bevor wir über Bewegung reden, muss die Ausgangslage stimmen. Ein mies eingestellter Arbeitsplatz ist, als würdest du mit einem krummen Sägeblatt einen geraden Schnitt versuchen. Kann nicht gut werden.

Dein Stuhl: Das wichtigste Werkzeug überhaupt

Ein guter Bürostuhl ist eine Investition, keine Ausgabe. Er muss „dynamisches Sitzen“ erlauben, also mit dir mitgehen. Achte mal auf diese drei Dinge, wenn du einen Stuhl bewertest:

  • Synchronmechanik: Das ist das A und O. Heißt: Wenn du dich zurücklehnst, neigt sich die Sitzfläche mit. Das hält den Körper in Bewegung.
  • Verstellbare Armlehnen: Die müssen so einstellbar sein, dass deine Schultern entspannt sind, wenn die Unterarme aufliegen. Nicht hochgezogen wie bei einem Adler!
  • Lordosenstütze: Das ist diese Wölbung in der Rückenlehne. Sie muss genau deinen unteren Rücken (auf Gürtelhöhe) unterstützen und am besten in der Höhe verstellbar sein.

Ein vernünftiger Stuhl, der das alles kann, fängt bei ca. 250 € an. Nach oben gibt es kaum Grenzen. Klingt viel, aber ein Bandscheibenvorfall kostet dich am Ende mehr – an Geld und an Lebensqualität.

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Kleiner Tipp für Sparfüchse: Wenn dein Bürostuhl Schrott ist und der Chef keinen neuen rausrückt, improvisiere! Ein kleines Kissen oder eine gerollte Jacke im unteren Rücken kann schon Wunder wirken und eine fehlende Lordosenstütze ersetzen.

Der Tisch & der Bildschirm: Die richtige Höhe macht’s

Die Tischhöhe passt, wenn deine Unterarme bei entspannten Schultern waagerecht auf der Platte liegen. Viele Tische sind zu hoch. Höhenverstellbare Tische sind der absolute Hammer, aber teuer. Eine geniale Alternative sind Schreibtischaufsätze zum Stehen. Die stellst du einfach auf deinen normalen Tisch. Gute Modelle gibt es schon für 100 bis 300 Euro und du kannst easy zwischen Sitzen und Stehen wechseln.

Und der Bildschirm? Der häufigste Fehler ist, dass er zu tief steht. Die Oberkante sollte auf Augenhöhe sein. Staple einfach ein paar dicke Bücher drunter oder besorg dir einen simplen Monitorständer für 20 €. Dein Nacken wird es dir danken.

Nimm dir mal 15 Minuten Zeit und stell alles nach diesen Regeln ein. Du spürst den Unterschied sofort.

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Kleine Bewegungen, riesige Wirkung: Dein neuer Büroalltag

Der beste Arbeitsplatz bringt nichts, wenn du darauf festfrierst. Die beste Position ist immer die nächste. Der Schlüssel ist ständige, kleine Bewegung.

Alle 20 Minuten: Die unauffälligen Mikro-Bewegungen

Stell dir einen Wecker oder nutze eine App. Es gibt kostenlose Tools wie „Stretchly“, die dich unaufdringlich daran erinnern, eine kurze Pause zu machen.

  • Blick in die Ferne: Schau für 20 Sekunden aus dem Fenster. Entspannt die Augen.
  • Gewicht verlagern: Rutsch auf dem Stuhl mal nach vorne, mal nach hinten.
  • Füße aktivieren: Kreise mit den Gelenken, wippe auf und ab. Das ist die „Venenpumpe“ in Aktion und super für die Durchblutung.
  • Schultern rollen: Hochziehen zu den Ohren, kurz halten, fallen lassen. Ein Traum!

Jede Stunde: Aufstehen ist Pflicht! (Keine Ausreden)

Einmal pro Stunde musst du hoch. Das ist die wichtigste Regel von allen.

  • Hol Wasser: Nimm extra ein kleines Glas, dann musst du öfter laufen.
  • Geh zum Drucker: Stell das Ding bewusst ans andere Ende des Büros.
  • Besuch Kollegen: Statt eine Mail zu schreiben, geh rüber. Ist persönlicher und du bewegst dich.

Wenn du schon mal stehst, mach doch direkt diese 60-Sekunden-Kaffeepausen-Routine:

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  1. Katzenbuckel (20 Sek.): Hände auf die Oberschenkel stützen. Rücken ganz rund machen, dann ins leichte Hohlkreuz gehen. Ein paar Mal wiederholen. Das mobilisiert die Wirbelsäule.
  2. Brustöffner (20 Sek.): Hände hinter dem Rücken verschränken, Schulterblätter zusammenziehen. Zieht herrlich in der Brust – der perfekte Ausgleich zur gebeugten Haltung.
  3. Nackendehnung (20 Sek.): Kopf sanft zur Seite neigen, als ob das Ohr die Schulter berühren will. Die andere Schulter bewusst nach unten ziehen. Halten, dann die Seite wechseln.

Für Fortgeschrittene: Pimpe deinen Arbeitsplatz

Wenn die Grundlagen sitzen, kannst du aufrüsten. Ich dachte früher, vieles davon wäre Spielerei, aber ich wurde eines Besseren belehrt.

  • Balance Board: Ich hab’s anfangs belächelt. Ehrlich gesagt dachte ich, das wär Quatsch. Bis ich das erste Mal 10 Minuten draufstand und gemerkt habe, wie meine Tiefenmuskulatur in den Waden und im Rumpf gezittert hat. Das ist ein super Training für zwischendurch!
  • Vertikalmaus: Wenn du Probleme mit dem Handgelenk hast, ist das ein Game-Changer. Die Handhaltung ist viel natürlicher, wie beim Händeschütteln. Kostet zwischen 30 und 80 Euro und kann Schmerzen vorbeugen.
  • Sitzball: Eine gute Abwechslung, aber kein Ersatz für einen richtigen Stuhl! Nutze ihn mal für 30 Minuten am Tag, um die Rumpfmuskulatur zu fordern. Länger nicht, sonst sackst du erst recht zusammen.
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Nach der Arbeit: Der unverzichtbare Ausgleich

Seien wir ehrlich: Die besten Tricks im Büro lindern nur die Symptome. Sie ersetzen keinen echten Ausgleichssport. Dein Körper schreit nach Feierabend nach Bewegung, die das genaue Gegenteil vom Sitzen ist.

Such dir was, das dir Spaß macht. Ob das Rückenschwimmen, Yoga, Bouldern oder einfach nur ein strammer Spaziergang im Wald ist, ist egal. Es geht um Regelmäßigkeit, nicht um Olympia. Zwei bis drei Mal pro Woche eine Stunde Bewegung ist ein super Ziel.

Achtung: Wann du zum Profi musst

Bei all den Tipps: Schmerz ist ein Warnsignal, kein Statussymbol. Wenn Schmerzen ins Bein ausstrahlen oder du Taubheitsgefühle hast, geh sofort zum Arzt. Das kann ein Hinweis auf ein ernstes Problem wie einen Bandscheibenvorfall sein, da experimentiert man nicht selbst rum.

Ich hab in der Werkstatt gelernt: Gutes Werkzeug muss man pflegen, damit es lange hält. Unser Körper ist unser allerwichtigstes Werkzeug. Er verzeiht viel, aber nicht alles. Die Verantwortung dafür können wir nicht an den Chef oder den Bürostuhl abgeben.

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Also, worauf wartest du? Steh jetzt auf, streck dich einmal kräftig und hol dir ein Glas Wasser.

Das ist der erste, einfachste Schritt.

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Dein Körper vergisst nicht. Aber was genau passiert eigentlich mit dem Stoffwechsel, wenn wir stundenlang am Schreibtisch festkleben?

Eine Studie im Fachjournal „Diabetologia“ hat gezeigt, dass die Produktion von fettverbrennenden Enzymen bereits nach einer Stunde ununterbrochenen Sitzens um bis zu 90 Prozent sinken kann.

Im Klartext bedeutet das: Der Körper schaltet fast augenblicklich vom Verbrennungs- in den Speichermodus. Das erklärt, warum selbst bei kontrollierter Ernährung das Sitzen zur Gewichtszunahme beitragen kann. Die gute Nachricht ist, dass schon kurze Unterbrechungen – wie Aufstehen und ein paar Schritte gehen – diesen Prozess stören und den Motor wieder anwerfen.

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Der Klassiker: Ein voll verstellbarer Bürostuhl, wie der Herman Miller Aeron, ist eine Investition in Prävention. Er passt sich an deinen Körper an, stützt die Lendenwirbelsäule und fördert eine aufrechte Haltung über Stunden. Perfekt für lange, konzentrierte Arbeitsphasen.

Der Aktivator: Ein Kniestuhl, zum Beispiel der Varier Balans, zwingt den Körper in eine offene Haltung und aktiviert die Rumpfmuskulatur. Er ist ideal, um die Sitzroutine zu durchbrechen, erfordert aber eine Eingewöhnungszeit und ist eher für kürzere Intervalle gedacht.

Die beste Lösung? Oft eine Kombination aus beidem, um dem Körper unterschiedliche Reize zu bieten.

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  • Steigert nachweislich den Fokus.
  • Löst Mikroverspannungen im Nacken.
  • Gibt dem Gehirn einen winzigen Reset.

Das Geheimnis dahinter? Die „25/5-Bewegungsregel“. Stelle dir einen Timer auf 25 Minuten. In dieser Zeit arbeitest du konzentriert. Sobald der Wecker klingelt, stehst du für 5 Minuten auf. Hol dir Wasser, schau aus dem Fenster, dehne deine Schultern. Es geht nicht um ein Workout, sondern darum, die Starre zu durchbrechen.

Wichtiger Punkt: Ergonomie hört nicht beim Stuhl auf. Der Blickwinkel auf den Monitor ist entscheidend, um den „Geierhals“ zu vermeiden. Die Oberkante des Bildschirms sollte auf oder knapp unter Augenhöhe liegen. Statt einem unschönen Plastikständer kann ein massiver Monitorständer aus Holz, etwa von Anbietern wie Ergonofis oder vom Schreiner nebenan, nicht nur die Haltung korrigieren, sondern auch eine haptisch ansprechende, natürliche Note ins Büro bringen – eine kleine Brücke zurück zur Werkbank-Atmosphäre.

Romilda Müller

Mein Beruf macht mir echt viel Spaß! Selbst indem ich jeden Tag Beiträge über Themen aus den Bereichen Gartengestaltung, Dekoration, Innendesign, Mode und Lifestyle schreibe, entdecke ich viele interessante Tatsachen. Auch für mich selbst. Zudem schöpfe ich Inspiration für meine eigene Freizeit. Mein Ziel ist es, unserer Leserschaft nützliche Information und unendliche Anregung anzubieten und damit behilflich zu sein. Es freut mich, durch meine Artikel eine große Anzahl von Lesern für unterschiedliche Themen zu begeistern und zu neuen Projekten im Haus und Garten zu ermutigen. Außerdem will ich ihnen gleichzeitig damit Optionen für eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung bieten.