Mehr als nur Knipsen: Wie du aus deinen Fotos echte Hingucker machst

von Mareike Brenner
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In meiner Werkstatt riecht es oft nach Holz, manchmal nach Öl. Aber immer öfter riecht es nach… nichts. Dann sitze ich vor einem flimmernden Bildschirm, der ganz genau die richtigen Farben anzeigt. Die Arbeit fühlt sich anders an, aber ganz ehrlich? Das Prinzip ist dasselbe. Es geht um solides Handwerk.

Ein Foto zu schießen, ist nämlich nur der erste, kleine Schritt. Die eigentliche Magie, die entsteht oft erst danach, am Rechner. Viele glauben ja immer noch das Märchen, dass ein fantastisches Foto einfach so aus der Kamera purzelt. Das ist, mit Verlaub, Quatsch. Ein gutes Foto wird gemacht – erst mit der Kamera, dann am Computer.

Ich hab gelernt, ein Material zu verstehen. Holz hat eine Faserrichtung. Metall eine Spannung. Und ein digitales Foto? Das hat Daten. Unmengen an Daten. Das ist unser Rohstoff. Ein unbearbeitetes Bild ist wie ein ungeschliffenes Stück Holz: Man ahnt das Potenzial, aber die wahre Schönheit ist noch verborgen. Komm, ich zeig dir, wie wir Profis da rangehen. Ohne Hokuspokus, sondern mit bewährten Methoden, Schritt für Schritt.

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Erstmal verstehen: Dein digitaler Rohstoff

Bevor wir loslegen, müssen wir unser Material kennen. Ein Foto ist keine flache Oberfläche, sondern eine tiefe Sammlung von Informationen über Licht und Farbe. Und je mehr Infos wir haben, desto besser können wir zaubern.

Warum du unbedingt im RAW-Format fotografieren solltest

Fast jede halbwegs moderne Kamera kann in zwei Formaten aufnehmen: JPEG und RAW. Stell dir JPEG wie einen fertigen Kuchen aus dem Supermarkt vor. Er ist da, man kann ihn essen, vielleicht noch etwas Puderzucker draufstreuen – aber am Rezept kannst du nichts mehr ändern. Die Kamera hat als Bäcker alle Entscheidungen für dich getroffen: Helligkeit, Kontrast, Farbe, Schärfe. Fertig, aus.

Ein RAW-Bild ist das genaue Gegenteil. Es ist die Kiste mit allen Zutaten: Mehl, Eier, Zucker, Butter. Alle Rohdaten, die der Kamerasensor erfasst hat, sind da, unverändert. Jetzt bist DU der Bäcker. Du entscheidest, wie das Ergebnis aussehen soll. Das gibt dir eine unfassbare Kontrolle.

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Ein Himmel, der im JPEG als weiße, langweilige Fläche erscheint, kann im RAW-Format noch wunderschöne Wolkenstrukturen verbergen. Wir nennen das „Zeichnung in den Lichtern“. Genauso können wir aus tiefen Schatten noch Details herauskitzeln, die im JPEG längst im Schwarz verschwunden wären. Übrigens: Das Umstellen ist super einfach. Schau mal im Menü deiner Kamera unter „Bildqualität“ oder „Dateiformat“. Da kannst du von JPEG auf RAW oder „RAW + JPEG“ umschalten. Mach das. Sofort.

Der einzige Nachteil? Die Dateien sind größer. Aber mal ehrlich, Speicherplatz ist heute spottbillig. Eine verlorene Bildinformation hingegen ist für immer weg.

Dein ehrlichster Freund: Das Histogramm

Vergiss den kleinen Bildschirm an deiner Kamera. Der lügt wie gedruckt. Je nachdem, wie die Sonne scheint oder aus welchem Winkel du draufguckst, wirkt dein Foto heller oder dunkler, als es wirklich ist. Verlass dich da bloß nicht drauf!

Dein verlässlichster Helfer ist eine unscheinbare Grafik: das Histogramm. Meistens kannst du es dir einblenden lassen, indem du ein paarmal die „Info“- oder „Display“-Taste drückst. Stell es dir wie eine Gebirgslandschaft vor, die dir die Helligkeitsverteilung im Bild anzeigt. Ganz links ist tiefstes Schwarz, ganz rechts reinstes Weiß. Dazwischen alle Grautöne.

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  • Ein Berg, der links an die Wand knallt: Dein Bild ist unterbelichtet. Viele Bereiche sind einfach nur schwarz, ohne Details. Das ist oft rettbar, aber nicht ideal.
  • Ein Berg, der rechts an die Wand knallt: Das ist der Super-GAU. Dein Bild ist überbelichtet, Bereiche sind „ausgebrannt“ und nur noch weiß. Diese verlorenen Details in den Lichtern sind fast nie wiederherstellbar.

Achte schon beim Fotografieren darauf, dass dein „Daten-Berg“ möglichst nicht an die Ränder stößt. Lieber ein Bild einen Hauch zu dunkel aufnehmen und später aufhellen, als die Lichter zu verlieren. Das ist einer der wichtigsten Profi-Tipps überhaupt.

Die Kunst der Auswahl: Nur die Besten kommen ins Töpfchen

Nach einem langen Shooting, sagen wir einer Hochzeit, komme ich mit tausenden von Bildern nach Hause. Der erste und vielleicht wichtigste Job ist das gnadenlose Aussortieren. Das nennen wir „Culling“. Nicht jedes Bild kann ein Gewinner sein. Und das ist völlig okay.

Mein bewährtes Drei-Stufen-System zum Ausmisten

Ein ganz wichtiger Rat: Lösche NIEMALS Bilder direkt in der Kamera! Der kleine Bildschirm ist ungeeignet, um Schärfe und Mimik wirklich zu beurteilen. Lade alles auf den Rechner. Für den schnellen Durchlauf gibt es Spezial-Software wie den „FastRawViewer“ (kostet einmalig ca. 20 €), aber es geht auch direkt in Programmen wie Adobe Lightroom.

Runde 1: Der grobe Besen
Ich klicke mich einmal rasant durch alle Bilder. Die einzige Frage lautet: Ist es technisch Müll? Komplett unscharf, Augen geschlossen, jemand läuft durchs Bild – alles, was offensichtlich unbrauchbar ist, wird markiert, aber noch nicht gelöscht.

Runde 2: Die Sterne-Vergabe
Jetzt gehe ich die Übriggebliebenen ein zweites Mal durch und bewerte sie mit Sternen. Mein System ist kinderleicht:

  • 1 Stern: Technisch okay, aber irgendwie langweilig. Die Komposition passt nicht oder der Moment zündet nicht.
  • 3 Sterne: Ein gutes, solides Bild. Scharf, gut belichtet, der Moment stimmt. Das sind die Bilder, die es in die Auswahl schaffen.
  • 5 Sterne: Volltreffer! Perfekte Technik, Hammer-Komposition und ein emotionaler Moment, der unter die Haut geht. Das sind die Portfolio-Bilder.

Die 2 und 4 Sterne lasse ich meistens weg, das hält die Entscheidung klar.

Runde 3: Das Finale
Nun filtere ich nach allen 3- und 5-Sterne-Bildern. Oft habe ich von einer Szene mehrere ähnliche, gute Aufnahmen. Jetzt vergleiche ich sie direkt nebeneinander. Welches Lächeln wirkt echter? Wo ist die Körperhaltung besser? Hier fällt die endgültige Entscheidung. Das Ziel ist es, eine runde Geschichte zu erzählen, nicht einfach nur eine Datenflut zu liefern.

Kleiner Realitätscheck: Für eine Hochzeit mit 3.000 Fotos plane ich allein für diese Auswahl einen ganzen Arbeitstag ein. Das ist keine verlorene Zeit, sondern der entscheidende Schritt, der aus einer Masse von Daten eine unbezahlbare Erinnerung macht.

So, und jetzt bist du dran! Schnapp dir doch mal die letzten 100 Fotos von deinem Handy oder deiner Kamera. Wende mein 3-Stufen-System an und sei gnadenlos. Finde dein einziges 5-Sterne-Bild aus dieser Serie. Das schärft den Blick ungemein!

Die digitale Dunkelkammer: Schritt für Schritt zum Wow-Effekt

Jetzt geht’s ans Eingemachte, meist in Programmen wie Adobe Lightroom (im Abo für ca. 12 €/Monat) oder den tollen kostenlosen Alternativen wie Darktable und RawTherapee. Wir arbeiten dabei „nicht-destruktiv“. Das heißt, unser originales RAW-Bild – unser digitales Negativ – bleibt immer unberührt. Alle Änderungen werden separat gespeichert.

Die Reihenfolge ist dabei entscheidend, genau wie beim Kochen.

Schritt 1: Das Fundament gießen (Grundkorrekturen)

Zuerst schaffen wir eine saubere Basis.

  • Objektivkorrekturen: Jedes Objektiv verzerrt ein bisschen. Moderne Software erkennt dein Objektiv automatisch und bügelt diese kleinen Fehler mit einem Klick aus. Das sorgt für gerade Linien und eine gleichmäßige Helligkeit.
  • Zuschnitt & Ausrichtung: Ist der Horizont schief? Nichts stört mehr! Richte das Bild als Erstes gerade aus. Prüfe dann, ob ein engerer Zuschnitt das Bild stärker macht, indem er störende Elemente am Rand entfernt.

Schritt 2: Die richtige Farbstimmung (Weißabgleich)

Licht hat eine Farbe. Kerzenlicht ist warm-gelb, Schattenlicht ist kühl-blau. Ein falscher Weißabgleich sorgt für fiese Farbstiche. Das weiße Hochzeitskleid darf nicht bläulich wirken. In der Software klicken wir mit einer Pipette einfach auf eine neutrale graue oder weiße Fläche im Bild – und BÄM! Oft ist das der magischste Moment, wenn die Farben plötzlich „einrasten“ und alles natürlich aussieht.

Schritt 3: Licht und Schatten formen (Belichtung & Kontrast)

Jetzt kommt wieder unser Freund, das Histogramm, ins Spiel. Wir wollen eine ausgewogene Helligkeit.

  • Lichter & Tiefen: Das ist die Superkraft von RAW-Dateien! Mit dem „Lichter“-Regler holen wir die Details aus dem hellen Himmel zurück. Mit dem „Tiefen“-Regler machen wir Details in dunklen Jacken sichtbar, ohne das ganze Bild aufzuhellen.
  • Weiß & Schwarz: Mit diesen beiden Reglern setzen wir den hellsten und den dunkelsten Punkt im Bild. Das gibt dem Foto erst richtig Tiefe und einen satten Kontrast.

Achtung, Anfängerfehler: Mach nicht alles zu hell! Ein Bild braucht auch satte Schatten, um dreidimensional und spannend zu wirken.

Schritt 4: Farben mit Gefühl (Dynamik & Sättigung)

Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Es gibt zwei wichtige Regler: „Dynamik“ und „Sättigung“. Mein Tipp: Nutze fast immer nur den Dynamik-Regler. Er ist schlauer, denn er frischt vor allem die blassen Farben auf und lässt Hauttöne in Ruhe. Der Sättigungs-Regler hingegen dreht an allen Farben gleichzeitig voll auf – das sieht schnell billig und unnatürlich aus.

Der Feinschliff: Wo die Profis den Unterschied machen

Wenn die globale Bearbeitung sitzt, gehen wir ins Detail und lenken den Blick des Betrachters. Stell es dir vor wie auf einer Bühne: Wir leuchten den Hauptdarsteller heller an.

Lokale Anpassungen: Malen mit Licht

Mit Korrekturpinseln oder Verlaufsfiltern können wir nur bestimmte Bildbereiche bearbeiten. Das nutze ich ständig:

  • Augen aufhellen: Ein winziger Pinselstrich mit etwas mehr Helligkeit und Klarheit auf den Augen lässt ein Porträt sofort lebendiger wirken.
  • Himmel abdunkeln: Ein Verlaufsfilter von oben nach unten macht den Himmel dramatisch blau, ohne die Landschaft darunter zu verändern.
  • Vignette: Eine leichte, manuelle Abdunklung der Ecken ist ein uralter Trick, um den Blick sanft in die Bildmitte zu ziehen.

Das letzte Gewürz: Richtig Schärfen

Schärfen kommt IMMER ganz zum Schluss. Wie das Salzen der Suppe. Zu viel davon erzeugt hässliche Kanten und Rauschen. Profis schärfen selektiv – wir wollen ja nur die Kanten schärfen, nicht die glatte Haut oder den weichen Himmel.

Wenig bekannter Trick für Lightroom-Nutzer: Wenn du beim Schärfen den „Maskieren“-Regler bewegst, halte mal die Alt-Taste gedrückt. Der Bildschirm wird schwarz-weiß und zeigt dir genau an, welche Bereiche geschärft werden (die weißen Linien). Zieh den Regler so weit nach rechts, bis wirklich nur noch die wichtigen Kanten weiß sind. Das ist der Schlüssel zu einer sauberen, professionellen Schärfe.

Für die Ewigkeit: Sicherheit und Archivierung

Ein fertiges Bild ist unbezahlbar. Eine Festplatte ist es nicht. Sie kann kaputtgehen. Deine ganze Arbeit kann in Sekunden weg sein. Ein gutes Backup-System ist daher keine Option, sondern absolute Pflicht.

Die Lebensretter-Regel: 3-2-1

Ich lebe nach dieser einfachen, aber genialen Regel:

  • 3 Kopien deiner Daten.
  • Auf 2 verschiedenen Medien (z.B. interne und externe Festplatte).
  • 1 Kopie außer Haus (off-site). Das ist der wichtigste Punkt!

Diese externe Kopie kann eine Festplatte bei Freunden sein oder – viel einfacher – ein Cloud-Backup. Ich persönlich nutze eine Kombi aus externen Festplatten (eine gute 2TB-Platte von Seagate oder WD gibt’s oft schon für 60-70 €) und einem Cloud-Dienst wie Backblaze. Der kostet etwa 6 € im Monat für unbegrenzten Speicherplatz und ist meine absolute Lebensversicherung für den Fall eines Einbruchs oder Brandes.

Sieh, was wirklich da ist: Dein Monitor

An einem unkalibrierten Monitor zu arbeiten ist wie Kochen ohne Geschmackssinn. Jeder Bildschirm zeigt Farben ab Werk anders an, meist zu hell und zu blau. Du bearbeitest ein Bild, es sieht bei dir perfekt aus, aber der Druck kommt dunkel, matschig und mit Farbstich zurück. Schuld ist dein Monitor.

Profis investieren daher in ein Hardware-Kalibrierungsgerät. Das ist ein kleines Messgerät, das man auf den Bildschirm hängt. Einsteigergeräte wie der Datacolor SpyderX oder ein X-Rite i1Display kosten zwar um die 150-200 €, aber das ist eine einmalige Investition, die dir auf Dauer so viel Frust und Geld für Fehldrucke spart. Das solltest du alle paar Wochen mal machen, dauert nur 10 Minuten.

Wann du besser einen Profi ranlässt

Man kann sich unglaublich viel selbst beibringen. Aber es gibt Momente, da muss man seine Grenzen kennen. Einen Profi zu engagieren ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Klugheit. Besonders dann, wenn:

  • Es keine zweite Chance gibt: Hochzeit, Taufe, runde Geburtstage. Hier zählt Erfahrung und die Sicherheit, die ein Profi mitbringt.
  • Alte, beschädigte Familienfotos gerettet werden sollen. Das ist eine ganz eigene Kunstform.
  • Du Bilder für dein Business brauchst. Ein gutes Porträt auf deiner Website ist eine Investition, die sich tausendfach auszahlt.

Ein letztes Wort aus der Werkstatt

Die digitale Bildbearbeitung ist ein unglaublich mächtiges Werkzeug. Aber sie ist nie Selbstzweck. Das Ziel ist nicht, ein technisch perfektes, aber seelenloses Bild zu erschaffen. Es geht darum, die Stimmung und die Emotion des Moments zu verstärken.

Sieh die Bearbeitung als den letzten, formgebenden Teil deines Handwerks. Geh mit Respekt an die Arbeit, sei geduldig mit dir selbst und hab Spaß dabei. Denn gutes Handwerk braucht Zeit – das gilt für ein Möbelstück aus Holz genauso wie für ein Bild aus Licht und Daten.

Mareike Brenner

Mareike ist 1991 in Bonn geboren und hat ihr Diplom in der Fachrichtung Journalistik an der TU Dortmund erworben. Sie hat einen Hintergrund im Bereich Design, da sie an der HAW Hamburg Illustration studiert hat. Mareike hat aber einen Sprung in die Welt des Journalismus gemacht, weil sie schon immer eine Leidenschaft für kreatives Schreiben hatte. Derzeit ist sie in der Redaktion von Freshideen tätig und schreibt gern Berichte über Schönheitstrends, Mode und Unterhaltung. Sie kennt übrigens alle Diäten und das Thema „Gesund abnehmen“ wird von ihr oft bevorzugt. In ihrer Freizeit kann man sie beim Kaffeetrinken mit Freunden antreffen oder sie bleibt zu Hause und zeichnet. Neulich hat sie eine neue Leidenschaft entdeckt, und das ist Online-Shopping.