Nie wieder im Herbst frieren: Woran du WIRKLICH gute Kleidung erkennst (Ein Guide aus der Werkstatt)

von Mareike Brenner
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Ich steh seit über 30 Jahren in der Werkstatt, und meine Hände, die kennen den Unterschied zwischen einem ehrlichen Schurwoll-Tuch und einem billigen Polyester-Gemisch mit geschlossenen Augen. Ich hab Moden kommen und gehen sehen, wirklich. Aber eines, das bleibt immer gleich: das Gefühl von echter Qualität.

Wenn der erste kühle Wind um die Häuser pfeift, geht es doch nicht darum, dem neuesten Trend aus irgendeinem Hochglanzmagazin hinterherzujagen. Es geht darum, Teile im Schrank zu haben, die dich wärmen, die dich schützen und die dich über Jahre begleiten. Und ganz ehrlich: Das ist kein Hexenwerk. Man muss nur wissen, worauf man achten muss.

Komm mit auf einen kleinen Spaziergang durch die Grundlagen ehrlicher Handwerkskunst – angewendet auf deine Herbstgarderobe. Wir reden nicht über die Farbe der Saison. Wir reden über Wolle, die atmet, Leder, das mit dir altert, und Schnitte, die eine gute Figur machen, egal, was gerade angesagt ist.

1. Alles fängt beim Stoff an: Ein ehrlicher Griff ins Material

Ein Mantel kann noch so schick geschnitten sein – wenn der Stoff nichts taugt, frierst du trotzdem, und nach einer Saison sieht er aus wie ein alter Lappen. Die Etiketten sind oft eine Wissenschaft für sich, aber die Basics sind kinderleicht.

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Wolle: Der ungeschlagene Herbst-Champion

Wolle ist einfach die Faser für den Herbst. Sie isoliert genial, kann massig Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich klamm anzufühlen, und ist von Natur aus schmutzabweisend. Aber Wolle ist nicht gleich Wolle.

  • Schurwolle: Das ist die Wolle vom lebenden, gesunden Schaf. Robust, elastisch, langlebig. Ein gutes Erkennungszeichen ist oft das bekannte Wollsiegel (Woolmark), das für reine Schurwolle steht.
  • Merinowolle: Superfein und weich, weil sie vom Merinoschaf kommt. Das ist die Wolle, die nicht kratzt und sich perfekt für Pullover oder Schals direkt auf der Haut eignet. Ein guter Merinopullover liegt meist zwischen 80 € und 150 €.
  • Kaschmir: Luxus pur – unglaublich weich und warm. Es stammt aus dem Unterfell der Kaschmirziege. Achtung! Echter Kaschmir hat seinen Preis. Bei verdächtig günstigen Angeboten ist oft billige Wolle beigemischt. Guter Kaschmir fühlt sich dicht und fast ein wenig „fettig“ an, nicht superflauschig. Der Flaum kommt erst beim Tragen.
  • Loden: Ein traditioneller Stoff, der durch Walken (kontrolliertes Verfilzen) extrem dicht, winddicht und wasserabweisend wird. Ein echter Lodenmantel ist eine schwere, aber ehrliche Anschaffung fürs Leben. Der riecht bei Regen auch typisch nach nasser Wolle – ein echtes Qualitätsmerkmal!

Okay, aber warum nicht einfach der günstige Pulli aus Acryl oder Polyester? Stell dir Wolle wie eine Hightech-Klimaanlage vor: Sie wärmt, wenn’s kalt ist, aber lässt Feuchtigkeit raus, damit du nicht unangenehm ins Schwitzen kommst. Synthetik hingegen ist eher wie eine Plastiktüte. Du schwitzt schnell, es fängt an zu müffeln, und oft lädt es sich statisch auf, dass dir die Haare zu Berge stehen. Wolle atmet, Synthetik schließt dich ein.

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Leder: Eine zweite Haut, die Charakter bekommt

Gutes Leder wird mit der Zeit schöner, nicht schlechter. Es bekommt eine Patina. Billiges Leder hingegen bricht oder die Beschichtung blättert ab.

Achte auf Vollnarbenleder. Das ist die oberste, wertvollste Schicht der Haut, bei der man die natürliche Porenstruktur noch sieht. Das Zeug ist fast unzerstörbar. Spaltleder (Velours) ist weicher, aber auch empfindlicher. Und ein kleiner Profi-Tipp: Riech daran! Es sollte nach Leder duften, nicht nach Chemie. Schau dir auch den Reißverschluss an. Steht da klein YKK oder Riri drauf? Super, das sind Hersteller, die für ihre Langlebigkeit bekannt sind und oft in hochwertigen Stücken verbaut werden.

2. Die wichtigste Investition: Den richtigen Mantel finden

Dein Mantel ist dein Aushängeschild für die nächsten Monate. Hier solltest du keine faulen Kompromisse machen. Ein wirklich guter Wollmantel, der dich Jahre begleitet, startet oft erst bei 250 € bis 300 € und kann je nach Verarbeitung auch mal 600 € oder mehr kosten. Klingt viel, aber rechnet sich über die Zeit.

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Die Passform ist alles

Ein klassischer Fehler, den ich ständig sehe: Der Mantel wird nur über einem T-Shirt anprobiert. Probier ihn IMMER mit einem dicken Pullover drunter an! Du musst die Arme noch heben und dich umarmen können, ohne dass es irgendwo spannt.

  • Schulternaht: Sie gehört genau auf den Punkt, wo deine Schulter endet. Nicht davor, nicht dahinter.
  • Ärmellänge: Die Ärmel sollten bis zum Handgelenksknochen reichen und den Pulloverärmel darunter gerade so bedecken.
  • Mantellänge: Längere Mäntel wärmen einfach besser. Ein klassischer Schnitt sollte mindestens bis zur Mitte des Oberschenkels gehen.

Der verräterische Blick auf die Details

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Schau dir die Knöpfe an. Sind sie aus billigem Plastik oder aus Horn? Hornknöpfe sind matter und haben eine natürliche Maserung. Ein Top-Detail: Wenn auf der Innenseite ein kleiner Gegenknopf angenäht ist, schont das den Stoff ungemein.

Und jetzt zum Futter und zum Kragen. Fass mal das Revers an. Fühlt es sich stabil an oder wie ein labberiger Lappen? Bei guten Mänteln wird hier eine Einlage vernäht, bei billigen nur aufgeklebt. Ich hatte mal einen Kunden, der brachte mir seinen fast neuen Mantel. Nach der ersten Reinigung warf das ganze Revers Blasen, als hätte es die Masern. Warum? Die Einlage war nur billig geklebt und hatte sich durch die Hitze und Chemie gelöst. Das passiert, wenn man an der falschen Stelle spart.

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3. Solide Begleiter: Hosen und Pullover

Unter dem Mantel brauchst du natürlich auch was Verlässliches.

  • Hosen: Neben Jeans ist Cord im Herbst genial. Warm, robust und gemütlich. Oder wie wär’s mit einer Hose aus Wollflanell? Unglaublich bequem und trotzdem elegant. Eine gut sitzende Flanellhose in Grau ist eine absolute Bank.
  • Pullover: Achte darauf, wie die Ärmel angesetzt sind. Bei hochwertigem Strick werden die Teile „gekettelt“, was eine flache, elastische Naht ergibt, anstatt sie einfach grob zusammenzunähen. Und ja, fast jede Wolle bildet anfangs ein paar Knötchen (Pilling). Bei guter Qualität hört das aber nach kurzer Zeit auf und die paar Knötchen lassen sich mit einem Wollkamm easy entfernen.

4. Auf festem Grund: Schuhe, die was aushalten

Nasse Füße im Herbst ruinieren dir den ganzen Tag. Deine Schuhe sind deine Verbindung zum Boden – sie müssen was aushalten!

Die meisten günstigen Schuhe haben heute eine geklebte Sohle. Schnell, billig, aber wenn sie kaputt ist, ist der Schuh meist ein Fall für die Tonne. Die Königsdisziplin sind rahmengenähte Schuhe. Hier wird die Sohle an einen Lederrahmen genäht, nicht geklebt. Das macht den Schuh extrem stabil, wasserabweisend und – ganz wichtig – reparaturfähig. Ein guter Schuster kann dir die Sohle mehrmals erneuern.

Ein solcher Schuh kostet vielleicht 300 € oder 400 €, aber er hält bei guter Pflege locker zehn Jahre. Ein Billigschuh für 80 €, den du jedes Jahr neu kaufen musst, ist am Ende teurer. Eine Investition, die sich wirklich lohnt.

5. Qualität für den schmalen Geldbeutel? Geht doch!

„Alles schön und gut“, denkst du jetzt vielleicht, „aber Kaschmir und rahmengenähte Schuhe sind nicht in meinem Budget.“ Verstehe ich total. Aber Qualität muss nicht immer den vollen Preis kosten.

  • Second-Hand ist Gold wert: Auf Plattformen wie Vinted oder in guten Second-Hand-Läden findest du oft hochwertige Mäntel oder Lederjacken von Traditionsmarken für einen Bruchteil des Neupreises. Echte Qualität hält so lange, dass sie locker einen zweiten Besitzer glücklich machen kann.
  • Geduld im Sale: Klassiker wie ein gut geschnittener Wollmantel oder ein einfacher Merinopullover kommen nicht aus der Mode. Warte auf den Sale am Ende der Saison und schlag dann zu.
  • Konzentrier dich auf ein Teil: Kauf dir lieber nur EIN wirklich gutes Stück pro Saison statt fünf mittelmäßige. Ein toller Mantel wertet sofort deine ganze Garderobe auf.

6. Pflege ist alles: So bleiben deine Lieblinge schön

Das beste Teil nützt nichts, wenn du es nicht pflegst.

  • Mäntel & Jacken: Immer auf einen breiten Holzbügel hängen, niemals auf einen dünnen Drahtbügel! Wolle reinigt sich oft selbst – über Nacht an die frische Luft hängen wirkt Wunder und ist besser als jede chemische Reinigung.
  • Wollpullover: So selten wie möglich waschen. Lüften reicht meistens. Wenn’s doch mal sein muss: kalt, im Wollwaschgang, mit Wollwaschmittel. Und zum Trocknen flach auf ein Handtuch legen, niemals aufhängen!
  • Leder: Leder braucht Nahrung. Ein- bis zweimal im Herbst mit einem guten Lederfett auf Bienenwachsbasis einreiben, damit es geschmeidig bleibt.

Und kenn deine Grenzen. Einen Knopf annähen schaffst du selbst. Aber wenn das Futter reißt oder eine Hose enger gemacht werden muss, geh zu einer Änderungsschneiderei. Eine Hosenkürzung kostet oft nur 10 bis 15 Euro und sorgt dafür, dass alles perfekt sitzt.

Dein Spickzettel für die Anprobe: Der 30-Sekunden-Qualitätscheck

Bevor du zur Kasse gehst, mach schnell diese drei Checks:

  1. Der Griff-Test: Fass den Stoff an. Fühlt er sich „lebendig“ und elastisch an oder trocken und spröde?
  2. Der Naht-Zieh-Test: Zieh vorsichtig an einer unauffälligen Naht. Wirkt sie stabil oder gibt sie sofort nach und die Stiche werden sichtbar?
  3. Der Detail-Check: Rüttel an den Knöpfen. Laufen die Reißverschlüsse sauber und ohne zu haken?

Eine gute Garderobe aufzubauen ist ein Marathon, kein Sprint. Es geht darum, über die Jahre hinweg kluge Entscheidungen zu treffen. Ein Mantel aus gutem Tuch, ein Paar solide Stiefel, ein Pullover aus reiner Wolle – das sind Freunde, die dich über viele Herbste begleiten. Sie erzählen deine Geschichte. Und das ist mehr wert als jeder kurzlebige Trend.

Mareike Brenner

Mareike ist 1991 in Bonn geboren und hat ihr Diplom in der Fachrichtung Journalistik an der TU Dortmund erworben. Sie hat einen Hintergrund im Bereich Design, da sie an der HAW Hamburg Illustration studiert hat. Mareike hat aber einen Sprung in die Welt des Journalismus gemacht, weil sie schon immer eine Leidenschaft für kreatives Schreiben hatte. Derzeit ist sie in der Redaktion von Freshideen tätig und schreibt gern Berichte über Schönheitstrends, Mode und Unterhaltung. Sie kennt übrigens alle Diäten und das Thema „Gesund abnehmen“ wird von ihr oft bevorzugt. In ihrer Freizeit kann man sie beim Kaffeetrinken mit Freunden antreffen oder sie bleibt zu Hause und zeichnet. Neulich hat sie eine neue Leidenschaft entdeckt, und das ist Online-Shopping.