Geerdet sein – Mehr als nur Esoterik? Ein Realitätscheck vom Profi

von Augustine Schneider
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Ganz ehrlich, in meiner Werkstatt gibt es ein heiliges Wort: Erdung. Ohne eine saubere, vorschriftsmäßige Erdung läuft absolut keine Anlage. Sie ist unsere Lebensversicherung, schützt Geräte und vor allem uns Menschen. Als ich dann vor ein paar Jahren zum ersten Mal von „Earthing“ oder Körpererdung hörte, war ich, sagen wir mal, skeptisch. Das roch für mich stark nach Esoterik-Ecke.

Aber dann hab ich genauer hingeschaut. Das Grundprinzip dahinter ist pure Physik, also genau das, womit ich jeden Tag arbeite. Ich bin Elektromeister, kein Arzt. Aber ich verstehe, was Spannung, Potenzial und Elektronenfluss bedeuten. Und genau das will ich hier mal ganz ohne Fachchinesisch erklären, damit du verstehst, was hinter der Körpererdung steckt, wie man sie sicher anwendet und wo die Grenzen sind.

Die Physik dahinter: Warum dein Körper eine Antenne ist

Einem Azubi im ersten Lehrjahr erkläre ich das immer so: Stell dir die Erde wie einen riesigen Schwamm für elektrische Ladung vor. Sie kann quasi unendlich viele Elektronen aufnehmen oder abgeben, ohne dass sich ihr eigenes elektrisches Potenzial groß ändert. Deshalb sagen wir in der Elektrotechnik, die Erde hat null Volt. Sie ist unser absoluter Referenzpunkt.

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In deinem Haus ist der grüngelbe Draht in der Steckdose, der Schutzleiter, genau mit diesem riesigen Schwamm verbunden. Berührt jetzt ein defektes Gerät sein Metallgehäuse, sucht sich der Strom sofort den einfachsten Weg – und das ist der Schutzleiter zur Erde. Die Sicherung fliegt raus, alles ist sicher. Simpel, aber genial.

Und jetzt kommst du ins Spiel. Wir leben umgeben von elektrischen Wechselfeldern. Jede Stromleitung in der Wand, dein WLAN, dein Handy, jedes Gerät – all das erzeugt Felder. Dein Körper, der ja zu einem großen Teil aus leitfähigem Wasser besteht, wirkt in dieser Umgebung wie eine Antenne. Er „fängt“ diese Felder ein und baut eine kleine elektrische Spannung gegenüber der Erde auf. Das ist keine Einbildung, das kann man messen! Oft liegt diese „Körperspannung“ zwischen ein paar hundert Millivolt und sogar mehreren Volt. Nicht gefährlich im Sinne eines Stromschlags, aber es ist eben ein unnatürlicher Zustand.

Schon gewusst? Die Gummisohle deiner Sneaker hat einen elektrischen Widerstand von oft über einer Milliarde Ohm. Du trägst quasi dein eigenes kleines Umspannwerk an den Füßen, das dich komplett vom natürlichen Potenzial der Erde isoliert.

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Der einfachste und beste Weg: Barfuß auf dem Boden der Tatsachen

Die ursprünglichste Form der Erdung ist natürlich das Barfußlaufen. Unsere modernen Lebensgewohnheiten mit Gummisohlen und das Leben in Stockwerken haben uns von der Erde getrennt. Dabei ist es so einfach, diese Verbindung wiederherzustellen.

Aber Achtung, nicht jeder Untergrund ist gleich gut geeignet. Die Leitfähigkeit hängt stark von der Feuchtigkeit ab. Denk es dir wie eine Sterne-Bewertung:

  • 5 Sterne (Der Klassiker): Nasses Gras, feuchter Erdboden oder der Sand direkt am Meerufer. Das Wasser sorgt für eine perfekte, leitfähige Verbindung. Perfekt nach einem Sommerregen! Man spürt die kühle Energie fast sofort.
  • 3 Sterne (Ganz okay): Trockenes Gras oder trockener Sand. Die Leitfähigkeit ist geringer, aber nach ein paar Minuten stellt sich der Kontakt trotzdem her.
  • 1 Stern (Vergiss es): Asphalt, Holzterrassen oder trockener Schotter. Diese Materialien isolieren mehr, als sie leiten. Das ist quasi so, als würdest du deine Schuhe anbehalten.

Ich selbst gehe im Sommer oft nach der Arbeit für 20 Minuten barfuß über die Wiese hinter der Werkstatt. Ob das nur die Natur ist oder die elektrische Entladung – keine Ahnung. Aber die Anspannung des Tages fällt einfach ab.

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Dein Quick-Win für heute: Keine Zeit? Geh raus, stell dich für nur 3 Minuten barfuß auf den Rasen, während du deinen Kaffee trinkst. Fertig. Spürst du was?

Ein Wort zur Vorsicht: Klar, man sollte schauen, wo man hintritt – Scherben, spitze Steine oder Bienen sind kein Spaß. Und in Zeckengebieten ist natürlich Vorsicht geboten. Aber mal ehrlich, bei klarem Verstand auf der heimischen Wiese ist das Risiko überschaubar. Menschen mit Diabetes oder Nervenschäden in den Füßen sollten hier aber extrem vorsichtig sein und vorher mit ihrem Arzt sprechen!

Technische Erdung: Matten und Laken für die Wohnung

Wenn Barfußlaufen keine Option ist (zum Beispiel im Winter oder im Büro), gibt es technische Hilfsmittel. Das sind Matten, Laken oder Bänder mit eingewebten Silber- oder Carbonfäden. Die verbindet man über ein Kabel mit dem Schutzkontakt einer Steckdose. Klingt praktisch, aber hier schlägt die Stunde des Elektromeisters. Denn hier kann man richtig was falsch machen.

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ACHTUNG, DAS IST WIRKLICH WICHTIG: Prüfe deine Steckdose!

Bevor du auch nur daran denkst, so ein Produkt anzuschließen, musst du zu 1000 % sicher sein, dass die Erdung deiner Steckdose funktioniert. In Neubauten ist das meist der Fall. Aber im Altbau? Ich hab mal bei einer Sanierung eine Küche zerlegt, da war der Schutzleiter an einer Steckdose einfach abgeknipst und in der Wand verschwunden. Der Vormieter hatte da wohl selbst „gebastelt“. Hätte die Kundin da ein Erdungsprodukt angeschlossen und gleichzeitig ein defektes Gerät im selben Stromkreis berührt … ich will gar nicht drüber nachdenken. Du würdest selbst zum Teil des Stromkreises werden.

Was du dafür brauchst – deine kleine Sicherheits-Einkaufsliste:
Kauf dir einen simplen Steckdosentester. Den gibt’s für 10 bis 15 Euro in jedem Baumarkt (z.B. OBI, Bauhaus) oder online. Man steckt ihn einfach rein, und kleine Lämpchen zeigen an, ob alles korrekt verkabelt ist – auch die Erdung. Diese kleine Investition ist absolute Pflicht! Zeigt das Ding einen Fehler: Finger weg und einen Elektriker rufen!

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Solche Erdungsprodukte findest du übrigens online bei spezialisierten Händlern. Rechne bei einer einfachen Matte so mit 30 bis 60 Euro, bei einem ganzen Bettlaken können es auch mal 80 bis 150 Euro sein.

Ach ja, und bitte komm nicht auf die Idee, dich einfach mit einem Draht am Heizkörper zu erden! Gerade in älteren Häusern sind die Rohrsysteme oft nicht mehr durchgängig geerdet. Das ist potenziell lebensgefährlich. Der einzig sichere Weg ist der Schutzkontakt einer geprüften Steckdose. Punkt.

Der Beweis: So misst du deine Körperspannung selbst

Du glaubst es immer noch nicht? Mess es nach! Der physikalische Effekt ist kinderleicht nachzuweisen.

Du brauchst nur ein einfaches Multimeter, das es für rund 20 Euro ebenfalls im Baumarkt gibt. Und so geht’s:

  1. Stell das Multimeter auf Wechselspannung (das Zeichen ist V~ oder ACV) im kleinsten Messbereich, meist 2000 mV oder 2V.
  2. Das schwarze Kabel kommt in die „COM“-Buchse, das rote in die „V“-Buchse.
  3. Nimm das schwarze Messkabel in eine Hand und berühre mit der Metallspitze den Schutzkontakt (die Metallbügel) einer geprüften Steckdose. Damit erdest du dich quasi für die Messung.
  4. Halte die Metallspitze des roten Messkabels einfach mit der anderen Hand fest.
  5. Schau aufs Display. Da steht jetzt deine Körperspannung. Wahrscheinlich irgendwas zwischen 500 und 2000 Millivolt (also 0,5 bis 2 Volt).
  6. Und jetzt der magische Moment: Stell dich barfuß auf den Rasen oder deine Erdungsmatte und wiederhole die Messung. Zack! Der Wert sollte auf wenige Millivolt, oft nahe null, abstürzen.

Das ist kein Hokuspokus. Das ist live erlebte Physik. Die Spannung wird abgeleitet.

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Ein realistischer Blick auf Nutzen und Grenzen

Ich habe Kunden, die auf ihre Erdungsmatten schwören, besser schlafen und sich fitter fühlen. Ich kenne auch Kollegen, die das für kompletten Humbug halten. Die Wahrheit liegt wohl, wie so oft, irgendwo dazwischen.

Der physikalische Effekt ist messbar und unbestreitbar. Ob die daraus folgenden gesundheitlichen Vorteile so eintreten, wie oft beschrieben, müssen Mediziner beurteilen. Aber es klingt für mich plausibel, dass es für unseren Körper, dessen Nervensystem ja mit feinsten elektrischen Impulsen arbeitet, eine Entlastung sein kann, wenn er in seinen elektrischen „Normalzustand“ zurückkehrt.

Aber was Erdung NICHT ist:

  • Kein Wundermittel: Es wird keine schweren Krankheiten heilen. Sieh es als einen Baustein für einen gesunden Lebensstil, genau wie gute Ernährung und Bewegung.
  • Kein Ersatz für den Arzt: Bei echten Beschwerden ist der Gang zum Arzt unumgänglich.
  • Keine Ausrede: Eine Stunde barfuß im Garten macht die schlaflose Nacht vor dem Laptop nicht ungeschehen.

Fazit aus der Meisterwerkstatt

Die Idee der Körpererdung ist faszinierend, weil sie eine Brücke schlägt zwischen unserer biologischen Natur und der modernen Elektrotechnik, die uns umgibt. Als Handwerksmeister mag ich Dinge, die funktionieren und nachvollziehbar sind. Und der elektrische Teil der Körpererdung erfüllt diese Kriterien.

Mein Rat ist daher ganz pragmatisch:

  1. Nutze die Natur! Geh so oft es geht barfuß. Es kostet nichts, ist (meistens) sicher und verbindet dich auf allen Ebenen mit deiner Umgebung. Das ist die ehrlichste Form der Erdung.
  2. Bei Technik, sei paranoid! Prüfe IMMER die Steckdose mit einem Tester, bevor du irgendetwas anschließt. Sicherheit geht absolut vor. Im Zweifel: Frag einen Elektriker!
  3. Hör auf deinen Körper. Probier es aus und schau, wie du dich fühlst. Jeder reagiert anders.

In meinem Job sorge ich dafür, dass Häuser ein sicheres elektrisches Fundament haben. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns auch daran erinnern, wie wichtig unser eigenes Fundament ist: die direkte Verbindung zur Erde unter unseren Füßen.

Augustine Schneider

Augustine ist eine offene und wissenshungrige Person, die ständig nach neuen Herausforderungen sucht. Sie hat ihren ersten Studienabschluss in Journalistik an der Uni Berlin erfolgreich absolviert. Ihr Interesse und Leidenschaft für digitale Medien und Kommunikation haben sie motiviert und sie hat ihr Masterstudium im Bereich Media, Interkulturelle Kommunikation und Journalistik wieder an der Freien Universität Berlin abgeschlossen. Ihre Praktika in London und Brighton haben ihren beruflichen Werdegang sowie ihre Weltanschauung noch mehr bereichert und erweitert. Die nachfolgenden Jahre hat sie sich dem kreativen Schreiben als freiberufliche Online-Autorin sowie der Arbeit als PR-Referentin gewidmet. Zum Glück hat sie den Weg zu unserer Freshideen-Redation gefunden und ist zurzeit ein wertvolles Mitglied in unserem motivierten Team. Ihre Freizeit verbringt sie gerne auf Reisen oder beim Wandern in den Bergen. Ihre kreative Seele schöpft dadurch immer wieder neue Inspiration und findet die nötige Portion innerer Ruhe und Freiheit.