Unser Stern unter der Lupe: Was die schärfsten Sonnenfotos der Welt wirklich bedeuten

von Emma Wolf
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Ganz ehrlich? Ich arbeite seit über 30 Jahren mit Optik und Präzisionsmechanik. In meiner kleinen Werkstatt habe ich unzählige Linsen geschliffen und Teleskope justiert. Man lernt dabei vor allem eines: Je genauer du hinschauen willst, desto kniffliger wird die ganze Angelegenheit. Das ist bei einem winzigen Zahnrad nicht anders als bei unserem riesigen Nachbarn im All, der Sonne.

Für die meisten ist die Sonne ja nur ein heller Ball am Himmel. In Wahrheit ist sie aber ein unglaublich komplexer, oft sogar richtig brutaler Ort. Ihre Launen bestimmen unser Leben hier auf der Erde, jeden einzelnen Tag. Wenn ich durch mein privates, kleines Sonnenteleskop schaue, sehe ich nur einen winzigen Ausschnitt davon. Aber was da vor Kurzem mit dem modernsten Sonnenteleskop der Welt gelungen ist, das spielt in einer völlig anderen Liga. Es ist, als hätte man sein Leben lang mit einer Lupe gearbeitet und bekäme plötzlich ein Elektronenmikroskop in die Hand.

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Diese neuen Bilder sind mehr als nur hübsch anzusehen. Sie zwingen uns, die Sonne mit völlig neuen Augen zu betrachten.

Warum uns die Sonne nicht egal sein kann

Die Sonne ist der Motor unseres Sonnensystems, klar. Ohne sie kein Leben. Aber sie ist nicht immer nur unser Freund. Ihre Oberfläche brodelt und kocht, und manchmal schleudert sie gewaltige Ladungen Energie und Teilchen ins All. Fachleute nennen das „Weltraumwetter“.

Und dieses Wetter ist alles andere als ferne Science-Fiction. Ein heftiger Sonnensturm kann Satelliten lahmlegen, die für unser GPS und die Kommunikation von Flugzeugen entscheidend sind. Im schlimmsten Fall könnten solche Stürme sogar ganze Stromnetze auf der Erde zum Erliegen bringen. Man erinnere sich nur an den großen Stromausfall in Teilen Nordamerikas vor einiger Zeit, der durch Sonnenaktivität ausgelöst wurde. Der wirtschaftliche Schaden wäre heute, in unserer voll vernetzten Welt, um ein Vielfaches höher. Unsere Technik ist eben verletzlich.

Um uns zu schützen, müssen wir diese Sonnenstürme vorhersagen können, ähnlich wie ein aufziehendes Gewitter. Das Problem war bisher nur: Unsere alten Werkzeuge waren einfach nicht gut genug, um die Ursachen zu verstehen.

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Die großen Rätsel unseres Sterns

Die Sonne gibt uns ein paar harte Nüsse zu knacken. Da wäre zum Beispiel die Temperatur ihrer äußersten Atmosphäre, der Korona. Die sichtbare Oberfläche hat etwa 5.500 Grad Celsius. Die Korona aber, also die Schicht weit darüber, ist über eine Million Grad heiß. Das ist physikalisch erstmal total unlogisch. Stell dir vor, du gehst von einem Lagerfeuer weg und es wird immer heißer, je weiter du dich entfernst.

Ein weiteres Rätsel sind die Sonnenflecken. Das sind dunklere, „kühlere“ Bereiche, die immer noch glühend heiß sind, aber eben kühler als ihre Umgebung. Wir wissen, dass sie mit extrem starken Magnetfeldern zusammenhängen. Diese Magnetfelder sind der Schlüssel zu fast allem, was auf der Sonne passiert. Man kann sie sich wie unsichtbare Gummibänder vorstellen, die sich verdrehen, spannen und plötzlich mit einem gewaltigen Knall reißen. Diese Energiefreisetzung ist dann das, was wir als Sonneneruption erleben.

Um diese Prozesse zu verstehen, müssen wir die Magnetfelder aber im kleinsten Detail beobachten können. Bisher war das unmöglich.

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Das Werkzeug: Handwerkskunst im XXL-Format

Um diese Rätsel zu lösen, brauchte es ein völlig neues Werkzeug: das größte Sonnenteleskop der Welt, das auf dem Gipfel eines Vulkans in über 3.000 Metern Höhe steht. Die Prinzipien dahinter sind dieselben wie in meiner Werkstatt – Präzision und ein tiefes Verständnis für Physik –, nur eben in einer ganz anderen Dimension.

Das Herzstück: Ein Spiegel unter Extrembedingungen

Das Kernstück ist ein Hauptspiegel mit einem Durchmesser von vier Metern. Für ein Nachtteleskop wäre das nicht ungewöhnlich, aber für ein Sonnenteleskop ist das eine technische Meisterleistung. Der Grund ist die unfassbare Hitze. Das Teleskop bündelt so viel Sonnenenergie, dass es in Sekunden Stahl schmelzen könnte.

Deshalb besteht der Spiegel aus einer speziellen Glaskeramik, die von einem deutschen Spezialisten entwickelt wurde und sich bei Hitze kaum ausdehnt. Trotzdem muss er permanent und aktiv gekühlt werden. Ein komplexes System aus Kühlleitungen auf der Rückseite sorgt dafür, dass das Instrument nicht zerstört wird. Ein kleiner Fehler im Kühlsystem, und die ganze millionenschwere Optik wäre hinüber.

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Die Technik: Ein Kampf gegen das Flimmern der Luft

Jeder, der schon mal in einer heißen Sommernacht die Sterne beobachtet hat, kennt das Flimmern. Das ist die Erdatmosphäre, die das Licht verzerrt und alles unscharf macht. Für die Sonnenforschung eine Katastrophe.

Deshalb kommt hier eine geniale Technik zum Einsatz, die adaptive Optik. Man kann sich das so vorstellen: Ein Sensor misst hunderte Male pro Sekunde, wie die Luft das Bild gerade verwackelt. Diese Info geht an einen Computer, der einen kleinen, flexiblen Spiegel im Inneren des Teleskops blitzschnell verformt, um genau diese Störung auszugleichen. Das Ergebnis? Gestochen scharfe Bilder, als gäbe es gar keine Atmosphäre. Ohne diese Technik wäre das riesige Teleskop kaum besser als ein viel kleineres im Weltraum.

Das Ergebnis: Ein direkter Blick in den Kochtopf

Die ersten veröffentlichten Bilder zeigen die Sonnenoberfläche in einer nie dagewesenen Detailtiefe. Die Oberfläche sieht aus wie kochender Grießbrei, eine Struktur, die man Granulation nennt.

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Die Sonne schickt ’ne Rechnung: Was Techniker über Sonnenstürme wirklich wissen müssen

Jede dieser brodelnden Zellen ist ungefähr so groß wie Texas oder Deutschland – kaum vorstellbar, oder? In der Mitte jeder Zelle steigt heißes Gas aus dem Sonneninneren auf, kühlt an der Oberfläche ab und sinkt an den dunkleren Rändern wieder ab. Das ist Konvektion, derselbe Prozess wie bei Wasser im Kochtopf, nur eben auf einer kosmischen Skala.

Das wirklich Neue ist aber, dass wir jetzt Strukturen von nur 30 Kilometern Größe erkennen können. Wir sehen zum ersten Mal die feinen, fadenartigen Gebilde in den dunklen Rändern, genau dort, wo sich die Magnetfelder bündeln. Es ist, als würden wir zum ersten Mal das magnetische Skelett der Sonne sehen. Das ist der absolute Schlüssel, um zu verstehen, wie und wo Eruptionen entstehen.

Du willst selbst mal schauen? So geht’s sicher!

Bei all der Faszination muss ich aber mal Tacheles reden. Als jemand, der mit der Kraft gebündelten Lichts arbeitet, kommt hier eine Warnung, die du dir zu Herzen nehmen musst.

Achtung: Schau NIEMALS, unter absolut keinen Umständen, mit einem Fernglas oder Teleskop ohne einen zertifizierten Sonnenfilter in die Sonne!

Das gebündelte Licht zerstört deine Netzhaut in Sekundenbruchteilen. Der Schaden ist permanent und führt zur Erblindung. Aber keine Sorge, die Beobachtung ist trotzdem möglich und gar nicht teuer. Hier ein kleiner Leitfaden für Anfänger:

  • Besorg dir die richtige Folie: Was du brauchst, ist eine spezielle Sonnenfilterfolie, zum Beispiel die bekannte „AstroSolar“-Folie. Ein Bogen im DIN-A4-Format kostet meist nur zwischen 20 € und 30 € und reicht für mehrere Instrumente. Du bekommst sie im Astro-Fachhandel oder online.
  • Bau dir einen Filter: Aus Pappe und dieser Folie bastelst du dir eine Kappe, die du VORNE auf die Öffnung deines Fernglases oder Teleskops steckst. Niemals hinten am Okular!
  • Vorsicht vor alten Billig-Filtern: Früher gab es oft kleine, dunkle Filter zum Einschrauben ins Okular. Finger weg davon! Die Dinger sind brandgefährlich. Im Inneren des Teleskops staut sich die Hitze, und dieser Filter kann durch die Temperatur platzen. Dann schießt die volle, ungefilterte Sonnenenergie direkt in dein Auge.

Mit einem sicheren, selbstgebauten Filter kannst du dann gefahrlos die Sonnenflecken beobachten. Das ist ein fantastisches Erlebnis!

Was die Zukunft bringt

Das riesige Teleskop arbeitet übrigens nicht allein. Es ist Teil eines ganzen Netzwerks von Instrumenten. Einige Sonden fliegen extrem nah an die Sonne heran und „fühlen“ die Bedingungen vor Ort, während das Teleskop von der Erde aus gestochen scharfe Bilder liefert, wo genau etwas passiert. Indem die Experten diese Daten kombinieren, entsteht endlich ein vollständiges Bild.

Gut zu wissen: Das Licht, das wir von der Sonne empfangen, braucht zwar nur etwa 8 Minuten bis zur Erde, aber es hat davor eine unvorstellbar lange Reise hinter sich. Vom Kern der Sonne bis an ihre Oberfläche kann es über 100.000 Jahre dauern!

Die neuen Bilder sind erst der Anfang. Die Forscher werden jetzt gezielt aktive Regionen ins Visier nehmen, um die Entstehung von Sonnenstürmen live zu verfolgen. Wir werden nicht über Nacht alle Antworten finden, aber wir haben endlich das richtige Werkzeug in der Hand. Und für mich persönlich ist das eine riesige Inspiration. Es zeigt, was möglich ist, wenn Handwerk, Ingenieurskunst und Neugier zusammenkommen, um das Objekt zu verstehen, das uns jeden Tag das Leben schenkt.

Emma Wolf

Ich liebe es, unseren Lesern und Leserinnen praktische und einzigartige Informationen, Tipps und Life Hacks über allmögliche Themen zu geben, die sie in ihrem Alltag auch tatsächlich anwenden können. Ich bin immer auf der Suche nach etwas Neuem – neuen Trends, neuen Techniken, Projekten und Technologien.