Das Tablet auf der Baustelle: Kein Spielzeug, sondern dein bestes Werkzeug – Ein ehrlicher Guide
Ganz ehrlich? Früher habe ich darüber gelacht. Ein Tablet auf der Baustelle? Zwischen Staub, Mörtel und schweren Maschinen? Ich dachte, das ist Spielzeug für Leute im Büro. Mein alter Notizblock, ein Zollstock und ein ehrlicher Bleistift waren seit Jahrzehnten meine treuen Begleiter. Die hatten nie einen leeren Akku und sind auch nicht kaputtgegangen, wenn sie mal in den Dreck gefallen sind. Ich bin Handwerksmeister, kein IT-Techniker. Meine Welt ist Holz, Stein und Metall – keine Apps und Clouds.
Inhaltsverzeichnis
- 0.1 Grundlagen: Was ein Tablet im Handwerk wirklich aushalten muss
- 0.2 Was kostet der Spaß? Deine Einkaufsliste für den Start
- 0.3 WLAN oder mit SIM-Karte (LTE/5G)? Eine entscheidende Frage
- 0.4 Das Tablet im Alltag: Hier sparst du wirklich Zeit und Geld
- 0.5 Die Systemfrage: Apple, Android oder Windows?
- 0.6 Fortgeschrittene Techniken: Apps, Laser & Co.
- 0.7 Ein ernstes Wort zum Schluss: Sicherheit und alte Hasen
- 1 Bildergalerie
Doch dann kam dieser eine Auftrag. Ein echt komplexer Dachstuhlausbau mit Dutzenden Änderungen in letzter Minute. Der Architekt schickte ständig neue PDF-Pläne. Wir druckten, verteilten, und trotzdem hat ein Geselle nach einem veralteten Plan gearbeitet. Ein Fehler, der uns richtig Geld gekostet hat. Der Ärger war riesig.
Genau in diesem Moment habe ich kapiert: Ein Werkzeug ist nicht gut oder schlecht, weil es alt oder neu ist. Es ist gut, wenn es die Arbeit einfacher, schneller und vor allem genauer macht. Und das Tablet ist für mich genau so ein Werkzeug geworden. Aber der Weg dahin war steinig. Damit es auf der Baustelle nicht zur Belastung, sondern zur echten Hilfe wird, gibt es einiges zu beachten.

In diesem Beitrag teile ich meine echten Erfahrungen mit dir. Von Kollege zu Kollege. Das hier ist kein Werbeprospekt, sondern ein ehrlicher Leitfaden für alle, die überlegen, diesen Schritt zu wagen.
Grundlagen: Was ein Tablet im Handwerk wirklich aushalten muss
Bevor wir über Apps und Schnickschnack reden, lass uns über die harte Realität sprechen. Eine Baustelle ist kein Büro. Staub, Feuchtigkeit, Stöße und mal brütende Hitze, mal Eiseskälte. Die Technik muss das packen. Das ist reine Physik und Materialkunde, genau wie bei jedem anderen Werkzeug in unserem Kasten.
Staub- und Wasserschutz (Die berühmte IP-Schutzart)
Du kennst das von Baustellenradios oder gutem Elektrowerkzeug: die IP-Schutzart. Die zwei Ziffern dahinter sind entscheidend. Die erste steht für den Schutz gegen Staub, die zweite für den Schutz gegen Wasser.
- Staubschutz (erste Ziffer): Für uns auf dem Bau ist eine „6“ quasi Pflicht. Das bedeutet „staubdicht“. Feiner Schleifstaub, Gips oder Zementstaub sind der Tod für offene Elektronik. Ein Gerät mit IP6x ist komplett abgedichtet. Alles darunter ist für die Werkstatt vielleicht noch okay, aber für eine staubige Sanierung ungeeignet.
- Wasserschutz (zweite Ziffer): Hier reicht oft schon eine „5“ (Schutz gegen Strahlwasser). Damit überlebt das Gerät einen Regenschauer und du kannst es auch mal mit einem feuchten Lappen abwischen. Eine „7“ oder „8“ (Schutz bei Untertauchen) ist meist übertrieben, schadet aber natürlich nicht. Moderne Standard-Tablets kommen oft schon mit einer guten Schutzart wie IP68 – das ist ein super Ausgangspunkt.
Aber ganz ehrlich: Ohne eine wirklich robuste Hülle würde ich trotzdem keins mit auf die Baustelle nehmen. Dazu später mehr.

Display: Bei Sonne alles erkennen können
Was nützt der beste Plan, wenn du bei Sonnenschein nur dich selbst im Display spiegeln siehst? Achte auf die Helligkeit, gemessen in „Nits“. Ein Büromonitor hat so 250–300 Nits. Für draußen sollten es mindestens 500 Nits, besser 600 Nits oder mehr sein. Ein kleiner Tipp: Probier das Gerät, wenn möglich, vor dem Kauf mal draußen bei Tageslicht aus. Kein Datenblatt ersetzt diesen simplen Praxistest.
Akku: Der Arbeitstag ist lang
Unser Tag startet um 7 und endet selten vor 17 Uhr. Eine Steckdose ist nicht immer da. Der Akku muss also einen vollen Tag bei aktiver Nutzung durchhalten. Werte über 8.000 mAh sind ein guter Anhaltspunkt. Aus meiner Erfahrung kann ich dir nur raten: Kauf dir für ca. 40 € eine ordentliche Powerbank (so ein externer Akku) und ein 12V-Ladekabel für den Firmenwagen. Damit lädst du das Tablet in der Mittagspause auf und bist immer auf der sicheren Seite. Das hat mich schon oft gerettet.

Was kostet der Spaß? Deine Einkaufsliste für den Start
Okay, Butter bei die Fische: Was musst du für ein baustellentaugliches Set wirklich auf den Tisch legen? Hier ist eine realistische Einkaufsliste:
- Das Tablet selbst: Du brauchst nicht das neueste Top-Modell. Ein gutes Mittelklasse-Gerät oder ein generalüberholtes Vorjahresmodell tut es vollkommen. Ich selbst nutze privat ein iPad Air mit 64 GB und nur WLAN. Das reicht für Pläne und Fotos völlig aus. Rechne hier mal mit ca. 300–500 €.
- Robuste Schutzhülle: Das ist die wichtigste Investition! Sparen ist hier am falschen Ende gespart. Marken wie OtterBox oder UAG sind zwar teuer, aber ihr Geld wert. Plane hier ca. 50–80 € ein. Eine gute Hülle rettet dir ein 500-Euro-Gerät.
- Panzerglas: Kleb unbedingt ein Schutzglas auf das Display. Es schützt vor Kratzern und bricht bei einem Sturz oft zuerst, während das teure Display heil bleibt. Kostenpunkt: ca. 20 €.
- Powerbank & Ladekabel: Wie gesagt, ein Muss für die Unabhängigkeit. ca. 40 €.
Fazit: Plane für ein komplettes, robustes Starter-Set also ungefähr zwischen 400 und 650 Euro ein. Das ist eine Investition, die sich aber durch vermiedene Fehler und gesparte Zeit schnell bezahlt macht.

WLAN oder mit SIM-Karte (LTE/5G)? Eine entscheidende Frage
Braucht das Tablet einen eigenen Mobilfunkvertrag? Das hängt von deiner Arbeit ab.
- Die WLAN-Variante: Ist in der Anschaffung günstiger und hat keine laufenden Kosten. Auf den meisten Baustellen gibt’s eh kein WLAN, aber du kannst einfach den Hotspot deines Smartphones nutzen. Das reicht in 90 % der Fälle locker aus, um mal schnell einen neuen Plan herunterzuladen.
- Die LTE/5G-Variante: Ist teurer und du brauchst einen zusätzlichen Datentarif (ca. 10–20 € im Monat). Der Vorteil: Du bist komplett unabhängig und sofort online, ohne mit dem Handy fummeln zu müssen. Das kann sich lohnen, wenn du ständig auf großen Baustellen ohne Empfang bist oder sehr große Datenmengen synchronisieren musst.
Mein Tipp für den Anfang: Starte mit einem WLAN-Modell. Das spart Geld und der Hotspot vom Handy ist schnell aktiviert. Upgraden kannst du später immer noch.
Das Tablet im Alltag: Hier sparst du wirklich Zeit und Geld
Ein Werkzeug ist nur so gut wie die Probleme, die es löst. Hier hat sich das Tablet für mich und meine Leute am meisten bewährt.

1. Aufmaß und Doku: Schluss mit unleserlichen Zetteln
Klassisches Aufmaß, Zettel nass geworden, eine Zahl unleserlich gekritzelt – kennen wir alle. Mit dem Tablet ist das Geschichte. Ich mache mit einem Eingabestift eine schnelle Skizze direkt auf dem Display, trage Maße ein, nutze Farben für Anschlüsse und kann die Skizze sofort per Mail in die Werkstatt schicken. Der Kollege dort kann direkt loslegen.
Richtig genial ist die Fotodokumentation. Vorher, währenddessen, nachher – alles wird fotografiert. Besonders bei kritischen Details, wie verlegten Leitungen, bevor der Putz drüberkommt. Jedes Foto hat einen Zeitstempel. Kommt es später zu Diskussionen („Das war doch schon vorher kaputt!“), hast du einen wasserdichten Beweis. Das ist vor Gericht mehr wert als tausend Worte.
Ich hatte mal einen Wasserschaden bei einem Kunden. Der Gutachter wollte wissen, wo die alten Rohre liefen. Ich hab ihm auf dem Tablet die Rohbau-Fotos gezeigt. Die Sache war in fünf Minuten erledigt. Ohne die Fotos hätten wir die ganze Wand aufstemmen müssen.

2. Baupläne: Immer die aktuelle Version, immer dabei
Der Albtraum jedes Handwerkers: Du arbeitest nach einem Plan, den der Planer gestern geändert hat. Mit dem Tablet habe ich alle Pläne als PDF in der Cloud (z.B. Dropbox oder OneDrive). Schickt der Architekt eine neue Version, lade ich sie hoch und lösche die alte. Das ganze Team hat Zugriff auf denselben, aktuellen Stand.
Kleiner Tipp für die Einrichtung, das ist kein Hexenwerk: Lade dir eine Cloud-App wie Dropbox runter. Erstelle einen Ordner, nenn ihn „Baustelle Meier“. Lade deine Leute einfach über deren E-Mail-Adresse zu diesem Ordner ein. Fertig. Ab sofort hat jeder die gleichen Dateien auf seinem Gerät.
3. Kommunikation: Den Kunden überzeugen
Statt im Prospekt zu blättern, zeige ich dem Kunden auf dem Tablet hochauflösende Fotos von ähnlichen Projekten. Ich kann in Details der Holzmaserung reinzoomen. Während des Projekts schicke ich abends ein paar Fotos vom Baufortschritt. Das schafft enormes Vertrauen. Bei Problemen rufe ich per Video an und zeige die Situation live. Das beschleunigt Entscheidungen ungemein.

Die Systemfrage: Apple, Android oder Windows?
Das ist fast eine Glaubensfrage, aber lass uns das mal pragmatisch betrachten. Eine Tabelle ist dafür Quatsch, entscheidend ist, wie es sich anfühlt.
Apple’s iPad (iOS) ist sozusagen der Mercedes unter den Tablets. Es ist super einfach zu bedienen, extrem zuverlässig und es gibt Unmengen an hochwertigen, stabilen Apps fürs Handwerk. Alles läuft flüssig. Der Nachteil ist der hohe Preis und dass es ein eher geschlossenes System ist. Daten schnell per USB-Stick austauschen ist nicht so einfach.
Android-Tablets (z.B. von Samsung oder Lenovo) sind wie der VW-Konzern: Es gibt eine riesige Auswahl für jeden Geldbeutel, von günstig bis super-robust. Das System ist offener, Daten kannst du einfach per USB-Stick oder Speicherkarte hin- und herschieben. Dafür ist die Bedienung manchmal nicht ganz so geschmeidig und man muss bei den Apps genauer hinschauen, was taugt.
Und dann gibt’s noch Windows-Tablets (wie das Microsoft Surface). Die sind im Grunde vollwertige Laptops. Du kannst darauf dieselbe Kalkulations- oder Bürosoftware nutzen wie im Büro. Das ist ihre große Stärke. Für den reinen Einsatz auf der Baustelle, um Pläne anzuschauen und Notizen zu machen, sind sie oft aber etwas zu komplex und die Touch-Bedienung ist nicht immer optimal.

Fortgeschrittene Techniken: Apps, Laser & Co.
Wenn die Grundlagen sitzen, geht noch mehr. Moderne Laser-Entfernungsmesser (z.B. von Leica oder Bosch) lassen sich per Bluetooth mit dem Tablet verbinden. Du misst, und der Wert landet fehlerfrei direkt in deiner Aufmaß-App. Das ist Präzision pur.
Auch für die Zeiterfassung und das Bautagebuch gibt es geniale Apps. Viele davon, wie zum Beispiel Craftnote oder Plancraft, laufen im Abo-Modell. Rechne da mal mit 20 bis 40 Euro pro Monat und Nutzer. Aber ganz ehrlich: Die Zeit, die du dir abends im Büro sparst, weil die Jungs ihre Stunden und Fotos direkt auf der Baustelle erfasst haben, macht das oft wieder wett.
Ein ernstes Wort zum Schluss: Sicherheit und alte Hasen
Bei all den Vorteilen gibt es auch Verantwortung.
Achtung, Unfallgefahr! Das ist der wichtigste Punkt. Wer aufs Display starrt, achtet nicht auf seine Umgebung. Meine eiserne Regel: Wer am Tablet arbeitet, steht still an einem sicheren Ort. NIEMALS im Gehen, auf der Leiter oder dem Gerüst. Sicherheit geht immer vor.

Und was, wenn die erfahrenen Kollegen im Team das Ding boykottieren? Ein häufiges Problem. Zwing sie nicht, sofort alles damit zu machen. Mein Tipp: Fang mit der einfachsten und nützlichsten Funktion an – der Fotodokumentation. Zeig ihnen, wie sie mit zwei Klicks ein Problem dokumentieren und sich damit selbst absichern können. Wenn sie den ersten Nutzen sehen, kommt die Neugier von ganz allein.
Das Tablet hat meine Arbeitsweise verändert. Es hat Papierchaos reduziert und Fehler minimiert. Aber es hat nicht meine Erfahrung oder mein handwerkliches Geschick ersetzt. Es ist und bleibt ein Werkzeug. Ein verdammt gutes, aber eben nur ein Werkzeug. Der Meister bleibt der Mensch, der es bedient.
Bildergalerie


Das blanke Tablet ist elegant, überlebt auf dem Bau aber keinen Vormittag. Die wahre Magie steckt in der richtigen Schutzhülle. Hier gibt es zwei Philosophien:
Der Tresor: Hüllen wie die OtterBox Defender Serie oder die Griffin Survivor sind die Schwergewichte. Sie bieten mehrschichtigen Schutz, versiegelte Anschlüsse gegen Staub und sind oft nach Militärstandards (MIL-STD-810G) auf Sturzfestigkeit getestet. Ideal für den Rohbau, wo das Gerät auch mal vom Gerüst fallen kann.
Der smarte Athlet: Marken wie UAG (Urban Armor Gear) bieten einen Kompromiss aus Robustheit und Handlichkeit. Sie sind schlanker, haben aber dennoch einen exzellenten Eckenschutz und oft praktische Extras wie einen integrierten Ständer oder eine Handschlaufe – perfekt für die Bauleitung oder Abnahmen.
Ein Tablet ohne die richtigen Apps ist wie ein Akkuschrauber ohne Bits – unbrauchbar.
Die Hardware ist nur die halbe Miete. Erst die Software macht das Gerät zum unersetzlichen Werkzeug. Statt endloser App-Store-Suche, hier die bewährten Helfer aus der Praxis:
- Für den Plan: PlanGrid (jetzt Teil der Autodesk Build) ist der De-facto-Standard. Alle Beteiligten arbeiten auf der exakt gleichen, aktuellen Planversion. Anmerkungen, Fotos und Aufgaben werden direkt auf dem Plan verortet. Schluss mit teuren Fehlern durch veraltete Zeichnungen.
- Für das Aufmaß: Mit Apps wie Magicplan können Sie durch einen Raum gehen und die App erstellt live einen Grundriss. Eine enorme Zeitersparnis bei der Angebotserstellung und Bestandsaufnahme.
- Für das Bautagebuch: Statt Zettelwirtschaft am Abend ermöglicht Software wie Fieldwire die lückenlose Dokumentation direkt vor Ort – mit Fotos, Notizen und Wetterdaten, rechtssicher und sofort für das Büro verfügbar.



