Echte Teamarbeit statt alter Sprüche: Warum Fairness im Handwerk dein bester Meisterbrief ist

von Julia Steinhoff
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Jedes Jahr im Frühling wird viel über den Frauentag geredet. Aber ganz ehrlich? Für mich als Handwerksmeister ist das Thema an den anderen 364 Tagen im Jahr viel wichtiger. Denn es geht um die absolute Grundlage unseres Berufs: Stabilität.

Stell dir ein Dachgebälk vor. Jeder Balken muss perfekt sitzen, jeder Nagel muss halten. Wenn ein Teil schwach ist oder fehlt, gefährdet das die gesamte Konstruktion. Genau so ist es mit einem Team in der Werkstatt oder auf der Baustelle. Ein Betrieb ist immer nur so stark wie die Menschen, die darin arbeiten. Alle Menschen. Darum will ich heute mal Tacheles reden – nicht über Kalenderdaten, sondern darüber, was Gleichstellung für uns im Handwerk wirklich bedeutet. Aus der ehrlichen Perspektive von jemandem, der schon viel Gutes, aber auch einiges an Murks gesehen hat.

Das Fundament: Warum wir überhaupt darüber reden

Man kann kein stabiles Haus ohne ein ordentliches Fundament bauen. Um das Thema Gleichstellung zu verstehen, müssen wir kurz schauen, worauf es eigentlich gebaut ist. Und das ist keine Raketenwissenschaft, sondern eine ziemlich simple Geschichte von Leuten, die einfach nur fair behandelt werden wollten.

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Die Anfänge liegen in der Zeit der großen Fabriken. Die Arbeitsbedingungen waren knallhart, besonders für Frauen in der Textilindustrie. Lange Schichten, mieser Lohn und kaum Rechte. Stell dir vor, du arbeitest den ganzen Tag mit stumpfem Werkzeug und bei schlechtem Licht – jeder Handgriff ist mühsam und gefährlich. So ähnlich hat es sich für diese Frauen angefühlt.

Sie forderten damals Dinge, die für uns heute selbstverständlich sind: kürzere Arbeitszeiten, fairen Lohn und das Recht, bei Wahlen mitzubestimmen. Das war so grundlegend wie für uns heute die Sicherheitsschuhe. Die Idee schwappte von Amerika nach Europa und immer mehr Frauen gingen auf die Straße. Sie wollten nicht mehr nur zusehen, sondern mitentscheiden. Das war der Beginn eines langen, mühsamen Bauprojekts, das bis heute andauert.

Der offizielle Bauplan: Diese Regeln gelten in Deutschland

Im Handwerk halten wir uns an Pläne, DIN-Normen und die Vorschriften der Berufsgenossenschaft. Nicht, weil es Spaß macht, sondern weil es für Qualität und Sicherheit sorgt. Für die Gleichstellung gibt es auch so einen „Bauplan“ – unsere Gesetze. Die bilden das Gerüst, an das wir uns halten sollten.

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  • Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Ich nenne das immer die „Wasserwaage für den Umgang miteinander“. Es stellt sicher, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft oder seines Alters benachteiligt wird. Im Klartext: Ich kann eine Bewerberin nicht ablehnen, nur weil ich denke, die Arbeit sei „nichts für eine Frau“. Das wäre nicht nur dumm, sondern auch verboten. Übrigens schützt das AGG auch vor Belästigung. Ein blöder Spruch ist also nicht nur unkollegial, er kann echte rechtliche Folgen haben.
  • Das Entgelttransparenzgesetz: Sperriger Name, einfache Idee. In Betrieben mit über 200 Leuten kann man erfahren, was Kollegen in ähnlichen Positionen verdienen. Das soll Lohnlücken aufdecken. Auch wenn mein Betrieb kleiner ist, halte ich mich an den Grundsatz: Bezahlung nach Qualifikation und Leistung, nicht nach Geschlecht. Alles andere sorgt nur für miese Stimmung im Team.
  • Das Mutterschutzgesetz (MuSchG): Das ist ein klassisches Beispiel für vorausschauende Planung. Es schützt schwangere Kolleginnen vor Gefahren, Kündigung und Geldproblemen. Für uns heißt das: Eine schwangere Tischlerin darf nicht mehr mit bestimmten Lacken hantieren. Als Chef muss ich ihr eine andere, sichere Aufgabe geben. Das ist keine Last, sondern eine Verantwortung. Wir wollen doch, dass unsere Top-Leute nach der Babypause wiederkommen, oder?

Aber ein Plan allein baut noch kein Haus. Wir müssen ihn im Alltag auch umsetzen. Und da fängt die eigentliche Meisterleistung an.

Weltfrauentag am 8.März lange Geschichte Protestbewegung gegen Diskriminierung für gleiche Rechte wie Männer

Alltag in der Werkstatt: Wo es wirklich drauf ankommt

So, Butter bei die Fische. Das Handwerk war lange eine Männerwelt. Der Geruch von Sägespänen und Schmieröl, der raue Ton – das Bild vom bärtigen Meister ist tief in unseren Köpfen. Und ja, in vielen Gewerken sind Männer immer noch in der Überzahl. Aber die Zeiten ändern sich, und das ist verdammt gut so.

Ich bilde seit Jahren immer mehr junge Frauen aus – als Tischlerinnen, Malerinnen, sogar Dachdeckerinnen. Und ich kann aus erster Hand sagen: Die sind oft top motiviert, arbeiten super präzise und haben ein fantastisches Auge für Details. Die alte Leier „Das können Frauen nicht“ ist Unsinn aus der Mottenkiste.

Die echten Herausforderungen liegen oft im Detail:

Die richtige Ausrüstung: Jahrelang gab es Arbeitskleidung nur in Männergrößen. Viel zu weite Hosen, in denen man hängen bleibt, oder zu große Sicherheitsschuhe sind nicht nur unbequem, sondern ein echtes Sicherheitsrisiko! Zum Glück gibt es heute immer mehr Anbieter, die mitdenken. Schau mal bei Engelbert Strauss, FHB oder Mascot, die haben oft eigene Kollektionen für Frauen. Als Chef ist es meine Pflicht, das auch zu bestellen.

Weltfrauentag am 8.März Gleichstellung von Frauen und Männern steht heute wie früher im Fokus

Die Infrastruktur: Eine saubere, separate Umkleide und Toilette für Frauen sollte eine absolute Selbstverständlichkeit sein. Das ist eine Frage des Respekts. Klar, das Nachrüsten kostet vielleicht ein paar Tausend Euro. Aber mal ehrlich: Eine gute Fachkraft zu verlieren, weil sie sich unwohl fühlt, kostet dich durch Auftragsstress und die nervige Neusuche schnell das Fünffache. Eine simple Rechnung, oder?

Der Ton macht die Musik: Die größte Baustelle ist aber oft die Kultur. Ein lockerer Spruch gehört dazu, aber die Grenze zu Respektlosigkeit ist schmal. „Na Püppchen, ist der Hammer zu schwer für dich?“ ist einfach nur daneben und demotiviert. Wie wäre es stattdessen mit einem ehrlichen: „Kommst du klar oder brauchst du kurz ’ne Hand?“ Das ist kollegial, hilft wirklich und zeigt, dass man sich als Team sieht. Es geht darum, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die beste Idee zählt – egal, von wem sie kommt.

Dein Werkzeugkasten für ein starkes Team

Ein Problem zu erkennen ist gut, Lösungen zu finden ist besser. Hier sind ein paar Werkzeuge, die wirklich was bringen:

Weltfrauentag am 8.März langer Kampf für Gleichstellung von Frauen und Männern
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Persönliche Geschenke, die wirklich was hermachen: So geht’s richtig!

  • Vorbilder zeigen: Wenn ein Mädchen nie eine Frau auf einem Gerüst sieht, kommt sie nicht auf die Idee, selbst eine zu werden. Zeigt eure Meisterinnen und Gesellinnen! Bei Tagen der offenen Tür, in den sozialen Medien, überall.
  • Netzwerke fördern: Allein unter Männern zu sein, kann manchmal anstrengend sein. Der Austausch mit Gleichgesinnten ist Gold wert. Es gibt tolle Netzwerke wie die „Unternehmerfrauen im Handwerk“. Als Chef unterstütze ich das. Wenn eine Mitarbeiterin zu so einem Treffen will, bekommt sie frei. Das ist eine Top-Investition in die Motivation.
  • Flexibel denken: Das Handwerk ist kein Bürojob, klar. Aber wir müssen flexibler werden. Teilzeit auf der Baustelle? Schwierig, aber nicht unmöglich. Vielleicht kann eine erfahrene Gesellin in Teilzeit die Arbeitsvorbereitung machen oder die Azubis betreuen? Ein guter Handwerker findet für alles eine Lösung.

Und was, wenn der Chef nicht mitzieht? Dein Notfall-Werkzeugkasten

Jetzt mal die andere Seite. Was kannst du als Mitarbeiterin tun, wenn dein Vorgesetzter das alles nicht so eng sieht und du dich unwohl fühlst? Es ist wichtig, dass du deine Optionen kennst.

Weltfrauentag am 8.März verschiedene Aktivitäten der Frauen in 26 Ländern offizieller Feiertag

Schritt 1: Das direkte Gespräch. Wenn du dich sicher genug fühlst, sprich die Person direkt an. Manchmal merken die Leute gar nicht, dass ihr Verhalten verletzend ist. Eine ruhige, klare Ansage wie „Dieser Witz war unangebracht, bitte unterlass das“ kann Wunder wirken.

Schritt 2: Verbündete suchen. Sprich mit einem Kollegen, dem du vertraust, oder (falls vorhanden) mit dem Betriebsrat. Du bist selten allein mit deinem Problem.

Schritt 3: Offizielle Stellen. Wenn nichts hilft, gibt es externe Anlaufstellen. Deine zuständige Handwerkskammer oder die Innung haben oft Schlichtungsstellen oder Berater. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet kostenlose Erstberatung an. Du musst das nicht alleine durchstehen.

Sicherheitshinweis: Die unsichtbare Gefahr

In meiner Werkstatt hat Sicherheit oberste Priorität. Schutzbrille, Gehörschutz, alles da. Aber die größte Gefahr ist oft unsichtbar: die psychische Belastung durch ständige Sticheleien oder das Gefühl, sich doppelt beweisen zu müssen.

Das zermürbt. Es macht krank. Und unkonzentrierte Mitarbeiter bauen Unfälle. Punkt. Darum mein wichtigster Sicherheitshinweis: Schaut nicht weg! Greift ein, wenn ihr respektloses Verhalten seht.

Weltfrauentag am 8.März junge Frau im Park liegt im Gras in der Sonne glücklich sein
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Warme Wintersuppen – Rezeptideen für den Alltag

Achtung, hier ist ein häufiger Fehler, den auch ich früher gemacht habe: Zu denken, es gäbe kein Problem, nur weil sich niemand beschwert. Oft schweigen die Leute, weil sie Angst haben, als „kompliziert“ oder „Querulant“ dazustehen. Aktives Hinhören ist hier der beste Gehörschutz für die Seele deines Teams.

Fazit: Jeden Tag an der Baustelle arbeiten

Gleichstellung ist kein Projekt, das man einmal abschließt. Es ist wie die Wartung einer guten Maschine: Man muss sie regelmäßig pflegen, ölen und justieren, damit alles rundläuft. Es geht nicht darum, alle gleichzumachen, sondern allen die gleichen Chancen zu geben.

Wenn uns das gelingt, bauen wir nicht nur bessere Produkte. Wir bauen ein stärkeres, faireres und zukunftsfähiges Handwerk.

So, und jetzt deine Meister-Hausaufgabe für diese Woche: Frag eine Kollegin oder einen Kollegen, was die EINE Sache ist, die ihre Arbeit hier WIRKLICH einfacher machen würde. Und dann… hör einfach nur zu. Ohne Widerworte, ohne Rechtfertigung. Du wirst staunen, was du lernst.

Weltfrauentag am 8.März junge Frauen mit Blumensträußen in der Hand feiern den 8. März
Julia Steinhoff

Meine Interessen für Design haben im großen Teil meine berufliche Laufbahn bestimmt. Zuerst habe ich einen Hochschulabschluss in Journalistik (BJO) an der Universität Hannover erworben, wo ich anschließend ein Magisterstudium in Fernsehjournalismus und Dokumentarfilm (MTV) gemacht habe. Gleich nach diesem Studium habe ich meine Arbeitskarriere als Journalistin bei verschiedenen Medien begonnen. Im Jahr 2017 habe ich ein interessantes Arbeitsangebot von Freshideen.com erhalten und es sofort angenommen. So hat meine Karriere bei Freshideen begonnen. Als Online-Autorin schreibe ich seit Jahren spannende Artikel über Innendesign, Outdoor-Gestaltung, Dekoration, Mode und Lifestyle. Genau in diesen Themenbereichen liegen auch meine beruflichen Interessen. Ich bemühe mich ständig darum, unsere Leser/innen über die Neuigkeiten und die letzten Trends im Interieur und Exterieur zu informieren und sie zu neuen kreativen Projekten zu motivieren. In meiner Freizeit gehe ich gern schwimmen, jogge oder spiele Tennis. Natürlich finde ich auch Zeit für Bücher lesen und fernsehen.